Bielefelder Tageblatt (BW) ,
20.09.2005 :
(Bielefeld) Synagogenbrand auf Film / Einzigartiges Bielefelder Dokument im Museum / Spende des Ehepaars Böcker
Von Frank Bell
Bielefeld. Zerstörte jüdische Geschäfte, niedergebrannte Synagogen, Abtransport jüdischer Mitbürger in Konzentrationslager: Die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 war ein weiterer Schritt des Nazi-Terrors innerhalb der Vernichtungskampagne der NSDAP gegen die in Deutschland lebenden Juden. Das weltweit vermutlich einzige Dokument eines Synagogenbrandes auf Film stammt von Gustav Wittler aus Bielefeld. Das Ehepaar Hiltrud Böcker-Lönnendonker und Klaus Böcker hat dafür gesorgt, dass dieses Dokument ab sofort im Historischen Museum jedermann zugänglich ist.
Seit der Eröffnung des Museums ist eine Ausstellungseinheit der Synagoge an der Turnerstraße gewidmet, die in diesen Tagen 100 Jahre alt geworden wäre (Neue Westfälische vom 19. September). Zu sehen sind Fotos, der Grundriss des Gebäudes und die Kapsel aus dem Grundstein, die die jüdische Kultusgemeinde als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt hat.
Jetzt gibt es zusätzlich eine Säule mit Bildschirm und erklärender Beschreibung zum Brand. Per Knopfdruck lässt sich der gut einminütige Ausschnitt starten. Das Ehepaar Böcker stiftete die technische Ausstattung und die Überspielung von Film auf ein digitales Format.
"Wir waren völlig verblüfft, als wir den Ausschnitt vom Brand im Jüdischen Museum Berlin sahen und haben uns gedacht, dass die Bielefelder zu diesem einzigartigen Dokument in ihrer Heimatstadt Zugang bekommen müssen", erläutert Hiltrud Böcker-Lönnendonker ihre Motivation. "Auch im Holocaust-Museum in Washington ist der Streifen zu sehen."
"Der Filmausschnitt bringt die Reaktion der Bielefelder Bevölkerung mit ins Spiel. Viele Schaulustige sind zu sehen", sagt Museumsleiterin Dr. Cornelia Foerster. Böcker-Lönnendonker bezeichnet die Synagoge als letztes bedeutendes Historismus-Gebäude nach dem Alten Rathaus. "Die Ausmaße des Gotteshauses zeigen gleichzeitig seine Bedeutung", betont sie. Klaus Böcker verweist darauf, dass in Berlin Polizei und Feuerwehr die dortige Synagoge geschützt haben: "Im Gegensatz zu Bielefeld."
Eine Kopie seines 16-mm-Streifens mit dem Titel "Schönes Bielefeld", aufgenommen 1938 bis 1953, hatte der Amateurfilmer Gustav Wittler dem Stadtarchiv 1964 zur 750-Jahr-Feier zur Verfügung gestellt.
In einem Begleitbrief an Oberbürgermeister Herbert Hinnendahl schreibt Wittler: "Als ich am 10. November 1938 in aller Früher in meiner Nachtruhe gestört und mir von der Polizei aufgegeben wurde, auf Funkenflug als Schutz für die eigene Wohnung zu achten, da die Synagoge in Flammen stände, ich wohnte damals in der Falkstraße, da griff ich als Film-Amateur sogleich zu meiner Kamera und bekam dadurch, wahrscheinlich als Einziger, den Synagogenbrand auf meinen Film."
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
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