Bielefelder Tageblatt ,
19.09.2005 :
Jüdische Kultur bereichert / Kultusgemeinde gedenkt der Einweihung der Bielefelder Synagoge vor 100 Jahren
Von Ansagar Mönter
Bielefeld. "Ein stolzer, schmucker Bau, die neue Synagoge, die draußen in der Turnerstraße als ein Zeichen der Gottverehrung zu Himmel strebt, hat heute seine Weihe gefunden." Das schrieb der Bielefelder Generalanzeiger am 21. September 1905 anlässlich der Einweihung des Synagogen-Neubaus in Bielefeld. An dieses Ereignis – sowie an die folgenden dunklen Jahre und das heutige Leben – gedachte gestern die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld mit zahlreichen Gästen in der Aula des Ratsgymnasiums
Oberbürgermeister Eberhard David bezeichnete in seinem Grußwort vor den rund 120 Teilnehmern das jüdische Leben und die jüdische Kultur als bereichernd für die Gesellschaft. Er zeigte sich froh darüber, dass die Gemeinde heute wieder einen Raum hat in dieser von "Toleranz, Gleichberechtigung und Weltoffenheit geprägten Stadt" gefunden hat und versprach, dass die Stadt weiter an dieser Entwicklung arbeiten werde: "Ich werde mich jedenfalls dafür einsetzen."
Dass die Re-Integration der jüdischen Mitbürger in die Gesellschaft in Bielefeld funktioniert, bestätigte Paul Yuval Adam vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde: "Wir haben in Bielefeld die berechtigte Hoffnung, wieder einen festen Platz in dieser Stadt inne zu haben. Wir haben das Gefühl, hier auf einem guten Weg zu sein."
Tatsächlich wächst die Jüdische Gemeinde – vor allem durch den Zuzug von Menschen aus dem ehemaligen Gebiet der Sowjetunion. Laut Irith Michelsohn vom Vorstand gehören 98 Prozent der 230 Mitglieder zu dieser Gruppe. Sie treffen sich heute regelmäßig in ihrer Synagoge und den Gemeinderäumen an der Stapenhorststraße. Denn wie etwa 2.000 andere Synagogen in Deutschland wurde auch der 41 Meter hohe Bielefelder Bau mit seinem geschwungenen Renaissancegiebel von den Nazis abgebrannt. Auch an diese Zeit erinnerte sich die Festgesellschaft gestern. "Es sind sinnlos und menschenverachtend Leben zerstört worden", sagte Oberbürgermeister David. Jüdisches Leben in Bielefeld wurde fast vollständig ausgelöscht.
Jetzt blüht es wieder. Das bewiesen Cantorin Josée Wolff, Sänger Paul Yuval Adam und Andor Iszák an der Orgel, die die Feier musikalisch umrahmten.
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