Junge Linke Lippstadt ,
17.09.2005 :
(Lippstadt) Kein vergeben - Kein vergessen! / Redebeitrag am Gedenkstein für die Opfer des Faschismus
Liebe Freundinnen und Freunde,
ursprünglich sollte an dieser Stelle, an dem Gedenkstein für die im April 1945 ermordeten Antifaschisten der Unionswerke, die aus Dortmund stammende Lore Junge, welche als Tochter von Verfolgten Nazigegnern den Nationalsozialismus hautnah erlebt hat, zu uns sprechen. Dies hat leider nicht geklappt. Aus diesem Grund möchte ich selber etwas zu der Geschichte des Gedenksteins sagen und beziehe ich mich dabei auf das von Lore Junge verfasste Buch "Mit Stacheldraht gefesselt", in dem sie die Geschehnisse der Karfreitagsmorde im Dortmunder Rombergpark zusammenfasst.
Als es im Frühjahr 1945 nur noch eine Frage von Wochen war, bis das 1.000-jährige Reich besiegt durch die alliierten Armeen - welchen an dieser Stelle noch einmal gedankt sein soll - kapitulieren musste, versuchten die nach wie vor für Führer und Endsieg kämpfenden Volksgenossen mit aller Vehemenz, auch noch die letzten ihrer Feinde aufzuspüren und zu vernichten. Zu diesem Zeitpunkt war in Lippstadt, wie auch überall sonst im Reichsgebiet, in der Pogromnacht die Synagoge unter den Jubelschreien des Volksmobs abgebrannt, die Jüdinnen und Juden gen Osten in die Vernichtungslager deportiert und deren Habseligkeiten unter den sich als Herrenmenschen verstehenden Deutschen längst aufgeteilt worden.
Mit dem Wissen, dass es auch nach 12 Jahren des Nationalsozialismus an der Macht noch immer Menschen gab, die sich diesem durch und durch menschenverachtenden System nicht beugen wollten und unter der Gefahr ihr Leben zu verlieren, für den Sturz des Systems kämpften, kam es im April '45 zu einer letzten großen Verhaftungswelle von Nazigegnern. Mit dem Hinweis, dass in den Lippstädter Unionswerken nicht alles in Ordnung sei, da Hinweise über den Aufbau zweier kommunistischer Widerstandsgruppen, vorlägen, wurden Angehörige der Gestapozentrale Dortmund–Hörde nach Lippstadt gesandt, um sich der Sache anzunehmen. Unter der Leitung des Gestapo-Manns Cossmann fanden sich unter den Unionsarbeitern schnell Denunzianten, welche bereit waren, sechs im Widerstand aktive Lippstädter sowie die mit ihnen in Verbindung stehenden französischen Zwangsarbeiter ans Messer zu liefern. Ihnen wurde daraufhin vorgeworfen, dass sie den Feindsender abgehört und mit der Verbreitung entsprechender Informationen für Unruhe im Betrieb gesorgt, sowie Zwangsarbeitern Essen zugesteckt zu haben. Darüber hinaus sollen sie sich erfreut über die deutschen Niederlagen und das abzusehende Ende der Naziherrschaft geäußert und den Kommunismus als einzige Alternative zur Gefahr des Faschismus bezeichnet haben. Dabei waren keineswegs alle verhafteten Antifaschisten Mitglieder der KPD, sondern es waren auch Sozialdemokraten und Christen unter ihnen. Was sie einte war nicht mehr und nicht weniger als die tiefe Abscheu vor der nationalsozialistischen Ideologie und des Nazistaats.
Nach ihrer Festnahme wurden die Antifaschisten drei Tage lang unter Folter verhört, bis sie am Karfreitag 1945 mit Hunderten anderen Nazigegnern in Massenerschießungen hingerichtet wurden. Von den zahlreichen Mördern wurden nur wenige vor Gericht gestellt und noch weniger - nicht wegen Mordes sondern Beihilfe zum Todschlag - meist zu milden Strafen verurteilt. Die über sie Recht sprechenden einstigen Nazirichter hielten die Aussagen anderer Gestapo- und SS-Mitglieder selbstverständlich für glaubwürdiger, als die der belastenden Zeugen. Lore Junge dazu in ihrem Buch: "Als die Gestapo-Leute 1952 auf der Anklagebank saßen, erfreuten sie sich stolz solcher Ränge wie Kriminalsekretär, Kriminalassistent und Kriminalrat, sie beriefen sich darauf, dass sie Beamte seien, ehrenwerte Leute und treue Staatsdiener." Nicht nur an diesem Beispiel zeigt sich die Kontinuitätslinie des faschistischen Deutschlands in die post-nazistische Bundesrepublik.
Auch wenn darin nicht die einzige Ursache für das aktuelle Widererstarken faschistischer Parteien, Bewegungen und Ideologien liegt, so ist es doch eine wesentliche. Um so bitterer ist es, wenn die noch lebenden Opfer und einstigen Widerstandskämpfer heute resümieren müssen, dass das Nazireich zwar militärisch besiegt wurde, aber weder die im Schwur von Buchenwald angestrebte Welt des Friedens und der Freiheit, noch die Vernichtung der Wurzeln des Faschismus je erreicht wurde. Wir können es also nur als unsere Aufgabe, Pflicht und Verantwortung ansehen, den antifaschistischen Kampf solange und so entschlossen weiter zu führen, bis wir die gesellschaftlichen Bedingungen so eingerichtet haben, dass sich Auschwitz nicht wiederhole, etwas ähnliches nie wieder geschehe.
In diesem Sinne:
Kein vergeben - Kein vergessen!
Wir lassen uns dabei nicht kriminalisieren!
Nicht wir sind die Verbrecher, sondern die marschierenden und mordenden Nazis, sowie diejenigen, welche sie wieder marschieren lassen!
lijuli@web.de
|