www.hiergeblieben.de

Neue Westfälische , 05.01.2004 :

Menschenrechte in der Türkei - eine Tagung

Bielefeld (MJ). Millionen von türkischstämmigen Menschen leben in Deutschland. Die Türkei ist auf dem besten Weg, Mallorca als Urlaubsziel in der Gunst der Deutschen abzulösen - und dennoch ist das Land weitgehend unbekannt.

Wer versteht schon das dort herrschende Spannungsverhältnis zwischen Laizismus - der strikten Trennung von Staat und Religion -, Fundamentalismus und Religionsfreiheit? Wie stellt man sich angesichts der Beitrittsverhandlungen mit der EU zu den nach wie vor gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die selbst im aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes moniert werden? Unter welchen Bedingungen erhalten Menschen aus der Türkei in der Bundesrepubkik heute noch Asyl?

Fragen wie diesen widmete sich ein interdisziplinäres Kolloquium an der Universität Bielefeld in Zusammenarbeit mit dem Dortmunder Bildungswerk für Friedenspolitik und gewaltfreie Veränderung (Umbruch) - geleitet von Prof. Ulrike Davy, Professorin für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Rechtsvergleichung, und Heiner Bielefeld, seit Anfang August Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin.

Neben Geschichte und Verfassung der Türkei standen dabei die Rolle der Frau, das Problem der Folter und der Umgang mit ethnischen und kulturellen Minderheiten im Vordergrund.

Ein Beispiel für die Verfolgung religiöser Minderheiten in der Türkei ist etwa das Schicksal der Yeziden, Anhänger einer 4.000 Jahre alten Religion, deren religiöses Zentrum "Lalish" nahe der Stadt Mosul im Nordirak liegt. Weil sie in großen Teilen ihres ursprünglichen Siedlungsgebietes verfolgt und vertrieben werden (in der Türkei verrät ein Stempel im Pass die Religionszugehörigkeit), flohen die Yeziden aus Syrien, Armenien, Georgien und der Türkei nach Westeuropa. Etwa 30.000 Yeziden kamen seit den 70er Jahren zunächst als Gastarbeiter nach Deutschland; seit Anfang der 90er Jahre werden türkische Yeziden hierzulande als asylberechtigt anerkannt.

Wie sehr uns dies alles betrifft, wird schnell deutlich: Yeziden in höchster Bevölkerungsdichte weltweit leben heute im Raum zwischen Gütersloh und Celle. Die meisten Yeziden betrachten ihre Flucht und Auswanderung als beendet an, sie haben damit begonnen, auch ihre Toten in der Bundesrepublik zu bestatten. Auf dem Bielefelder Sennefriedhof zum Beispiel hat man dafür ein spezielles Gräberfeld eingerichtet.


redaktion@nw-news.de

zurück