Schaumburger Zeitung ,
12.09.2005 :
22 Jahre nach dem ersten Antrag: Infotafel eingeweiht / Erklärungen für die russischen Zwangsarbeiter auf dem Jüdischen Friedhof in Hattendorf / "Ein Kreis schließt sich"
Hattendorf (rnk). Für Klaus Maiwald als Leiter der Geschichtswerkstatt der Bückeburger Herderschule schloss sich gestern Mittag mit der Einweihung einer Infotafel für die russischen Zwangsarbeiter auf dem Jüdischen Friedhof ein Kreis. 22 Jahre nach dem ersten Antrag erfolgte die Aufstellung, "damit sind alle Anträge, Wünsche und Forderungen von Schaumburger Schülern der letzten 22 Jahre zur Erinnerung an die NS-Opfer in unserer Heimat erfüllt worden", erklärt Maiwald.
Bereits im Jahre 1983 hatten Schüler der Haupt- und Realschule Helpsen zusammen mit ihren Lehrern Friedrich Winkelhake und Maiwald selbst Anträge an den Landkreis Schaumburg für die Aufstellung von Tafeln für die NS-Opfer in Schaumburg gestellt. Grundlage dafür waren die erfolgreichen Beiträge zum Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Alle Versuche, Tafeln aufzustellen, scheiterten jedoch. "Die Zeit war in den 80-er Jahren noch nicht reif dafür", bilanzierte Maiwald gestern.
Erst seit den 1990-er Jahren waren die weiteren Initiativen, besonders durch Schüler der Geschichtswerkstatt in Bückeburg, von Erfolg gekrönt.
1995 wurde eine Übersetzungstafel vor dem Denkmal auf dem "Russischen Friedhof" am Horn in Rehren aufgestellt; zwölf Jahre nach dem Antrag.
1997 wurde eine Infotafel für die Zwangsarbeiter des Steinbruchs Steinbergen auf dem reformierten Friedhof in Bückeburg aufgestellt.
2000 folgte ein Mahnmal im Steinbruch Steinbergen.
2004 wurden, 21 Jahre nach dem ersten Antrag, dann auch Hinweisschilder zum Jüdischen Friedhof in Hattendorf und zum Russischen Friedhof in Rehren aufgestellt.
Am 21. September wird die Infotafel auf dem reformierten Friedhof durch eine ausführliche Pulttafel ersetzt.
Im nächsten Jahr, so Maiwald, werde die Geschichtswerkstatt einen Wegweiser auf den Spuren von Zwangsarbeit in Schaumburg veröffentlichen.
Vier Schüler hellten gestern in kurzen Ansprachen Hintergründe auf. Jakob Niemetz erinnerte daran, dass in Hattendorf 36 russische Zwangsarbeiter als Opfer des Nationalsozialismus ruhen würden. Sie seien zwischen 1942 und 1943 Insassen des so genannten "Sammellagers für kranke Ostarbeiter" in Rehren. Ursprünglich war dies Lager ein Autobahn-Wohnlager, das später Kriegsgefangenenlager wurde. Ab 1942 wurde es Sammellager für "nicht einsatzfähige Ostarbeiter", die zu krank und zu geschwächt für den "normalen" Arbeitsdienst waren.
In diesen Lager, so führte Erik Krüger weiter aus, mit seinem Platz für 212 Personen, hätten zeitweilig bis zu 620 Menschen leben müssen. Dem Lager war eine Entbindungsstation für schwangere Ostarbeiterinnen angegliedert.
Nach den Standesamtsunterlagen in Rehren starben 307 Menschen, hauptsächlich Polen und Russen. Als Todesursache wurde in aller Regel Tuberkulose angegeben. Nach der Belegung des Hattendorfer Friedhofes wurden 233 weitere Tote auf dem so genannten Russenfriedhof "Am Horn" beerdigt. Unter den Toten fanden sich sieben Kinder, die kurz nach der meist im Lager erfolgtenGeburt starben.
Michael Weiser erinnerte daran, dass die Schwerstkranken sich morgens trotz ihrer offenen Tuberkulose zur Arbeit drängten, denn wenn die Bauern wegen eines Arbeitseinsatzes zum Lager kamen, bekamen sie etwas Essen. Wenn sich der eine oder andere Lagerinsasse etwas habe kräftigen können, dann durch die Unterstützung der umliegenden Bauern, sagte Weiser.
Yasmin Azimzadeh las aus den Erinnerungen von Maria Arbenina, die als 17-jähriges russisches Mädchen 1942 von deutschen Soldaten auf der Straße aufgegriffen worden war und zur Zwangsarbeit deportiert wurde.
Das Lager wurde am 8. April von den alliierten Truppen befreit, nach dem Krieg wurden von der sowjetischen Militärmission jeweils ein Gedenkstein auf dem Rehrener "Russenfriedhof" und auf dem jüdischen Friedhof in Hattendorf erreichtet. 1997 folgte dann am Rehrener Friedhof "Am Horn" eine deutsche Übersetzungstafel, seit gestern hat sie auch der Friedhof in Hattendorf.
sz@schaumburger-zeitung.de
|