Dieter Zoremba ,
14.11.1985 :
Persönliche Erklärung
Die GRÜNEN waren angetreten, die bestehende Gesellschaft grundlegend zu verändern. Aus der Einsicht, dass es gerade diese Gesellschaft in ihrer ökonomischen und politischen Verfaßtheit ist, die die von den GRÜNEN kritisierten zentralen Punkte Ausbeutung, Militarismus, Entfremdung, Zerstörung der Lebensgrundlagen, Knechtung der 3. Welt mit einer gewissen Konsequenz produziert, resultierte die politische Stoßrichtung, dieser Gesellschaft massenhaft die Loyalität aufzukündigen (kleine Ansätze waren zum Beispiel bei der Volkszählung, bei Steuerboykotten gegen Rüstungsausgaben, bei Blockaden bei Militäreinrichtungen usw. sichtbar). Das Schlagwort die BRD unregierbar zu machen, lag noch vor zwei Jahren in der grünen Luft. Als mehrheitliche Linie hatte sich auch durchgesetzt, dass dieser Entzug von Loyalität nicht durch die Ansammlung von Loyalitätsunwilligen auf einem anderen Planeten geschehen könne, wie das Bahro zum Beispiel mit seinem 'Arbeitslosenprojekt' vorgesehen hatte, sondern durch die Auseinandersetzung mit den konkreten von dieser Gesellschaft produzierten Ergebnissen (siehe oben) auf breiter Fläche.
Diese Richtung wurde dann auch eingeschlagen. Massenhaft kümmerten sich GRÜNE um Feuchtbiotope, Mäusebunker, Gesamtschulen, AKWs, Asylbewerber, Arbeitslose. In dieser Politik, die verbunden war mit dem massenhaften Einstieg der GRÜNEN in die Parlamente, änderte sich nach und nach bewusst oder unbewusst die Stoßrichtung der grünen Politik: Von der Stoßrichtung des Loyalitätsentzuges war es für die GRÜNEN nur ein kurzer Schritt zur Loyalitätsstiftung. Was die SPD in 40 bis 50 Jahren 'schaffte', brachten die GRÜNEN in 4 bis 5 Jahren.
Als Beispiel will ich hier die AKW-Politik anführen: Vom 'sofortigen Ausstieg' über den 'bald möglichsten' zum völligen Ausklammern der Forderung jetzt in Hessen. Und das alles begründet mit den rechtlichen Zwängen dieser Gesellschaft.
Weiteres Beispiel: Mord an G. Sare. Nach 14-tägiger Schampause Regierungskoalition mit der politisch verantwortlichen SPD. Der Innenminister Winterstein wird sogar ausdrücklich aus der Schusslinie genommen. Mit Loyalitätsentzug hat das wohl nichts mehr zu tun.
Beim Punkt 'Austritt aus der NATO' kann ich mir eine ähnliche Positionswandlung lebhaft vorstellen. Zwischen schreiben und tippen dieser Zeilen folgende Meldung in der taz (12.11.1985). Der verteidigungspolitische (!) Sprecher der GRÜNEN im Bundestag: Die GRÜNEN wollen jedoch "nicht von heute auf morgen aus der NATO heraus", weil dies "unpolitisch" wäre.
Nun ist mir durchaus bewusst, dass es schwer ist eine systemoppositionelle Praxis zu entwickeln, die auf der einen Seite nicht in die politische Isolierung führt und auf der anderen Seite nicht zur reinen partiellen Verbesserung des Bestehenden verkommt. Meine zentrale Kritik geht dahin, dass bei den GRÜNEN allgemein und in Detmold auch - und da nehme ich mich nicht aus - keine Anstrengungen mehr in Richtung einer systemoppositionellen, loyalitätsentziehenden Praxis mehr gemacht werden. In der Auseinandersetzung mit den konkreten Verhältnissen sind die GRÜNEN zu einer Reformpartei reinsten Wassers geworden. Die Frage unter welchen Bedingungen man ABM zustimmt, wie man den Müll am besten sortiert, werden diskutiert und nicht die Frage, wie es gelingen könnte, grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen, um den Ursachen von Müll und Arbeitslosigkeit an den Kragen zu gehen und wie man das konkret angeht.
Wohlgemerkt, ich habe auch keine Patentrezepte auf Lager, meine Kritik richtet sich dagegen, dass in dieser Richtung nicht mehr gedacht, diskutiert wird. Bei der gegenwärtigen Entwicklung der GRÜNEN habe ich da auch keine Hoffnungen mehr.
Wäre ich Mitglied bei den GRÜNEN, so wäre für mich aufgrund der allgemeinen Entwicklung der Partei der Zeitpunkt des Austritts gekommen. Die oben angerissenen Entwicklungen kann ich nicht mittragen. Über weitere persönliche Konsequenzen bin ich mir noch nicht ganz im Klaren. Ich werde mich allerdings nicht mehr hinstellen und allgemein grüne Politik vertreten. Mein Engagement im Zusammenhang der Detmolder GRÜNEN wird sich bis auf weiteres auf bestimmte Inhalte, Aktionen beschränken. Meine Zusammenarbeit mit anderen Gruppen werde ich wahrscheinlich verstärken. Mein Engagement für die Detmolder GRÜNEN wird dadurch wahrscheinlich zurückgehen.
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