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Tageblatt für Enger und Spenge , 09.09.2005 :

(Kreis Herford) Das NS-Rassegesetz ist nicht für nichtig erklärt / Ehrung für die Euthanasie-Opfer

Kreis Herford (bra). Das Rassegesetz der Nazis, das die Sterilisation oder gar die Tötung Behinderter möglich machte, ist nur ausgesetzt, nicht aber für nichtig erklärt worden. Diesen juristischen Tatbestand machte Ruth Fricke von der Gruppe "Hilfe für verletzte Seelen" öffentlich bei der Ehrung für die Euthanasie-Opfer.

Am Mahnmahl auf dem Deichtorwall in Herford hatten der Kreis Herford, die Stadt Löhne und die Selbsthilfegruppe Kränze niedergelegt. Die Feierstunde war von kontrastreicher Art. Während sich mehr als 30 Leute mit einem ernsten Thema auseinander setzten, nutzten Jogger und Radler den warmen Spätsommerabend für eine lockere Wallrunde – vorbei am Mahnmal.

Ein zentrales Mahnmal fordert indes der Bundesverband für Psychiatrie-Erfahrene im Gedenken an insgesamt 400.000 Menschen, die sterilisiert und 300.000, die ermordet wurden.

Im Kreis Herford gab es 415 Fälle von Zwangssterilisation. "Und das öffentliche Gesundheitswesen hat ermittelt und begutachtet, war also direkt beteiligt", erklärte die Landrätin Lieselore Curländer.

Bürgermeister Bruno Wollbrink nannte das Beispiel einer städtischenKindergartengruppe mit 80 "schwer Erziehbaren". Sie wurde am 14. Juli 1933, also fünf Monate nach der so genannten Machtergreifung geschlossen. Dieses geschah gegen den ausdrücklichen Willen der Eltern.

Der damalige Oberbürgermeister Kleim begründete die Schließung damit dass, "der nationalsozialistische Staat mit Recht ablehnt, teure Einrichtungen für wenige erblich belastete Kinder zu unterhalten."

Auf der "Erbkrankenliste" die im Kommunalarchiv bewahrt wird, stehen 1.510 Namen. Die Betroffenen waren angezeigt worden vom Gesundheitsamt, dem Kreiswohlfahrtsamt, von Amtsbürgermeistern aber auch von Ärzten und der Wehrmacht, die durch Tauglichkeitsuntersuchungen auf Behinderungen aufmerksam geworden waren.

85 Prozent der Vorgeladenen wurden zur Zwangssterilisation verurteilt. Die Täter wurden kaum verfolgt. Der damalige Amtsarzt für das Stadt-Gesundheitsamt, Dr. Sieber, behielt seinen Posten bis lange nach Kriegsende.


lok-red.enger@neue-westfaelische.de

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