Bielefelder Tageblatt (BW) ,
05.09.2005 :
(Bielefeld) "Die Erde war nur noch Asche" / Zeitzeugin des Atombombenabwurfs auf Hiroshima in der VHS
Von Thomas Güntter
Bielefeld. Die kleine Chihoko war sechs Jahre alt, als die Familie 1948 nach Hiroshima zog. Drei Jahre zuvor hatten die Amerikaner über den beiden japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki je eine Atombombe gezündet.
Allein in Hiroshima sterben sofort 70.000 Menschen, die Zahl aller Atombombenopfer wird auf mindestens 200.000 geschätzt. Die Volkshochschule in der Ravensberger Spinnerei eröffnete gestern in Zusammenarbeit mit IPPNW (Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges), 60 Jahre nach dem atomaren Schrecken, die Fotoausstellung "Die Atombombe und der Mensch".
Chihoko Zeisberg-Nakata, das kleine Mädchen von damals, kam zur Eröffnung. Nach Abschluss ihres Musikstudiums an der Tokioter Universität, erhielt sie 1974 eine Einladung nach Ostberlin und setzte dort ihre sängerische Laufbahn fort. Sie war verheiratet mit einem Deutschen und arbeitet heute überwiegend als Musikkritikerin für japanische Zeitungen.
Ihr Vater war 1948 Generalstaatsanwalt und wurde in die völlig zerstörte Stadt versetzt. Das Haus wurde neu gebaut. Chihoko: "Die Erde drumherum war nur noch Asche. Alles war kaputt." Dort wo das Haus stand, waren Menschen beim Atombombenabwurf gestorben. Die Lehrerin starb an Leukämie, vielen Mitschülerinnen waren die Haare ausgefallen. Die Japanerin: "Meine Nachbarn erzählten, dass man die Leichen und die Sterbenden mit Benzin übergossen und verbrannt habe." In ihren Albträumen hörte sie die Menschen schreien.
"Ärzte sind hilflos im Fall einer atomaren Katastrophe", sagt Professor Michael Seidel, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Bethel und Mitglied der Regionalgruppe OWL von IPPNW. Die Schäden wären unvorstellbar und weitaus höher als jetzt zum Beispiel in New Orleans. Deswegen bliebe als einzige Möglichkeit nur die Vorbeugung. Seidel: "Es darf nie wieder zu einem Atombombenabwurf kommen."
Das sieht die Bielefelder Ärztin Dr. Angelika Claußen genauso. Sie ist auch in der Regionalgruppe und gleichzeitig die IPPNW-Bundesvorsitzende. Die Regionalgruppe hat sich an den Rat gewandt, damit dieser sich dafür einsetzt, dass Bielefeld den Städtebündnis "Bürgermeister für den Frieden" eintritt. Außerdem soll sich der Rat bei der neuen Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Amerikaner alle 150 Atomwaffen von deutschem Boden abziehen.
Die Fotoausstellung wurde vom japanischen Verband der Überlebenden zusammengestellt. Sie ist im 2. Obergeschoss bis zum 1. Oktober zu sehen.
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
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