Bielefelder Tageblatt (BW) ,
31.08.2005 :
Die Frage des Tages / Ist Abschiebung unmenschlich? / Bielefelder Direkt-Kandidaten antworten
Bielefeld (ekr). Heute kommt die dritte Folge der "Frage des Tages" der Lokalredaktion. Die Direktkandidaten der fünf größten Parteien (CDU, SPD, Grüne, FDP und Linkspartei) antworten zwei Mal pro Woche aktuell auf eine Frage, die ihnen morgens gestellt wird. Die Frage muss dabei nicht zwangsläufig immer mit Politik zu tun haben.
Das Thema ist ernst. Hintergrund ist die Geschichte von Cegiz Peköz, über die wir gestern berichteten. Dreieinhalb Jahre lang drohte ihm die Abschiebung in die Türkei, wo er bis 2002 wie ein verhasster Fremder behandelt und verfolgt worden ist. Der junge Mann gehört zu denjenigen Menschen, die in Bielefeld Kirchanasyl gefunden haben. Jetzt steht fest: Er wird nicht abgeschoben.
Lena Strothmann (CDU)
Im besonderen Fall von Cegiz Peköz scheint dies so zu sein. Er macht deutlich, dass in jedem Einzelfall der Aspekt der Menschenwürde berücksichtigt werden muss. Abschiebung ist dennoch grundsätzlich ein rechtsstaatliches Mittel. Vor allem bei Abschiebung wegen schwerer Straftaten oder bei extremistischen Hintergründen muss der Staat im Interesse aller Bürger handlungsfähig bleiben. Bereits bei der Einreise sind höhere Sicherheitsstandards notwendig.
Rainer Wend (SPD)
Nicht immer. Verbrecher, wenn sie rechtskräftig verurteilt sind, gehören möglichst schnell abgeschoben. Unmenschlich ist eine Abschiebung aber dann, wenn es um Verfolgte und deren Kinder geht, die sich hier nach mehrjährigem Aufenthalt eingelebt haben. Das Asylrecht bietet eigentlich ausreichend Möglichkeiten, die problematischen Fälle im Sinne der Menschen zu lösen. Leider wird es oft zu streng ausgelegt.
Britta Haßelmann (Grüne)
Wenn es um langjährig hier lebende Menschen mit zum Teil hier geborenen Kindern geht, die immer noch keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus und damit keine Lebensperspektive erhalten: Ja. Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf. Wir setzen uns ein für eine Bleiberechtsregelung und das Ende von Kettenduldungen. Die Einhaltung humanitärer Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen ist und bleibt Kernanliegen grüner Politik.
Bodo Ungerechts (FDP)
Unmenschlich ist unter anderem Folter, Missbrauch, Freiheitsentzug, Leben in Unwürde. Der Abschiebungstatbestand ist eine von Menschen im nationalen Kontext geschaffene Regelung. Die Abschieberegelung sollte angewandt werden, sobald die Einschätzung der Situation für Betroffene unzweifelhaft geklärt ist. Indem man sich hier öffentlich mit Bedingungen in entsprechenden Ländern beschäftigt, kann auf Änderungen dort gehofft werden.
Brigitte Stelze (Linkspartei)
Ja, es ist unmenschlich sich in ständiger Angst vor Abschiebung in Krieg, Terror und Verfolgung befinden zu müssen. Eine Zwangswiederkehr in die ehemalige Heimat kann Flüchtlinge zu Freiwild werden lassen. Besonders gefährdet sind Kinder, alte und kranke Menschen, die sich nicht selbst versorgen können. Flüchtlinge brauchen eine Arbeitserlaubnis und ein geregeltes Bleiberecht, um menschenwürdig eine Zukunft planen zu können.
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
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