Lippische Landes-Zeitung ,
31.08.2005 :
Im engen Radius / Fünfköpfige aserbaidschanische Familie sucht Kirchenasyl in Horn
Von Ulrich Pfaff
Horn-Bad Meinberg. Auf dem Boden steht ein kleiner Fernseher, auf der Fensterbank bilden zahlreiche kleine Ikonen eine Art Hausaltar. Die Einrichtung der Wohnung im Dachgeschoss ist karg, dennoch ist die fünfköpfige Familie froh, hier zu sein. Erst einmal in Sicherheit gegenüber einer unsicheren Zukunft. Familie A. lebt seit Sonntag im evangelischen Gemeindehaus in Horn - im Kirchenasyl.
Familie A. aus Aserbaidschan (Name der Redaktion bekannt) lebt seit fünf Jahren als Asylbewerber in Deutschland. Mutter Marina (35) ist Armenierin, Vater Dschavid (41) zum orthodoxen Christentum konvertiert - im überwiegend muslimischen Aserbaidschan gesellschaftlich eine heikle Sache, wie Pfarrer Maik Fleck erklärt. Hinzu kämen die politischen Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan, die für Angehörige dieser Volksgruppen im jeweils anderen Land eine reale Bedrohung darstellten. Bereits 1990 hatte Marina A. mit ihrer kleinen Tochter, die heute 16 Jahre alt ist, versucht, auszureisen - mit einem Flüchtlingstreck und unter großen Gefahren, die das Kind beinahe das Leben gekostet hätten. Nach mehreren gewalttätigen Übergriffen gegen die Familie - als letztes fielen in der Silvesternacht 1999 Nachbarn über die Eltern her - flüchteten sie.
Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, in der vergangenen Woche sollte die in Bad Meinberg untergebrachte Familie mit den drei 16, 13 und vier Jahre alten Kindern abgeschoben werden. Die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Horn bot - auf Bitten des Ökumenischen Forums Flüchtlinge in Lippe - das Kirchenasyl an. "Der Kirchenvorstand hat vor zwölf Jahren einmal den Beschluss gefasst, dass er im Falle eines Falles für so etwas offen ist", sagt Fleck.
Das Kirchenasyl, so Fleck, sei letztlich der Versuch, Zeit zu gewinnen, um Möglichkeiten zu prüfen, wie die Zukunft für Familie A. aussehen könnte. Dies könne ein Asylfolgeantrag sein, die Ausreise in ein anderes Land oder auch medizinische Gründe, die einen Aufenthalt in Deutschland gestatten würden. Der Vorteil dieses Verfahrens sei: "Die Menschen tauchen nicht in die Illegalität ab, um sich der Abschiebung zu entziehen", sagt Fleck.
Gemeinde sucht ehrenamtliche Helfer
Frank Gockel, der für das Ökumenische Forum die rechtlichen Fragen mit Behörden, insbesondere mit der Ausländerbehörde des Kreises Lippe klärt, betont, die aserbaidschanische Botschaft habe Familie A. mitgeteilt, dass die Eltern bei Rückkehr mit einer Verhaftung rechnen müssten.
Die Ausländerbehörde des Kreises Lippe akzeptiert das Kirchenasyl, bezieht sich aber auf die Rechtslage, nach der die A.s nach der Ablehnung des Asylantrages ausreisepflichtig seien. Das Auswärtige Amt, ließ die Ausländerbehörde wissen, belege, dass vor Ort keine Bedrohung bestehe, auch könne durch die deutsche Botschaft in Aserbaidschan eine - auch medizinische - Versorgung der Familie sichergestellt werden. Dennoch sei man bestrebt, schnellstmöglich eine gemeinsame Lösung im Interesse der Familie zu finden. So sei zum Beispiel den Kindern der Schulbesuch gestattet worden.
Die Eltern hingegen müssen sich mit einem Radius begnügen, der die Gebäude der Kirchengemeinde und den Kirchgarten umfasst. Um sie zu betreuen und bei täglichen Besorgungen wie etwa dem Einkaufen zu unterstützen, sucht die Kirchengemeinde noch ehrenamtliche Helfer - sie können sich im Gemeindebüro, (05234) 3636, melden.
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