www.hiergeblieben.de

Lippische Landes-Zeitung , 25.08.2005 :

(Lügde) Hilflos zwischen zwei Welten / Miranda muss ins Krankenhaus, doch dem Amt fehlt eine ärztliche Bescheinigung

Lügde (khk). Mirandas Start ins Leben war schwierig. Eine verstopfte Ader, Beatmung, Blutvergiftung, Notoperation. Jetzt ist sie eineinhalb Jahre alt und läuft neugierig durch den Container, in dem ihre Mutter Swetlana Aliewa vor drei Jahren gestrandet ist. Die macht sich Sorgen um ihre Tochter, fürchtet neue Komplikationen, fühlt sich hilflos, wirft dem Sozialamt vor, das es eine wichtige Untersuchung verhindere.

Swetlana Aliewa kommt aus Russland. Da habe es für sie keine Zukunft gegeben, sagt sie. Ihre zwei Kinder bleiben bei den Eltern in Kasachstan zurück. Sie versucht den Aufbruch nach Deutschland. Verbessert hat sie ihre Situation damit nicht. Sie darf nicht arbeiten, wird hier lediglich geduldet, kann die Familie in Kasachstan nicht unterstützen.

Warum sie dann nicht zurückgeht? Sie fürchte, dass es ihr dort noch schlechter gehe, lässt sie Christina, ihre Dolmetscherin sagen. Die kasachische Staatsbürgerschaft habe sie nicht. "Wo mein Staat ist, weiß ich nicht", sagt sie.

Die kleine Miranda ist in Deutschland geboren. Ihr Vater? "Der ist in den Kosovo abgeschoben worden, kann nicht mehr kommen", erzählt Swetlana Aliewa auf Russisch.

Ein Gefühl der Benachteiligung

Die beschwert sich nicht über das Leben im Container. Ihr geht es um Miranda, und dabei stößt sie mit ihren Vorstellungen an die Grenzen, die das Land, in dem sie geduldet ist, ihr setzt. Die Schnittstelle zwischen dem engen Container und der Welt da draußen ist das Sozialamt mit seinem Leiter Manfred Engel. Der setzt die Regeln um, die Bund, Land, Kreis und Kommune festgelegt haben. Mittler zwischen zwei Welten, von denen sich immer eine benachteiligt fühlt.

Swetlana Aliewa fühlt sich benachteiligt. Sie fürchtet, dass ihre Tochter erneut erkrankt, traut dem Kinderarzt nicht, der nichts feststellen könne, obwohl Miranda huste und sich immer wieder übergeben müsse.

Helfen sollte ein Termin im Klinikum Bremen. Dort wurde Miranda zweimal operiert und dort hatte ein Bekannter von Swetlana Aliewa eine Nachsorge vereinbart.

Am 27. Juni um 10 Uhr 45 sollte Miranda in Bremen sein. Der Termin fällt ins Wasser. Überweisung und Krankenschein werden vom Sozialamt nicht ausgehändigt.

"Den Termin hat sie uns erst am Tag vorher mitgeteilt. Ich habe Sie gebeten, die Ärztin zu verständigen, damit die uns die Notwendigkeit dieser Untersuchung bestätigt. Frau Aliewa muss uns wenigstens die Möglichkeit geben, das zu prüfen", sagt Amtsleiter Manfred Engel dazu.

Sie sei mit der Dolmetscherin vorher mindestens zweimal bei Herrn Engel gewesen, sagt Swetlana Aliewa. Ihr Bekannter habe außerdem bei der Ärztin angerufen und sie gebeten, sich beim Sozialamt in Lügde zu melden.

"Ich habe keine Nachricht bekommen, aber Frau Aliewa kann sich doch einen neuen Termin geben lassen", sagt Engel.

Die Lösung scheint einfach, aber genau da hakt es. Swetlana Aliewas Möglichkeiten sind begrenzt. Es ist ihr bisher nicht gelungen, die für eine Untersuchung notwendige Bescheinigung zu bekommen, und das Sozialamt sieht keinen Grund, zu handeln, solange die nicht vorliegt oder Miranda eine akute Erkrankung bescheinigt wird.


Blomberg@lz-online.de

zurück