Neue Westfälische ,
18.08.2005 :
Drewermann im Visier / Linke Zeitschrift wirft Paderborner Kirchenkritiker Antisemitismus vor
Von Hubertus Gärtner
Paderborn. "Links" ist, wie die neue "Linkspartei" beweist, inzwischen keine Angelegenheit von einigen wenigen Außenseitern mehr. Wie die intellektuelle Linke in Deutschland miteinander umgeht, erweist sich dennoch bisweilen als äußerst rätselhaft.
Das jüngste Beispiel dafür bietet die Zeitschrift konkret. In ihrer aktuellen Ausgabe rechnet sie erbarmungslos mit dem Paderborner Theologen Eugen Drewermann (65) ab. Dabei geht es ganz tief unter die Gürtellinie. Den Lehren des Kirchenkritikers Drewermann sei ein gehöriger "Schuss Antisemitismus beigemengt", nur habe das hierzulande "noch niemand bemerkt", heißt es in der Philippika in konkret, die aus der Feder des Autors Christoph Horst stammt.
Die Zeitschrift konkret wurde 1957 gegründet, einst schrieben Geistesgrößen wie Theodor W. Adorno oder Herbert Marcuse Beiträge für das Blatt. Bis heute bezeichnet konkret sich keck als "die einzige linke Publikumszeitschrift Deutschlands". Doch in seiner Absage an Krieg, Ausbeutung und Aberglauben schießt dieses Medium offenbar auf alles, was sich bewegt.
Nun wurde Drewermann als Zielscheibe auserkoren. Dem "Depressionstheologen" sei "wegen seiner ideologischen und personellen Nähe zu Esoterikern, Heiden und Okkultisten" 1992 ein Predigtverbot auferlegt worden, heißt es einleitend in dem Artikel. Konstatiert wird, dass Drewermann sich nicht nur über den amerikanischen Präsidenten George Bush beschwert, sondern auch "mehr Mitgefühl für Terroristen" gefordert habe, indem er auf das Schicksal der unterdrückten Palästinenser-Volkes aufmerksam machte.
"Sanfter Pfaffe" und "nimmermüder Mystiker" sind noch die vermeintlich harmlosesten Charakterisierungen Drewermanns. Ganz offen wird ihm "theologischer Antisemitismus" unterstellt. Drewermann vertrete eine Theologie mit dem "Profil traditioneller theologischer Judenfeindlichkeit", heißt es unter Bezug auf ominöse "christliche Kritiker". Der vermeintliche Antisemitismus lasse sich leicht aus Drewermanns Werken herauslesen, schreibt konkret und führt ein Zitat an, wonach "das Christentum aufgrund seiner semitische, jüdischen Geisteskraft einen außerordentlich gewalttätigen und rücksichtslosen Charakter an sich trägt".
Neuerdings gebe Drewermann auch "gern den Antikapitalisten, der bei Aktionen gegen Hartz IV mitmacht und gegen Zinstreiberei wettert", schreibt konkret und schließt mit der Hoffnung, dass der Kirchenkritiker "aus der Öffentlichkeit verschwindet".
Drewermann bezeichnete die gegen ihn gerichteten persönlichen Vorwürfe als "absurd". Die gesamte Religionsgeschichte sei gewalttätig, sagte er. Außerdem habe schon Moses ein Zinsverbot erlassen. Alle seine Äußerungen und schriftlich niedergelegten Positionen hätten nichts mit Antisemitismus zu tun, sagte Drewermann. Er engagiere sich seit langem für die christlich-jüdische Zusammenarbeit. "Weiß der Teufel, was die wieder für Flächenbrände brauchen", meinte Drewermann unter Anspielung auf die "einzige linke Publikumszeitschrift Deutschlands".
Dass deren analytische Kraft und Reputation stark nachlassen, hat auch der emeritierte Paderborner Soziologie-Professor Arno Klönne festgestellt: Konkret sei "eine Art Spezialorgan für Linke, die anderen Linken nachweisen möchten, dass die nicht wirklich links sind, was wiederum manchen Linken, die davon gerade nicht selbst betroffen sind, klammheimliche Freude bereitet".
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