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Gütersloher Zeitung , 15.08.2005 :

(Harsewinkel) Palästina bleibt Schwerpunkt / Pfarrer Martin Liebschwager und Christina Mohring-Kohler überbringen Spende

Harsewinkel (NW). Der Kirchentag Ende Mai in Hannover und Spenden für die Kinderhilfe Bethlehem, an dem sich auch der Weltladen Harsewinkel mit einem Stand auf dem "Markt der Möglichkeiten" beteiligte, haben den evangelischen Pfarrer Martin Liebschwager und Christina Mohring-Kohler vom evangelischen Gemeindebüro veranlasst, nach Palästina zu reisen.

Seit Mitte der 1980er Jahre hat der Weltladen Harsewinkel Kontakt zu den Olivenholzschnitzerfamilien in Beit Jala und Beit Sahour. Durch den Verkauf der kunsthandwerklichen Arbeiten erhalten die rund 80 christlichen Familien ein kleines Einkommen. 500 Olivenholzschnitzerfamilien leben noch rund um Bethlehem, davon sind etwa 70 Prozent durch den ausbleibenden Tourismus arbeitslos. Der Weltladen unterstützt durch den Verkauf nicht nur die Familien, sondern macht ihnen auch Mut, in ihrem Land zu bleiben, denn viele Familien sind schon ausgewandert.

"Wir sind herzlich von den Olivenholzschnitzern, die rund um Bethlehem leben, empfangen worden, und wurden nicht mit Steinen beworfen" – so überschreibt Christina Mohring-Kohler ihren Bericht über den elftägigen Aufenthalt im Heiligen Land. Soeben aus Palästina zurückgekehrt, waren dies die ersten Fragen und spiegeln das wider, was die Medien über das Land berichten. Wenig wisse man über die Menschen in Palästina, die sich danach sehnten, sich im Land frei bewegen und für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen zu können. "Alltag im besetzten Land" – Pfarrer Liebschwager und Christina Mohring-Kohler haben hautnah erlebt, was sich hinter dieser eher unterkühlten Nachrichtenphrase verbirgt.

Das Babyhospital in Bethlehem gehört zu den festen, mit Spenden unterstützten Projekten der evangelischen Kirchengemeinde. Seit der zweiten Intifada hatten sich Spenden von Gemeindegliedern, aus Projekten und Kollekten in Höhe von 4.100 Euro angesammelt, die Pfarrer Liebschwager nun persönlich an Erwin Schlacher, Mitarbeiter des Caritas-Babyhospitals, überreichen konnte.

"Das Gesundheitssystem in Palästina leidet stark unter der Besatzungssituation", so Christina Mohring-Kohler. Große und wichtige palästinensische Krankenhäuser befänden sich in Ost-Jerusalem. Nur noch wenige Palästinenser erhielten die Erlaubnis, dorthin zu gelangen. Die hohe Kindersterblichkeit im Westjordanland verdeutliche, "dass hier noch viel getan werden muss". Durchschnittlich stürben im Westjordanland 20 von 1.000 Kindern; zum Vergleichsweise: in Israel sind es sieben, in Deutschland vier.

Das Caritas-Babyhospital in Bethlehem ist das einzige auf Kleinkinder spezialisierte Krankenhaus in Palästina. Die Kinder leiden oft an einer Fehl- oder Mangelernährung und Armutserkrankungen, die man schon seit Jahrzehnten nicht mehr in Europa kennt. 2004 wurden im Hospital 27.500 Kinder behandelt. Zu dem Krankenhaus gehört auch eine ambulante Tagesklinik, eine Mütterschule, eine Sozialstation und eine Außenstation in Nahalin.

Schriftzug am Eingang: "Welcome to the Bethlehem Ghetto"

Der Alltag in Palästina sei bedrückend. Rund um Bethlehem ziehe sich eine acht Meter hohe Mauer. "Welcome to the Bethlehem Ghetto" hätten ausländische Studenten an den Eingang geschrieben. Während um die Städte und Dörfer Mauern gezogen würden, trennten hohe Elektrozäune, an denen israelische Schnellstraßen entlang gebaut werden, das besetzte Land von israelischem Staatsgebiet. Um von Bethlehem nach Ramallah zu kommen (etwa 30 Kilometer), könne ein Palästinenser nicht einfach sein Auto nehmen, sondern er benötige für diesen Weg drei Taxen und müsse zwei Checkpoints passieren.

Am Ende der Reise stand für die Gäste aus Harsewinkel fest, dass all diese Einschränkungen nicht zu einem Friedensprozess beitragen würden. Für Pfarrer Martin Liebschwager und Christina Mohring-Kohler ist klar, dass Palästina weiterhin Schwerpunktthema ihrer Arbeit sein wird. Für den Herbst nächsten Jahres ist eine Gemeindefahrt ins Heilige Land geplant.


lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de

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