Gütersloher Zeitung ,
10.08.2005 :
(Gütersloh) Ein Mann, der es wissen wollte / Vorschau: WDR würdigt den evangelischen Widerstandskämpfer gegen die NS-Diktatur, Kurt Gerstein
Bielefeld (nw). Morgen wäre Kurt Gerstein, eine der großen Gestalten des evangelischen Widerstandes in der NS-Zeit, 100 Jahre alt geworden. Gerstein, der wegen seines Einsatzes für die Sache der „Bekennenden Kirche“ und der Arbeit in den Schülerbibelkreisen zwei Mal verhaftet wurde und seinen Beruf als Bergassessor verlor, trat 1941 bewusst in die SS ein, um Aufklärung über die Verbrechen der Nationalsozialisten zu erlangen.
Es gelang Gerstein, in seiner Eigenschaft als Leiter der Abteilung Gesundheitstechnik im Hygieneamt der Waffen-SS Zeuge von Judenmorden in den Vernichtungslagern Belzec und Treblinka zu werden.
Er hat daraufhin versucht, die Weltöffentlichkeit zu alarmieren, und eine Fülle von Kirchenführern und ausländischen Diplomaten informiert. Rolf Hochhuth hat ihm im Drama "Der Stellvertreter" ein literarisches Denkmal gesetzt. Der WDR würdigt diesen christlichen Widerstandskämpfer heute mit der Dokumentation "Kurt Gerstein, der Christ, das Gas und der Tod". Morgen jährt sich Kurt Gersteins Geburtstag zum 100. Mal. Die dokumentarischen Aufnahmen stammen im Wesentlichen aus dem Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen in Bielefeld, das den Nachlass Kurt Gersteins betreut.
In einer Reihe interessanter Interviews kommen unter anderem die Witwe Kurt Gersteins, alte Freunde, Rolf Hochhuth, der Gerstein-Biograf Pfarrer Jürgen Schäfer und der Bielefelder Landeskirchenarchivdirektor Prof. Bernd Hey zu Wort.
Das abenteuerliche Schicksal Kurt Gersteins, der 1905 in Münster geboren wurde und 1945 in einem Pariser Militärgefängnis starb, ist auch Inhalt des Spielfilms "Der Stellvertreter" des Regisseurs Costa-Gavras, das dieser nach dem Hochhuth-Stück drehte. Die deutsche Premiere dieses Films war 2002 in Bielefeld.
Das Landeskirchliche Archiv Bielefeld hat in den vergangenen Jahren seine Ausstellung über Kurt Gerstein in vielen Orten der Bundesrepublik und auch in Paris gezeigt. Der dazu gehörige Begleitkatalog hat im Bielefelder Verlag für Regionalgeschichte inzwischen die vierte Auflage erreicht. Zu seinem 60. Todestag am 25. Juli 2005 hatte Bischof Huber, Ratsvorsitzender der EKD, Gerstein als einen Widerstandskämpfer aus christlicher Überzeugung und protestantischen Einzeltäter mit dem Ursprung in der Bekennenden Kirche gewürdigt. Er verglich Gerstein mit dem evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer; wie dieser habe Gerstein als Laie die grundsätzliche Unvereinbarkeit von Christentum und Nationalsozialismus erkannt.
"Kurt Gerstein, der Christ, das Gas und der Tod´", heute, 23 Uhr, WDR.
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