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Paulinchen , 10.08.2005 :

(Detmold) Paulinchen / 10. August 2005 – Nummer 1 / Politisches Info-Blatt des Lese- und Antifa-Cafés des autonomes Kultur- und Kommunikationszentrum alte Pauline / www.alte-pauline.de - www.hiergeblieben.de / No Lager - Nowhere

(Wer keine Bleiwüste mag: Die Printausgabe von Paulinchen - Nummer 1 - kann über die E-Mail soli@alte-pauline.de bestellt werden. Als Dateiformat PDF erscheint sie in Kürze auf den Startseiten von www.alte-pauline.de und www.hiergeblieben.de)



Das Lese- und Antifa-Café in der alten Pauline ab August 2005:

- Jeden Mittwoch ab 17 Uhr Büchertisch und Leseangebote, ab 19 Uhr vegetarisches Essen.
- Jeden zweiten Mittwoch im Monat erscheint Paulinchen, ab 20 Uhr aktuelle Veranstaltung.
- Jeden vierten Mittwoch im Monat werden ab 20 Uhr politische Filme gezeigt.



Paulinchen stellt keine Publikation im Sinne des Pressegesetzes dar. Jeder Mensch der Lust hat, mit einem Artikel zu einer Ausgabe beizutragen, ist herzlich dazu eingeladen. Die jeweiligen Ausgaben werden als kostenloser Rundbrief lediglich an Freundinnen, Freunde und Bekannte verteilt. Das nächste Paulinchen erscheint am 14. September 2005.



Inhalt:

- Kein nationalsozialistischer Rudolf-Heß-Gedenkmarsch am 20. August in Wunsiedel!
- Hintergrund: Heß war Wegbereiter
- Collegium Humanum: Holocaustleugner in den Mühlen der Justiz
- Nachrichten in Kürze
- Blumen für Stukenbrock - Antikriegstag 2005
- Anitifa Workcamp 2005 in Stukenbrock
- Kommentar: Die regionale Linke und Abschiebungen
- Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.
- Die Karawane Gruppe Bielefeld – Wer sind wir? Was wollen wir?
- Kritik an inhumaner Abschiebepraxis im Kreis Gütersloh
- Ausländerbehörden tanzen dem Innenministerium auf der Nase herum


Informations- und Mobilisierungsveranstaltung, 10.08.2005:
Kein nationalsozialistischer Rudolf-Heß-Gedenkmarsch am 20. August in Wunsiedel!

Mittwoch, den 10. August 2005 um 20.00 Uhr:
alte Pauline, Bielefelder Straße 3, 32756 Detmold

Alljährlich finden in Wunsiedel Gedenkmärsche anlässlich des Todestages von Kriegsverbrecher Rudolf Hess statt. Diese Aufmärsche sind ein besonders deutliches Beispiel für NS-Verherrlichung und Geschichtsrevisionismus. Am 21. August 2004 marschierten hier über 4.500 Alt- und Neonazis. Der Hess-Gedenkmarsch hat sich zu einem der wenigen jährlichen Events der deutschen und internationalen Naziszene entwickelt, welches als Schnittstelle für verschiedene Generationen und Spektren der extremen Rechten dient. Darüber hinaus bietet der Bezug auf Hitlerstellvertreter Rudolf Hess die symbolhafte Möglichkeit, ohne staatliche Repression direkt einem Protagonisten des Dritten Reiches zu huldigen.

Mythos Rudolf HeßRudolf Heß bietet sich als Identifikationsfigur für die nationalsozialistisch orientierte Bewegung aus verschiedenen Gründen an: Bereits 1920 der NSDAP beigetreten, wurde er schnell zu einem der engsten Vertrauten von Hitler. Er war wesentlich an der Erstellung von "Mein Kampf" beteiligt. Als Hitler-Stellvertreter war er führend beim Aufbau der NS-Diktatur und Verfolgung der deutschen Juden und Jüdinnen beteiligt. 1941 flog er nach England, angeblich um dort einen Separatfrieden auszuhandeln, damit sich das faschistische Deutschland auf den Krieg gegen die Sowjetunion konzentrieren konnte. Die Briten nahmen ihn jedoch fest. Heß hat sich nie von den Verbrechen des Nationalsozialismus distanziert. Im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg erklärte er: "Ich bereue nichts. Stünde ich wieder am Anfang, handelte ich wieder, wie ich gehandelt habe, auch wenn ich wüsste, dass am Ende ein Scheiterhaufen für meinen Flammentod brennt.“

Die Märsche

Eine besondere Bedeutung erlangt der Marsch in Wunsiedel durch die internationale Beteiligung. So waren in den letzten Jahren u.a. Neonazis aus Skandinavien, England, Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Spanien, Italien, Österreich, der Schweiz, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Kroatien, Russland sowie den USA zugegen. Nazis jeglicher Couleur finden sich hier in der Verherrlichung des Nationalsozialismus zusammen. Deshalb ist für sie der angestrebte Volksfestcharakter rund um den eigentlichen Trauermarsch so wichtig. Hier treffen sich SS-Greise, Naziskins, Braunhemden oder Dirndl, gepiercte Hatecore-Fans, Revanchisten und NPD-Parteifunktionäre zum Bier. Gerade vor dem Hintergrund der 60. Jahrestage der Befreiung vom Nationalsozialismus artikulieren sich vermehrt NS-Verherrlichung, Relativierung von NS-Verbrechen und die Verdrehung der deutschen Geschichte.

Durch die Bezugnahme auf den Mythos Heß wird der gesamte Nationalsozialismus verherrlicht: Der "Friedensflieger" Heß und das nationalsozialistische Deutschland habe eigentlich den Frieden gewollt, der Krieg sei von den Alliierten aufgezwungen worden. Die Verbrechen des Nationalsozialismus werden damit insgesamt geleugnet, der NS als Opfer einer internationalen Verschwörung dargestellt.

Die Geschichte der Heßmärsche in Wunsiedel beginnt bereits kurz nach dessen Suizid 1987. In den Jahren 1988 bis 2000 hatte der Aufmarsch zum Todestag von Heß neben der Verherrlichung des Nationalsozialismus auch das Ziel, die Durchführung legaler Neonazi-Aufmärsche in Deutschland zu etablieren. Schon 1991 führte der Druck aktiver Antifaschistinnen zu einem Verbot der Demonstration in Wunsiedel. In den Folgejahren, nach den Brandanschlägen und Pogromen in Hoyerswerda, Mannheim, Rostock, Mölln oder Solingen, wurde der Druck auf die BRD so groß, dass die Heß-Anhänger nur noch im benachbarten Ausland zu Kleinstaufmärschen mobilisieren konnten, z.B. in Luxemburg oder Roskilde (Dänemark). Dies änderte sich in Folge der vom Hamburger Neonazi Christian Worch 1997 gestarteten Aufmarschkampagne. Indem er nahezu jedes Wochenende irgendwo in der Bundesrepublik einen Naziaufmarsch veranstaltete, gelang es ihm, einen Normalisierungseffekt zu erzielen. Besonders zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts gaben den Nazis nun die Möglichkeit, Aufmärsche durchzuführen, wie und wo sie wollten. Jürgen Rieger ergriff die Gelegenheit und meldete 2001 den Heß-Gedenkmarsch gleich für 10 Jahre in Wunsiedel an. Seit dem Jahr 2003 ist die NPD auch offiziell dabei. Die Teilnahme der NPD ist Ausdruck der gestiegenen gesellschaftlichen Bedeutung jener Kräfte, die sich offen positiv auf den Nationalsozialismus beziehen. Insbesondere der Einzug der NPD in den sächsischen Landtag mit 9,2 % der Stimmen - fast 200.000 Wähler und Wählerinnen gaben der NPD ihre Stimme - sichern eine enorme Medienpräsenz und ermöglichen eine wahrnehmbare Beeinflussung öffentlicher Debatten.

Ostwestfalen-Lippe

Auch Faschisten aus dem Raum OWL zelebrieren den Heß-Kult. Jährlich nehmen sie an den Aufmärschen teil. Neben der umfangreichen Reisetätigkeit glorifizieren sie Heß durch das Verteilung von Flugblättern, Zeitungen oder Aufklebern oder die Durchführung von Propagandaaktionen. Zum Todestag von Rudolf Heß im August 2000 hängten Neonazis z.B. an der Autobahn A2 Transparente auf. Die Polizei konnte drei von ihnen festnehmen und 15 weitere Transparente beschlagnahmen. Unter den Festgenommenen war laut Lokalpresse Bernd Stehmann.

Widerstand auch aus Ostwestfalen-Lippe

Wir können rechtsradikale Propaganda nur stoppen, wenn wir eine die gesamte Gesellschaft durchdringende, offene Auseinandersetzung über die zugrunde liegenden Werte und Ideologie führen. Wir wissen aber auch, dass wir uns erfolgreich den Nazis entgegenstellen können, wenn wir dies gemeinsam tun. Wenn wir den Widerstand gegen den nationalsozialistischen Heß-Gedenkmarsch
als Teil eines umfassenden Kampfes gegen Faschismus und für ein friedliches und solidarisches Zusammenleben der Menschen begreifen, können wir langfristig nicht nur den Heß-Marsch verhindern, sondern auch einen Schritt hin zu einer antifaschistischen und solidarischen Gesellschaft tun. Machen wir also den Todestag Rudolf Heß zu einem Tag, der antifaschistischen Bewegung und
für eine befreite Gesellschaft.

Auf der Veranstaltung wird das Konzept und konkrete Aktionen der "Kampagne NS-Verherrlichung stoppen!", die sich vor diesem Hintergrund des Hess-Gedenkmarsches gegründet hat, vorgestellt. Die Kampagne richtet sich gegen jede Art von NS-Verherrlichung, Revisionismus und Relativierung der Deutschen Geschichte:
www.nadir.org/nadir/kampagnen/ns-verherrlichung-stoppen/

Links:

Anti-Hess-Express - Berliner Mobilisierungsseite zur Warm-Up-Demo: www.anti-hess-express.tk
antifascist action day - Hannoveraner Mobilisierungsseite: www.antifascist-action-day.de.vu
Gegen die Heß-Märsche in Wunsiedel - Freiburger Mobilisierungsseite: www.antifa-freiburg.de/wunsiedel/
Leverkusen, Köln, Wunsiedel & Überall, Seite gegen das Hess-Gedenken: www.naziaufmarsch-stoppen.de.vu
Wunsiedel-Special, Dresdner Seite über die Heß-Märsche: venceremos.antifa.net/specials/wunsiedel



Hintergrund: Heß war Wegbereiter

Der spätere Hitler-Stellvertreter war schon bei Putschversuchen gegen die Weimarer Republik dabei. Alt- und Neonazis ehren ihn heute als “Friedenspolitiker“

Sechzig Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg wollen Neofaschisten aus Europa am 20. August erneut den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß ehren. Im vergangenen Jahr waren über 4.500 alte und junge Faschisten zum Grab des Kriegsverbrechers im bayrischen Wunsiedel gepilgert und hatten versucht, sein Treiben als »Friedenspolitik« darzustellen. Bis heute spinnen sie die Legende, dass der Flug des Hitler-Stellvertreters im Mai 1941 nach England ein “Friedensritt“ war. Dabei war Rudolf Heß entscheidender Träger des faschistischen Systems und wurde durch das internationale Militärgericht in Nürnberg wegen “Verbrechen gegen den Weltfrieden“ und “Planung eines Angriffskrieges“ abgeurteilt.

Kriegsvorbereitungen

Heß war von Anfang an dabei. So beteiligte er sich bereits am Münchner Naziputsch vom November 1923, um die Weimarer Republik zu stürzen. In der Festung Landsberg wurde er dann engster Vertrauter und Sekretär von Adolf Hitler, dem er unter anderem bei der Abfassung von “Mein Kampf“ zur Hand ging. 1933, am 4. Januar, begleitete er den “Führer“ zu einem Kölner Treffen mit Franz von Papen im Hause des Bankiers Freiherr von Schröder, um die letzten Schritte für die “Machtergreifung“ abzusichern und sich die Gunst der Geldgeber zu sichern. Der Freiherr hatte nach 1945 im IG-Farben-Prozess unter Eid erklärt, “dass die Männer der Wirtschaft“ Hitler an die Macht kommen lassen wollten. Und auch, dass sie “eine von Hitler projektierte Erhöhung der deutschen Wehrmacht von 100.000 auf (zunächst) 300.000 Mann“ begrüßt hatten. Diese Hochrüstung fand einen ersten Höhepunkt in der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht, die Rudolf Heß betrieb.

1933 war Heß Regierungsmitglied und Stellvertreter des “Führers“ geworden. Am 16. März 1935 unterzeichnete er das “Gesetz zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht“. Ein halbes Jahr später, am 15. September, setzte er mit Hitler und anderen seine Unterschrift unter die vom späteren Mitglied der Adenauer-Regierung Hans Globke (CDU) ausgearbeiteten Gesetze “Reichsbürgergesetz“ und “Blutschutzgesetz“. Letzteres enthielt die “Erkenntnis“, dass die “Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des deutschen Volkes“ sei. Diese Rassegesetze waren der erste Schritt zur Wannseekonferenz, zur völligen Entrechtung und dann Ermordung der deutschen und europäischen Jüdinnen und Juden.

Verhandlung in London

Rudolf Heß wurde als engster Berater und Vertrauter Hitlers auch in die Geheimnisse der Kriegsvorbereitung um die faschistische Vorherrschaft in Europa eingeweiht. In diesem Zusammenhang ist sein Flug nach England, den die Alt- und Neonazis heute als “Friedensflug“ bezeichnen, anderthalb Monate vor dem Überfall auf die Sowjetunion, zu sehen. Der SS-Obergruppenführer und Gauleiter Ernst Wilhelm Bohle wusste vom Heß-Flug nach England: “Etwa am 9. Oktober 1940 bestellte mich Rudolf Heß in seine Wohnung, Wilhelmstr. 64. Er sagte etwa folgendes: “Ob Sie bereit sind, einen sehr geheimen Sonderauftrag von mir zu erfüllen, einen Schritt zur Beendigung des Krieges mit England einzuleiten. Wollen Sie daran mitwirken?“ Ich bejahte ... “ In England, wohin Heß am 10. Mai 1941 flog, wurde er im Auftrag der Regierung von Lord Simon am 9. Juni 1941 eingehend vernommen. Seine Aussagen wurden mitgeschrieben: "Die Ideen sind die Ideen des Führers ... In diesem Fall gebe ich mein Ehrenwort, dass dieses, was ich hier niedergeschrieben habe, das ist, was mir der Führer in mehreren Gesprächen gesagt hat." Heß las dann aus einem vorbereiteten Memorandum vor: "Als Grundlage für eine Verständigung zwischen England und Deutschland sollte eine Teilung der Interessensphären dienen ... " Heß wollte England als Verbündeten gewinnen, um ungestört den Krieg gegen die Sowjetunion führen zu können. Der Wunsch der Nationalsozialisten, der Westen möge sich von einer wirksamen Hilfe für die UdSSR fernhalten, wurde bekanntlich bis Juni 1944, also drei Jahre lang, erfüllt.

Der Historiker Hans-Adolf Jacobson ("Der zweite Weltkrieg in Chronik und Dokumenten", Wehr-und-Wissen-Verlag, Darmstadt, 5. Auflage, 1961) bestätigt, dass Heß mit Wissen Hitlers handelte und nicht Frieden, sondern Krieg – ohne zwei Fronten und gegen die Sowjetunion – wollte. Er zitiert aus den Tagebüchern von Joseph Goebbels vom 23. September 1943. Hitler habe Goebbels gesagt: "Wir müssen also sehen, aus dem Zweifrontenkrieg auf irgendeine Weise herauszukommen." Goebbels schrieb weiter: "Noch einmal stellt der Führer mir vor Augen, was geschehen wäre, wenn damals bei der Ankunft Heß’ die Engländer die Entschlusskraft besessen hätten ... " Die Engländer, so Hitler, hätten "bei dieser Gelegenheit ihre größte Kriegschance auf politischem Gebiet versäumt". So bestätigten Hitler und Goebbels ihren Auftrag an Heß von damals.



Collegium Humanum: Holocaustleugner in den Mühlen der Justiz

Würden die Behörden zügiger und konsequenter auf Holocaustleugnungen im Umfeld des Collegium Humanum reagieren, könnte der Verein mit seinen finanziellen und personellen Ressourcen schnell am Ende sein.

Die Aussage auf einer der Internetseiten im Umfeld von Reichsbürgerbewegung und des "Vereins zu Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV) ist eindeutig: "Den Holocaust hat es nicht gegeben." Auch der Verantwortliche für die Seite, Klaus Weichhaus, verliert sich nicht im Dschungel des internationalen Netzes, sondern ist als Verantwortlicher auf der Seite angegeben. Der Berliner wirbt für Seminare im Collegium Humanum, für Kampagnen des VRBHV und stellt Aktionen der Holocaustleugner dar. In einem sogenannten "Reichsbrief" unter der Adresse von Weichhaus, ist dort auch ein Schreiben Ursula Haverbecks an den CDU-Landesverband Hessen einzusehen, das sich auf die Hohmannaffäre bezieht. Der Brief endet mit einer üblen Drohung: "Wenn das für CDU-Politiker Antisemitismus ist - oder auch für SPD Repräsentanten - dann haben Sie sich
damit selbst das Todesurteil gesprochen. Bedenken Sie, was Sie tun!" Am 22. November 2003 erstattete eine Antifaschistin daher Anzeige gegen Klaus Weichhaus und andere bei der Bielefelder Staatsanwaltschaft in der Hoffnung, die Holocaustleugnung würde zügig von der Seite entfernt. Fehlanzeige: Auch 20 Monate später sind die Aussagen noch immer auf der Website nachzulesen.

Die faktische Legalisierung von Holocaustleugnungen ist das erklärte Ziel des VRBHV. Provokativ verbreiten die Mitglieder daher immer wieder entsprechende Aussagen. Das könnte eine kostspielige Angelegenheit sein und den Verein bald in den Ruin treiben, wenn denn die Justiz die Straftaten auch zügig verfolgen würden. Im Wiederholungsfall müssen Holocaustleugner auch mit Haftstrafen rechnen. Denn "wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung ( ... ) in einer Art und Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost", wird mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. So sieht es der § 130 des Strafgesetzbuches vor.

Verfahren vorläufig eingestellt

Obwohl derzeit mehrere Prozesse gegen Mitglieder und Anhänger des VRBHV geführt werden, bleiben etliche Straftaten ungesühnt. Ursula Haverbeck etwa, die bereits zum dritten Mal verurteilt sein könnte, wartet immer noch auf die Berufungsverhandlung ihres ersten Prozesses. Ohne Folgen blieb bislang ihre Beteiligung an einer Aktion auf der Wartburg, wo die stellvertretende Vorsitzende des VRBHV hinter einem Transparent mit der klaren Aussage "Den Holocaust gab es nicht" zu sehen ist. Das Transparent wurde später in einem von ihr gefahrenen Auto beschlagnahmt. Ein weiteres Verfahren, für das bereits ein Termin vor dem Amtsgericht Bad Oeynhausen anberaumt war, wurde vorläufig eingestellt. Nachdem bereits zwei Ausgaben der "Stimme des Gewissens" beschlagnahmt worden waren, war in der darauffolgenden Ausgabe wieder zu lesen, der Holocaust sei "ein Mythos!" Verpackt in ein Zitat der russischen Zeitung "Russkij Wjestnik" wurde behauptet, die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus habe nicht 6 Millionen betragen sondern ca. 500.000. Nachdem AntifaschistInnen diese wiederholte Holocaustleugnung öffentlich verurteilten, ermittelte die Polizei erneut gegen Haverbeck und Cohrs. Am 22. März 2005 sollte der Prozess vor dem Amtsgericht Oeynhausen stattfinden. Wenige Tage zuvor stellte das Gericht das Verfahren jedoch auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bielefeld ein. "Das Verfahren ist vorläufig eingestellt, da es im Vergleich zu einem anderen unwesentlich ist", erklärte Oberstaatsanwalt Baumgart gegenüber dem "Webwecker Bielefeld". Nur wenn die Berufung der ersten Verurteilung für die Beschuldigten erfolgreich ausginge, würde demnach das Verfahren wieder aufgerollt.

Holocaustleugner feiern Erfolg

Die notorische Holocaustleugnerszene des Collegium Humanum feierte die Einstellung als wichtigen Erfolg. Haverbecks Mitstreiter Horst Mahler hatte bundesweit Neonazis zum Besuch des Prozesses aufgerufen. Aufgrund des lebhaften Echos habe die Staatsanwaltschaft nun "den Rückzug angetreten", schreibt Mahler. Er wertet die Einstellung als Anzeichen, das "bezüglich der Strafverfolgung von vermeintlichen Holocaustleugnern Unsicherheit um sich greift."

Diese Einschätzung mag bezweifelt werden. Faktisch ist die vorläufige Einstellung jedoch ein Freibrief während der Dauer der Verfahren, die sich oft über mehrere Jahre hinziehen, Holocaustleugnungen beliebig und straffrei zu wiederholen.

Horst Mahler etwa, der sich mit mehreren Verfahren konfrontiert sieht und derzeit in Berlin vor Gericht steht, war in der Zwischenzeit für zahlreiche Flugblätter der Reichsbürgerbewegung oder im Zusammenhang mit dem VRBHV verantwortlich, in denen der Holocaust geleugnet und das NS-Regime verherrlicht wurde.

Auch andere Aktivisten des VRBHV sind teils mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten, ohne sich bislang gerichtlich dafür verantworten zu müssen. Beteiligt an der Aktion auf der Wartburg, waren zum Beispiel der Bochumer Edgar Forster und der Berliner Geschäftsführer des VRBHV Rainer Link. Forster leugnete zudem den Holocaust bei einer Versammlung im Amtsgericht Bad Oeynhausen. Anlass war ein Prozess gegen Urslula Haverbeck und Ernst-Otto Cohrs.

Nachtrag

"Unstrukturiert und unsachlich" seien die stundenlangen Ausführungen des Angeklagten gewesen. Er habe keineswegs eigene Gedanken geäußert, sondern sich zum Sprachrohr Dritter machen lassen, was auf eine narzißtische Persönlichkeit schließen lasse.

Diese vernichtende Kritik des Vorsitzenden Wolfgang Vincke galt dem Rentner Klaus Kaping (64) aus Hamburg. Nach zweitägiger Hauptverhandlung hatte die VI. Strafkammer des Bielefelder Landgerichts Kapings Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 11. Januar dieses Jahres – 3.600 Euro (120 Tagessätze) Geldstrafe wegen Volksverhetzung – zurückgewiesen.

Der Angeklagte hatte für die November-Ausgabe 2003 der vom Vlothoer "Collegium Humanum" herausgegebenen Zeitschrift "Stimme des Gewissens" einen Beitrag verfasst. Es handelte sich um einen Kommentar zur Rede des Rechtsextremisten und Ex-Anwalts Horst Mahler, die dieser anlässlich der Gründung des "Vereins zur Rehabilitierung der Holocaust-Verfolgten" gehalten hatte.

Gegründet wurde der Verein von der "Collegium-Humanum"-Vorsitzenden Ursula Haverbeck-Wetzel (76) und ihrem Mitstreiter Ernst-Otto Cohrs (83). Kaping hatte in seinem Pamphlet unter anderem die Ermordung von vier Millionen Juden im Konzentrationslager Auschwitz als "talmudische Lüge" bezeichnet, die den "Seelenmord am deutschen Volk" ermöglicht habe. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ausgabe des Heftes seinerzeit beschlagnahmt und 3.000 Exemplare sichergestellt.

Das Berufungsverfahren gegen Kaping wurde für die Prozessbeteiligten zur erwarteten Geduldsprobe. In endlosen Monologen verbreitete Kaping vor einem Forum, das zum Zuhören verdammt war, seine Nazi Propaganda. "Pseudowissenschaftlich" nannte der Vorsitzende diese Geschichtsklitterung. Als Schlusswort verlas der Angeklagte ein 29-seitiges Manuskript – eine Wiederholung seiner Ausführungen zu Beginn der Verhandlung. Im Zuhörerraum verfolgten Ursula Haverbeck-Wetzel – ihre Berufungsverhandlung in dieser Sache steht noch aus – und Horst Mahler sowie drei Gesinnungsgenossen des Angeklagten den Prozess.



Nachrichten in Kürze

Anklage gegen Schönborn ...
Prozess beginnt gegen Ende des Jahres

Herzebrock-Clarholz. Die Staatsanwaltschaft in Dortmund bringt den Versandhändler Meinolf Schönborn (49) aus Herzebrock-Clarholz vor Gericht. Schönborn wird die Verbreitung staatsfeindlicher Schriften vorgeworfen. Im Kern geht es um den Versand von Flugblättern der "Reichsbürgerbewegung". Darin wird am Fortbestand des Dritten Reiches festgehalten, die Bundesrepublik als Unrechtsstaat bezeichnet und der Holocaust als mögliche jüdische Lüge bezeichnet. Bei einer Razzia in Schönborns "Z-Versand" in Herzebrock-Clarholz hatte der Staatsschutz mehr als 700 Exemplare dieser "Reichsbürgerbriefe" beschlagnahmt. Autor dieser Briefe ist der Neonazi Horst Mahler, gegen den die Staatsanwaltschaft in Potsdam ermittelt. Wegen der Verbreitung des Materials drohen Schönborn nun bis zu drei Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft schätzt, dass der Prozess gegen Schönborn Ende des Jahres beginnt.

Familie Shehu soll bleiben ...
AWO-Kindergarten in Geseke will drohende Abschiebung nicht akzeptieren

Sorge, aber auch Empörung empfinden die Kinder und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AWO-Kindergartens in Geseke angesichts der drohenden Abschiebung des vierjährigen Fitore Shehu in den Kosovo. Das Kind und seine Geschwister und Eltern sollen so bald wie möglich in das Heimatland der Eltern zurückkehren, wenn es nach dem Willen der Behörden geht. Doch der AWO-Kindergarten will sich gegen dieses Vorgehen der Behörden wehren und hat deshalb Unterschriftenlisten im Eingangsbereich des Kindergartens ausgelegt. Nachhaltig spricht sich der Kindergarten für ein Bleiberecht der Familie in Deutschland aus.

Grund der drohenden Abschiebung ist eine fehlende Arbeitsgenehmigung des Vaters. Dabei hätte das Familienoberhaupt eine Arbeitsgenehmigung gehabt, die sogar vier Jahre gültig sei. Doch diese hätten die Behörden kurzfristig widerrufen, weil die Behörden sie "irrtümlich" ausgestellt hatten. Ein Argument, das der Geseker Kindergarten nicht akzeptieren will.

Für die Familie sei Geseke schnell zur Heimat geworden. Bereits seit zwölf Jahren halte sich der Vater in Deutschland auf. Mit der im Kindergarten ausliegenden Unterschriftenliste hofft der AWO-Kindergarten nun, etwas für das Bleiberecht der Familie Shehu bewirken zu können.

Sexuelle Belästigung im ...
Bielefelder Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Ein Bundesamt in Bielefeld hat einen Mann wegen sexueller Belästigung und Korruption gefeuert. Der leitende Mitarbeiter war beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für die Anstellung der Dolmetscher zuständig.

Der Mann soll seine leitende Position schamlos ausgenutzt haben. Er ließ sich von Dolmetscherinnen dafür bezahlen, dass er sie engagierte. Außerdem soll er junge Dolmetscherinnen mehrfach sexuell belästigt haben. Die Zentrale des Bundesamtes hat die Vorwürfe gegen den Mann bestätigt. Der Beschuldigte wehrt sich jetzt vor einem Arbeitsgereicht gegen seinen fristlosen Rausschmiss. Erst wenn das Gericht ein Urteil gesprochen hat, will sich das Bielefelder Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu dem Fall äußern.

Evangelische Kirchenkreis Gütersloh ...
für Bleiberecht für Armenier

Der evangelische Kirchenkreis Gütersloh setzt sich für eine armenische Familie aus Rietberg ein. Die Kirche hat jetzt noch einmal mit Nachdruck an den Kreis Gütersloh appelliert, die Mutter und ihre beiden behinderten Zwillinge nicht in ihre Heimat abzuschieben. Für ein Bleiberecht der Familie wurden im Kreis Gütersloh bereits 2.300 Unterschriften gesammelt. Am 16. August will der Petitionsausschuss des Landes den Fall vor Ort prüfen.

Jüdischer Friedhof in Rüthen geschändet ...
Grabstein mit Runen besprüht

Mit dem SS-Abzeichen, einschlägigen Runenzeichen und weiteren verbotenen Symbolen rechtsextremer Organisationen haben Unbekannte den jüdischen Friedhof in Rüthen geschändet. Mehrere Grabsteine wurden dabei mit schwarzer Farbe besprüht. Wie der Staatsschutz am 12. Juli mitteilte, haben sich die Vorfälle innerhalb der letzten vier Wochen ereignet. Erst im Februar hatte sich in Rüthen ein ähnlicher Vorfall mit einem rechtsextremen Symbol ereignet: Unbekannte sprühten ein Hakenkreuz auf einen Findling, der sich zwischen der St. Nikolauskirche und dem katholischen Pfarrheim befindet



Blumen für Stukenbrock - Antikriegstag 2005

Mahn- und Gedenkveranstaltung auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock/Senne
Sonnabend, 3. September 2005

15.00 Uhr: Niederlegen von Kränzen und Blumen

Gedenkrede:
Dr. Peter Strutynski, Kassel
Fachbereich Friedensforschung

Grußwort:
Nikolai Maximowitsch, Odessa (als Kind wurde er in die Senne verschleppt)

2. bis 4. September: Jugendcamp am Friedhof
(Näheres: http://www.antifa-workcamp.de.vu)

Möglichkeiten zu Friedhofsführungen und zum Besuch der Dokumentationsstätte ab 13.30 Uhr.

Frieden ist Menschenrecht!


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

als dieser Aufruf beschlossen wurde, hatten die Landtagswahlen in NRW noch nicht stattgefunden. Auch war noch nicht bekannt, dass Neuwahlen zum Bundestag erfolgen sollen. Und es lagen auch die Ergebnisse der Volksabstimmungen über die EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden noch nicht vor.

Nun aber findet die Mahn- und Gedenkveranstaltung mitten im Wahlkampf statt und da ist es legitim, Erwartungen an den neuen Bundestag zu formulieren.

Wir meinen, dass unser Aufruf nichts an Aktualität verloren hat. Mit dem Scheitern der EU-Verfassung und damit auch dem Scheitern der in der Verfassung festgelegten Verpflichtung aller EU-Staaten zu militärischer Hochrüstung, besteht die Chance und Notwendigkeit, neu über Inhalte künftiger EU-Politik zu diskutieren. Europa hat nur eine Zukunft mit einer konsequenten Friedenspolitik!

Wir begrüßen ausdrücklich die Initiative der "Bürgermeister für den Frieden", die international dafür eintritt, die Welt bis zum Jahre 2020 atomwaffenfrei zu machen. Zu dieser Initiative gehören auch aus der Region Ostwestfalen-Lippe die Bürgermeister von Bielefeld, Herford, Bad Salzuflen, Lemgo, Detmold, Oerlinghausen, Porta Westfalica und Blomberg.

Für uns ist es ein aktuelles Anliegen angesichts der Tatsache, dass Europa von niemanden bedroht wird, dass die in Deutschland immer noch stationierten USA-Atomwaffen endlich abgezogen werden. Der 60. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroschima und Nagasaki sollte für die Bundesregierung Anlass sein, diese Forderung gegenüber der Bush-Regierung in den USA mit Nachdruck zu erheben.

Die diesjährige Veranstaltung in Stukenbrock soll wie die in den vergangenen Jahren ein Zeichen der Solidarität mit den Überlebenden des Stalag 326 setzen. Da sie von jeglicher öffentlicher Entschädigung für das ihnen in Deutschland zugefügte Leid ausgeschlossen wurden, wollen wir auch am diesjährigen Antikriegstag mit einer Geldsammlung diesen Menschen helfen.

Dem Arbeitskreis "Blumen für Stukenbrock e.V." gehören u.a. an:

Carsten Balsfulland, Bielefeld; Regina Blomenkamp, Löhne; Walter Böhmer, Detmold; Jens Elberfeld, Bielefeld; Jürgen Frodermann, Bielefeld; Dr. Ulrich Gausmann, Paderborn; Elfriede Haug, Bielefeld; Werner Höner, Porta Westfalica; Dr. Axel Horstmann, Herford; Hubert Kniesburges, Delbrück; Georgij Kholny, Moskau; Eike Kühne, Detmold; Dr. Anatili Popow, Moskau; Jochen Schwabedissen, Detmold; Carsten Seichter, Bielefeld; Karl-Wolfgang Seithümmer, Lage-Hörste; Kai Venohr, Bielefeld; Wolfgang Wrobel, Schloß Holte-Stukenbrock; Udo Weitekemper, Schloß Holte-Stukenbrock




Antikriegstag 2005: Aufruf zur Mahn- und Gedenkveranstaltung am 3. September 2005
auf dem Soldatenfriedhof in Stukenbrock

Als vor 60 Jahren mit dem militärischen Sieg der Truppen der Antihitlerkoalition über Deutschland und Japan der 2. Weltkrieg beendet wurde, bot sich der deutschen Bevölkerung mit seiner Befreiung von der NS-Diktatur die Chance, sein künftiges Schicksal neu zu bestimmen.

"Nie wieder Krieg - Nie wieder Faschismus" sollten die Grundsätze künftiger Politik sein!

Mit der Gründung der UNO vor 60 Jahren verflichteten sich deren Mitgliedsstaaten feierlich, auf Gewalt in den internationalen Beziehungen zu verzichten und sich einer überstaatlichen Rechtsordnung zu unterwerfen.

60 Jahre danach stellen wir fest:

- Das "Nie wieder" von 1945 wurde nicht eingelöst. Unter Verdrehung geschichtlicher Wahrheiten wurde Krieg wieder ein Mittel der Politik. Um angeblichen neuen Faschismus abzuwehren, führte die NATO mit Deutschland einen Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Unter ähnlichen Vorwänden wurde durch die USA und einige ihr hörige Regierungen der Irak überfallen. Wieder gab es Tote, Not, Elend, Vertreibung, Zerstörung.
- In der Wirtschaft, der Justiz, dem Militär und auch der Politik erhielten nach 1945 aus der NS-Vergangenheit schwer belastete Personen erneut führende Funktionen. Der Antikommunismus mit Frontstellung gegen die Sowjetunion blieb in Westdeutschland Staatsdoktrin. Elemente dieser Politik der Alt-BRD wurden lückenlos in das vereinte Deutschland übertragen.
- Zunehmend wird in der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt, als sei die Befreiung Deutschlands vorwiegend ein Verdienst der USA bzw. der Westmächte. Tatsache aber ist, dass die UdSSR die Hauptlast bei der Niederringung des Faschismus trug. Die Rote Armee war es, die Auschwitz befreite. Sie hatte die meisten Opfer zu beklagen.

Wer die Einmaligkeit der Verbrechen des NS-Regimes heute nicht wahrhaben will, ja sie umbiegt in Propaganda für einen Krieg, zerstört die Chancen des Lernens aus der Vergangenheit. Es wiederspricht der Charta der UNO, dem Schwur der Überlebenden von Buchenwald und Stukenbrock, wenn unter dem Vorwand der Bekämpfung des "internationalen Terrorismus" wieder Kriege geführt werden, die dem Zugriff auf wichtige Rohstoffe und der Absicherung von Machtansprüchen dienen.

Es ist an der Zeit, statt über die Aufhebung von Rüstungsbeschränkungen zu debattieren, endlich weitere Beschlüsse zum Verbot von Rüstungsexporten zu fassen. Nicht eine weitere Hochrüstung, sondern Abrüstung macht die Welt und auch unser Leben sicherer! Es ist an der Zeit, endlich alle Atomwaffen abzuschaffen.

Getreu der Mahnung von Stukenbrock,

"Und sorget ihr, die ihr noch im Leben steht, dass Frieden bleibt, Frieden zwischen den Menschen, Frieden zwischen den Völkern",

die wir auch als Präambel für die EU-Verfassung vorgeschlagen haben, fordern wir von den politisch Verantwortlichen in unserem Lande

- eine Politik der strikten Einhaltung der UNO-Charta zu verfolgen. Wer einen Angriffskrieg vorbereitet, durchführt oder ermöglicht, muss strafrechtlich verfolgt werden;
- die Umrüstung der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee zu stoppen;
- Deutschland zu einer atomwaffenfreie Zone zu machen;
- den Militäretat des Bundes drastisch zu reduzieren und diese Mittel für zivile Zwecke zu verwenden;
- sich der Verpflichtung zur "schrittweisen" Verbesserung der militärischen Fähigkeiten, wie es der EU-Verfassungsentwurf vorsieht, zu widersetzen.

Anlässlich des Antikriegstages rufen wir auf zu einer Mahn- und Gedenkveranstaltung am Sonnabend, dem 3. September 2005 um 15.00 Uhr auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock.

Wir legen Blumen und Kränze an den Gräbern der 65.000 sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsverschleppten aus der UdSSR, aus Polen, Frankreich und Italien nieder, die in der Zeit von 1941 - 1945 im Stalag 326-VI/K in Verantwortung der deutschen Wehrmacht zu Tode gequält und im Sennesand verscharrt wurden.



Anitifa Workcamp 2005 in Stukenbrock - 2. bis 4. September 2005: 60 Jahre danach. Wie weiter gedenken?

An der Bundesstraße 68 zwischen Bielefeld und Paderborn, in der Nähe der Gemeinde Stukenbrock, macht ein kleines Hinweisschild auf eine in der Senne befindliche "Kriegsgräberstätte" aufmerksam. Es handelt sich jedoch nicht um "Kriegsgräber" im eigentlichen Sinne, sondern um einen Friedhof, auf dem Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik ihre letzte Ruhe gefunden haben. Die Rede ist von dem ehemaligen Strafgefangenenlager Stalag 326 (VI/K) "Forrelkrug", in dem ca. 65.000, vorwiegend russische, Kriegsgefangene unter menschenverachtenden Bedingungen zu Tode gequält worden sind.

Zum Gedenken der Toten und aus den Lehren, die aus dem Nationalsozialismus und den Ablegern dieser Ideologie finden sich bereits seit über 35 Jahren AntifaschistInnen anlässlich des internationalen Kriegstages am 01. September auf dem Friedhof des Stalag ein.

Die Geschichte des Stalags in Stukenbrock-Senne ist Teil einer deutschen Verganenheit, deren "Entsorgung" in Wissenschaft und öffentlicher Meinung der Bundesrebublik immer noch oder auf´s neue versucht wird; jeder Einblick in die wirklichen Verhältnisse dieses Lagers lässt aber auf exemplarische Weise die menschenverachtende und menschenvernichtende Praxis des Nationalsozialismus erkennen.

Bereits zum neunten Mal veranstaltet das "Antifaschistische Kreisplenum Gütersloh" das Camp, welches ursprünglich von der SDAJ und Gewerkschaftsorganisationen aufgrund von Friedhofsschändungen in der Nacht zum Antikriegstag ins Leben gerufen worden ist. Mahnwachen folgten danach jedes Jahr in dieser Nacht auf dem Friedhof, woraus schließlich die Tradition des Camps entstanden ist.

Aufgrund des guten Anklangs im letzten Jahr stellen wir das Camp wieder unter das Motto "Gedenken". Besonders in diesem Jahr, wo überall der 60. Jahrestag der Befreiung gefeiert wurde, fragen wir uns, was Geschichte mit unserem Alltag zu tun hat. Neben den klassischen Arbeitsgruppen gibt es spezielle Angebote zum Thema. Um die Fragen und Themen der TeilnehmerInnen aufgreifen zu können, haben wir uns einige Fragen überlegt, die genauen Themen für die Workshops werden wir gemeinsam am Freitagabend in der Diskussion und am Samstagmorgen festlegen:

- Warum soll ich mich heute damit beschäftigen, was unsere Groß- und Urgroßeltern vor 60 Jahren erlebt und getan haben?
- Was ist mir wichtig bei der Erinnerung an den Nationalsozialismus? Geht es darum die Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, ist es zentral für mich mehr über die Opfer und den Widerstand gegen die NationalsozialistInnen zu erfahren und dieses Wissen weiterzugeben?
- Steht im Mittelpunkt meines Interesse am Nationalsozialismus Lehren aus der Geschichte zu ziehen? Ist „Nie Wieder Faschismus“ ein wichtiger Grund für mich auf das Camp zu fahren? Wo erkennen wir heute faschistische Ansätze und sehen Ansatzpunkte hier dagegen vorzugehen?
- Was wissen wir über die Geschichte der Region während des Nationalsozialismus? Über Arisierungsgewinnler, über den Einsatz von ZwangsarbeiterInnen in Unternehmen und Institutionen, über Widerstand und Täter und TäterInnen? Und was über das Kriegsgefangenlager? Und was bedeutet dieses Wissen für uns?
- Was wissen wir über Antisemitismus? Greifen wir in unseren Argumenten alte Vorurteile gegen Juden auf oder beziehen uns auf zwar sehr unterhaltsame Verschwörungstheorien, die aber dennoch an antisemitische Bilder, anknüpfen (“Die Wallstreet beherrscht die Wirtschaft“, ... )?

Weil wir das Camp bundesweit bewerben, können wir die TeilnehmerInnenzahl überhaupt nicht abschätzen. Darum müssen Zelte und Geschirr mitgebracht werden. Wer am Freitag Abend grillen möchte, sollte sich das Essen dafür selber mitbringen. Zur Finanzierung müssen wir einen Kostenbeitrag von 5 Euro für das Wochenende erheben. Getränke werden zum Selbstkostenpreis verkauft. Bitte meldet euch für das Camp an, per Mail, schriftlich oder telefonisch. Für die Verpflegung und andere organisatorische Dinge müssen wir wissen, mit wie viel Personen wir in etwa rechnen können.

Ablauf:

Wie das immer so ist, kann sich beim geplanten Programm spontan noch vieles ändern. Doch dies hier ist erst mal der Plan.

Freitag, 02.09.2005:

17.00 Uhr: Anreise
20.00 Uhr: Abendessen
21.00 Uhr: Offizieller Beginn -Einführungsreferat zur Nachkriegsgeschichte des Stalags und des Camps und anschließende Einführung in das Thema Gedenken / Gedenkpolitik
23.00 Uhr: Nette Musik am Lagerfeuer von Achim

Samstag, 03.09.2005:

09.00 Uhr: Frühstück
10.00 Uhr: Themenfindung und Arbeitsgruppen
14.00 Uhr: Plenum und anschließende Friedhofsführung
15.00 Uhr: Offizielle Gedenkveranstaltung (Infos unter: www.blumen-fuer-stukenbrock.de)
16.30 Uhr: Kaffeetrinken vom Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock mit Gästen im Camp
18-30 Uhr: Zeitzeugingespräch mit Elisabeth de Vries (Auschwitz-Überlebende)
Im Anschluss das traditionelle Fußballspiel
20.00 Uhr: Abendessen
21.30 Uhr: Abendveranstaltungen "Braune Schwestern" - Frauen in der rechten Szene. Buchvorstellung der Autorinnen.

Sonntag, 04.09.2005:

09.00 Uhr: Frühstück
11.00 Uhr: Besuch der Ausstellung in der Dokumentationsstätte (www.ns-gedenkstaetten.de/nrw)
13.00 Uhr: Plenum
14.00 Uhr: Gemeinsamer Abbau

Kontakt:

Antfaschistisches Kreisplenum Gütersloh
c/o Netzwerkbüro
Bogenstraße 1 - 8
33330 Gütersloh
05241/222087
fight-fascism@gmx.de



Kommentar: Die regionale Linke und Abschiebungen

Ach ja, Abschiebehaft, noch so ein Thema, mit dem mensch sich in der Region auseinander setzen muss.
Wir erinnern uns: Solingen, Mölln, Rostock, Anfang der 90 Jahre brannten überall in Deutschland Flüchtlingsunterkünfte, Menschen wurden durch die Straßen gejagt und umgebracht. Dieses konnte sich der Staat nicht gefallen lassen und er musste handeln. So wurde 1993 das Asylrecht abgeschafft und die Taten des rechten Mobs wurden von Polizei, BGS und Ausländerbehörden übernommen. Die Rechten haben es in den letzten 10 Jahren nicht geschafft, so viele Flüchtlinge zu ermodern, wie heute durch staatliche Maßnahmen in einem Jahr ums Leben kommen.

Und dieses alles geschieht nicht irgendwo, sondern direkt vor unserer Nase. In Bielefeld, Am Stadtholz 24, entscheiden täglich die MitarbeiterInnen des Bundesamtes für Flüchtlings- und Migrationsverhinderung, ob ein Ausländer "nützlich" oder "unnützlich" ist, ganz so, wie es sich seit dem Aufstand der Anständigen in den Köpfen der Bürger eingeprägt hat. Nach dieser Sortierung kommt die Ausländerbehörde im Kreishaus, Felix-Fechebach-Straße, Detmold an die Reihe: Die "nützlichen" dürfen bleiben und die "unnützen" werden 70 km weiter in den Abschiebeknast Büren, Stöckerbusch 1, verbracht. Dort sitzen sie dann, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, bevor sie in "sichere Länder", wie z.B. den Kongo, Afghanistan, Sudan, Togo oder Nepal abgeschoben werden.

Und wir? Wir sind nur noch Betrachter, regen uns gelegentlich auf und legen uns dann gemütlich hin, um weiter zu schlafen. Andere Themen sind in der Linken weit aus wichtiger, wann findet wo ein cooles Konzert statt, diese Frage hört man in den autonomen Zentren in Bielefeld, Detmold, Herford, Oerlinghausen und wer weiß wo sonst noch zumindest häufiger als die Frage, was machen wir gegen die rassistischen Sondergesetze der BRD.

Dabei gab es in der Region auch mal starke Ansätze. Einige tausend Demonstranten Mitte der 90er-Jahre in Büren, einen Kaff, wo viele erst einmal den alten Schulatlas raussuchen mussten, um festzustellen, wo es überhaupt liegt. Spontane Demos mit nicht gerade wenigen Teilnehmern zur Abschiebehaft in vielen Städten rund um Büren, Flugblätter, Diskussionsbeiträge in verschiedenen Zeitschriften, spontane Aktionen, um den Gefangenen Mut zu machen sind nur einige Punkte, die es früher mal gab. Heute läuft eine ehe schlappe Kampagne ZAB(ab)schafffen in Bielefeld, die kaum über die Stadtgrenzen Beachtung findet und eine Büren-Demo ist in weite Ferne gerückt. Lediglich einige Miniveranstaltungen, wie z.B. eine Demo zum Todestag von Rachid Sbaai finden noch statt, bei denen sich noch nicht einmal Schniedermann vom Staatsschutz blicken lässt, weil er die 10 Teilnehmer eh alle kennt. Gelegentlich noch eine „Pflichtveranstaltungen“ zu dem Thema alle par Jahre mal in den Zentren, dass war es.

Kurz nach dem das Thema bei den Bürgerlichen beiseite gelegt wurde, nahm auch das Interesse bei uns ab. Woran liegt es? Sind wir unpolitisch geworden? Nur noch ein Sammelbecken für Leute, die eine besondere Musik hören, die ein gewisses Outfit haben und untereinander befreundet sind?

Schaut mensch sich mal die Internetseiten der oben genannten Zentren an, wird diese Frage mit ja beantworten müssen. Ein neues Selbstverständnis der Linken? Kreisen wir immer mehr um uns selber? Verlieren wir den Bodenkontakt? Ich hoffe nicht. Frank Gockel wünscht sich in dem hier veröffentlichten Paulinchen-Gespräch ein Utopia und wer, wenn nicht wir, kann so etwas durchsetzen?

Also, Arsch hoch und mal ein wenig politisch werden ...




Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.
Gespräch mit Frank Gockel

Hallo Frank, du bist sicherlich einer der bekanntesten Kritiker von Abschiebehaft in Deutschland, wie sieht diese Kritik aus?

Hallo, bei dem was du gerade gesagt hast, kann ich dir nun ganz und gar nicht zustimmen. Ich bin kein Kritiker der Abschiebehaft in Deutschland, ich bin ein Gegner von Abschiebehaft und zwar überall. Da wo die beiden Beine eines Menschen stehen, da soll er auch das Recht haben, sich aufzuhalten. Konkret bedeutet es, dass ich versuche, durch unterschiedliche Ansätze das System der Abschiebemaschinerie ins wanken zu bekommen. Solange der Apparat jedoch noch steht, solange müssen wir für jeden einzelnen, der dort inhaftiert ist, kämpfen.

Was bedeutet dieses in Deinem Alltag konkret?

Ich fahre einmal die Woche zur JVA und besuche dort zwischen 10 und 30 Gefangene. Die meisten von ihnen wollen in Deutschland bleiben, einige haben im Klartext gesagt, die Schnauze voll und wollen abgeschoben werden. Ich versuche zusammen mit den Gefangenen verschiedene Lösungsansätze zu erarbeiten und begleite sie bei ihren Wegen. Leider gelingt es viel zu wenig, die angestrebten Lösungen durchzusetzen. Aber es geht nicht nur um die Frage ob jemand abgeschoben wird oder nicht, oft stehen auch ganz andere Themen an. Sei es nun die Probleme, die innerhalb des Knastes entstehen, die Kontaktaufnahme mit Freundinnen oder Freunden, Familienangehörigen, Rechtsanwälten, Bekannten, kleinere und größerer Besorgungen, z.B. die Beschaffung von Kleidung, Informationsmaterial usw. Und es gibt Tage, da geht es für die Gefangenen nur darum, einfach mal einen “normalen“ Menschen, der nicht im Knast arbeitet, zu sehen und sich ein wenig zu unterhalten. Das ist ein Teil, der ehe karitative. Auf der anderen Seite arbeite ich auch politisch zum Thema.

Halt, bevor wir jetzt bei der Politik landen, habe ich noch einige Fragen. Was heißt es genau, wenn du sagst, es gelingt viel zu wenig, die Lösungsansätze durchzusetzen? Kannst du uns einige Zahlen zu Abschiebehaft in Büren sagen?

In Büren können bis zu 560 männliche Gefangene inhaftiert werden. Wie viele momentan sich in Haft befinden, weiß ich nicht genau, ich gehe jedoch von knapp 300 aus. Büren ist damit der größte Abschiebeknast Europas. In den letzten Jahren fanden über 3.000 Abschiebungen per anno statt. Ca. 10 bis 15 Prozent der Inhaftierten schaffen es, wieder in die Freiheit zu kommen. Von den Gefangenen, die ich in den letzten zwei Jahren gesprochen habe, sind keine 50 Prozent abgeschoben worden. Dieses kling im ersten Augenblick gut, doch wenn mensch überlegt, dass immer wieder Menschen nach der Abschiebung ermodert, gefoltert oder inhaftiert werden, ist jede Abschiebung eine Abschiebung zuviel. Selbst von den Menschen, die ich in der Abschiebehaft kennen gelernt habe, sind einige direkt nach der Abschiebung ums Leben gekommen. Erst letzte Woche musste ich wieder erfahren, dass ein Inder, den ich in Büren kennen gelernt habe, inhaftiert wurde. Dieses sind immer wieder auch für mich sehr schmerzliche Momente.

Abschiebehaft, was bedeutet dieses eigentlich für den Betroffenen?

Abschiebehaft bedeutet, dass du 22 bis 23 Stunden am Tag in einer Zelle hockst. Du bist of mit 4 bis 6 anderen Menschen in einem Raum, in dem sich, nur durch einen Sichtschutz abgetrennt, auch die Toilette befindet. Für alles, was du willst, musst du in Form von “Anträgen“ betteln, ob das nun duschen, telefonieren, mal für eine Stunde in die Nachbarzelle gesperrt werden oder das Gespräch mit “Sozialarbeitern“ oder “Seelsorgern“ ist, jedes Mal musst du “Bitte“ sagen.

Abschiebehaft bedeutet, dass du nicht weißt, wie lange du einsitzt. Es können einige Tage, Wochen, Monate, bis zu 1 ½ Jahre sein, ohne dass du etwas verbrochen hast. Du bist einfach nur unerwünscht und um den Verwaltungsakt der Abschiebung für die Ausländerbehörden zu vereinfachen, wirst du eingeknastet.

Abschiebehaft bedeutet, dass du permanent Angst haben musst, weil du nicht weißt, was morgen ist. Komme ich morgen frei oder werde ich morgen abgeschoben, darum drehen sich jeden Tag deine Gedanken.. Mir begegnen bei meiner Arbeit immer wieder Menschen mit Todesangst und diese ist leider allzu oft begründet. So wundert es nicht, dass in Büren Suizidversuche an der Tagesordnung sind.

Machst Du diese Arbeit alleine?

Nein, ich darf mich als Mitglied eines wunderbaren Vereines schätzen. Der Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. setzt sich aus ganz verschiedenen Menschen zusammen, die aus ebenso vielen unterschiedlichen Motivationen, seien es religiöse, humanistische oder politische Gründe, Abschiebehaft ablehnen. Gerade diese Bunde Mischung bringt eine Vielfalt, die uns stark macht. Wer uns kennen lernen möchte, ich herzlich willkommen, uns donnerstags um 20 Uhr im katholischen Pfarrzentrum in Büren zu besuchen. Im Internet findet mensch uns unter www.gegenAbschiebehaft.de.

Nun einen Sprung zurück. Am Anfang sprachest du von politischer Arbeit ...

Die Beratung von Gefangenen ist, wenn mensch es genau betrachtet, nicht mehr und auch nicht weniger als ein notwendiges Übel. Willst du das Problem wirklich lösen, musst an die Wurzel gehen, muss der Abschiebeapparat zerstört werden,

Wie kann so etwas aussehen?

Hier stelle ich mir einen breiten Ansatz vor. Es wird nicht den Lösungsweg geben, so dass mensch genötigt ist, alle Wege zu beschreiten. So halte ich z.B. immer wieder Vorträge oder Informationsabende zu dem Thema, um einfach Aufklärungsarbeit zu leisten. Dabei erschrecke ich immer wider, wie viele Mensch von rechts konservativ bis weit in das linke Spektrum falschen Informationen über Abschiebehaft haben und der Überzeugung sind, dass mensch in diesem Land doch nur inhaftiert werden könne, wenn mensch etwas verbrochen habe.

Ich führe Gespräche mit Politikern, um diese zu überzeugen, dass ihr Weg, den sie mit der Abschiebehaft gehen, der falsche ist. Leider ist dieses ehe seltener mit Erfolg gekrönt. So gibt es keine größere Partei mehr, die sich gegen Abschiebehaft ausspricht.

Ich arbeite regelmäßig in der Büren-Gruppe Paderborn (www.aha-bueren.de) mit, die sich Freitags um 18:30 im Infoladen Paderborn trifft. Wir versuchen dort, den Protest mit verschiedenen Aktionen auf die Straße zu tragen. So haben wir die letzten bundesweiten Demonstrationen gegen den Abschiebeknast in Büren vorbereitet oder sind Ostern vor den Dom gezogen und haben das kirchliche Fest ausfallen lassen, weil der Osterhase von BGS´lern an der Ostgrenze erschossen wurde … Um noch weiter zu gehen, möchte ich aus einem Lied von Tod und Mordschlag zitieren: “Terroristen sind nicht die, die in Bau befindliche Abschiebekäste in die Luft sprengen, sondern die, die sie bauen lassen.“

Zum Schluss sei mir noch eine etwas provokante Frage erlaubt: Wird Deutschland jemals ohne Abschiebehaft auskommen?

Wieso provokant? Soll ich dir eine provokante Antwort zurückgeben? Nein, Deutschland wird niemals ohne Abschiebeknäste auskommen. Wer auf Abschiebehaft verzichtet, wird auch auf Abschiebungen verzichten müssen. Damit müssten logischerweise irgendwann die Grenzen geöffnet werden. Wer die Grenzen für Menschen öffnet, braucht auch keinen Staat mehr. Damit bedeutet ein Verzicht auf Abschiebehaft auch ein verzicht auf den Nationalstaat schlecht hin: Viva Utopia!


Wir leisten Hilfe für Menschen in Abschiebehaft - und brauchen dafür selbst Hilfe - auch finanziell. Bitte prüfen Sie, ob Sie durch eine Spende unsere Arbeit fördern können. Wir sind als gemeinnützig anerkannt.

Für seine Arbeit ist der Verein von der Ev. Kirche in Westfalen 1997 mit dem Förderpreis "Konziliarer Prozess" und vom Erzbischof in Paderborn 1999 mit dem Förderpreis "Nicht reden, handeln" ausgezeichnet worden.

Spendenkonto:

Konto-Nr.: 50 001 593
BLZ: 472 501 01
Sparkasse Paderborn




Die Karawane Gruppe Bielefeld – Wer sind wir? Was wollen wir?

Die Karawane Gruppe Bielefeld besteht aus und ist offen für in Deutschland lebende Flüchtlinge und MigrantInnen (mit oder ohne Papiere) aus verschiedenen Staaten und für deutsche AktivistInnen, die sich gegen Rassismus und Diskriminierung einsetzen. Wir kämpfen für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen, für das Recht in Deutschland bleiben zu können, statt abgeschoben zu werden.

Wir wollen humane und verbesserte Bedingungen für Flüchtlinge statt Festnahmen und Diskriminierung. Wir sind gegen die Residenzpflicht und für das Recht aller Flüchtlinge, sich überall in Deutschland aufhalten zu können.

Die Karawanegruppe Bielefeld ist ein Teil eines bundesweiten Netzwerks aus regionalen Gruppen in Deutschland. Dieses Netzwerk ist das Ergebnis von lokalen Initiativen, bundesweiter Koordination und zwei bundesweiten Karawane Märschen für Flüchtlinge und MigrantInnen

(www.thecaravan.org).

Der erste Marsch war im Sommer 1998 und setzte einen Höhepunkt für unterschiedliche Aktionen gegen Abschiebungen und für ein Bleiberecht in über 40 Städten. Der zweite Karawane Marsch war im Sommer 2002 in mehr als 30 Städten und hatte folgende allgemeine Slogans: "Asyl ist ein Menschenrecht, kein Privileg!" und "Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört!".

Im Sommer 2004 beteiligte sich die bundesweite Karawane und auch eine Delegation aus Bielefeld an der 3 wöchigen Anti-Lager-Tour. Dazwischen lagen diverse lokale Aktionen gegen Abschiebungen, Residenzpflicht und unwürdige Lebensbedingungen von Flüchtlingen. Gleichzeitig haben wir auf Veranstaltungen über die Situation in einigen Herkunftsländern und die sich daraus ergebenden Fluchtursachen informiert.

Wir würden gerne mit allen Individuen, Gruppen und Organisationen, die sich ebenfalls für diese Ziele einsetzen, auf der Basis gegenseitiger Hilfe und Respekt zusammenarbeiten.

Die Karawane ist eine Hausgruppe im IBZ-Friedenshaus und trifft sich dort regelmäßig. Der Termin kann unter der Nummer 0521/5215881 erfragt werden oder schriftlich unter:

Karawane Gruppe Bielefeld
c/o IBZ-Friedenshaus
Teutoburger Straße 106
33607 Bielefeld




Grüne Jugend fordert humane Ausländerpolitik / Kritik an inhumaner Abschiebepraxis im Kreis Gütersloh

Bereits mehrfach ist das Ausländeramt des Kreises Gütersloh durch die rigorose, unmenschliche Abschiebepraxis aufgefallen. In OWL und darüber hinaus ist der Kreis Gütersloh dafür bekannt, abzuschieben wo immer er abschieben kann. In die traurige Liste zweifelhafter und inhumaner Abschiebung soll nach Willen der Kreisbehörde nun auch die Familie Adamjan aus Armenien eingereiht werden. Neli Adamjan lebt mit ihren zwei schwerstbehinderten Zwillingstöchtern seit nunmehr achteinhalb Jahren in Rietberg. Nicht nur, dass die Töchter hier aufgewachsen sind und durch eine Abschiebung aus ihrem Umfeld gerissen würden, auf sie wartet in Armenien das "Nichts". Ist es menschlich Neli Adamjan und ihre Töchter Agnes und Adrine abzuschieben?

Adenauer droht: "Abschiebung im Morgengrauen"

Doch anstatt hier "Gnade vor Recht" ergehen zu lassen, nutzt Sven-Georg Adenauer seine Macht als Landrat. So empfiehlt er der Familie "freiwillig" das Land zu verlassen, um einer erzwungenen Abschiebung zu entgehen. Der Rietberger Stadtanzeiger zitiert den Landrat gar mit den Worten: "Ich bitte die Mutter dringend, freiwillig auszureisen, damit wir die Dinge nicht irgendwann im Morgengrauen regeln müssen." Als Chef der Ausländerbehörde - so will es das Asylbewerbergesetz - ist er jederzeit in der Lage auch nachts unangemeldet Abschiebungen durchzuführen. Einzig ein/e Mitarbeiter/in der Stadt Rietberg wird zur Abschiebung herbeigerufen. Wieviele Familien auf diese Weise bereits des Landes verwiesen wurden, lässt sich nicht nachvollziehen, da die Öffentlichkeit nicht eingeweiht wird. Ist die angekündigte Abschiebung ein Einzelfall?

Schon 2003 sorgten skandalöse Fälle für Aufsehen

Bereits in den letzten Jahren wurden einige Fälle bekannt. Immer wieder fiel das Ausländeramt des Kreises Gütersloh durch ihre inhumane Abschiebepraxis auf. So sorgten im Jahr 2003 gleich mehrere Fälle für Aufsehen.

Familie Mamedov aus Rheda-Wiedenbrück

Herr Mamedov reiste 1996 aus Georgien nach Deutschland ein. Seine Frau und Kinder erlangten eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Ein Aufenthaltstitel, der normalerweise - wenn nicht eine derart auf Abschiebungen fixierte Ausländerbehörde wie die des Kreises Gütersloh zuständig ist -, eine dauerhafte Lebensperspektive in Deutschland erlaubt. Die Kreisbehörde jedoch kündigte der Familie ihre Abschiebung an. David Mamedov, der nach einem letzten Gespräch mit der Behörde keinen Ausweg sah, beging in seiner Wohnung Anfang 2003 Suizid. Die Reaktion der Kreisbehörde? Kein halbes Jahr nach dem Selbstmord besaß das Ausländeramt die Dreistigkeit Frau Mamedov und die Kinder aufzufordern, das Land "unverzüglich zu verlassen."

Im selben Jahr versuchte die Kreisbehörde außerdem die Familie Asani aus Werther abzuschieben. Auch diese Familie lebte seit mehr als 9 Jahren in Deutschland, die drei Söhne sind hier gar geboren. Der Vater hatte eine feste und unbefristete Stelle und die Familie war finanziell eigenständig. Trotz kritischer Situation im Kosovo und entsprechender Warnungen des UNHCR, sollte die Familie dorthin abgeschoben werden. Einzig der massive Widerstand von BürgerInnen in Werther und ein einstimmiger Beschluss des Wertheraner Stadtrates verhinderte die Abschiebung.

Bei Familie Ljimani aus Halle wandte das Ausländeramt eine absolut geächtete Methode an: Die Damen und Herren des Ausländeramtes trennten die Familie und schoben sie separat ab. Zunächst wurde der Vater mit Handschellen am Arbeitsplatz abgeführt, dann wurde einige Zeit später die Mutter nach einem Krankenhausaufenthalt zusammen mit den Kindern abgeschoben.

Mehr Beispiele und noch mehr Infos unter www.gj-gt.de

Wir fordern das Ausländeramt des Kreises Gütersloh, seine "Chefs" Malsbender, Schwentker und nicht zuletzt Adenauer deshalb unmissverständlich auf:

Korrigieren Sie den Kurs des Ausländeramtes, machen Sie eine menschliche Ausländerpolitik!




Ausländerbehörden tanzen dem Innenministerium auf der Nase herum: Erlasse zur Abschiebehaft werden systematisch ignoriert

Büren. Einige hundert Menschen befanden sich in den letzten Jahren zu Unrecht in NRW in Abschiebehaft. Wie erst jetzt herauskam, wurde bei einem nicht öffentlichen Dienstgespräch zwischen dem Innenministerium des Landes NRW, den Bezirksregierungen, den Zentralen Ausländerbehörden, dem Amtsgericht Paderborn und der JVA Büren bereits am 12.01.2005 festgestellt, dass sich die Ausländerbehörden systematisch nicht an die Richtlinien und Erlasse des Landesinnenministerium halten. Auch gegen die gesetzlichen Vorgaben und gegen die geltende Rechtsprechung wurde regelmäßig verstoßen.

Seit dem Jahre 1996 gibt es im Land Nordrhein-Westfalen eine Richtlinie zur Abschiebehaft, die genau regelt, unter welchen Bedingungen Ausländer in Abschiebehaft genommen werden dürfen. Der Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V." kritisierte in der Vergangenheit immer wieder, dass sich die Ausländerbehörden nicht an den Erlass halten, wenn es um Fragen wie z.B. der Haftvermeidung geht. Dadurch kommt es immer wieder vor, dass viel zu schnell und zu lange inhaftiert wird. Diese Kritik erfolgte zuletzt in einem Fachgespräch am 12.11.2004 im Landtag NRW. Frank Gockel, Vereinsvorsitzender und Pressesprecher erklärte dort ausführlich und mit vielen Beispielen, dass die Ausländerbehörden die Vorgaben des Innenministeriums missachten.

Dieses Fachgespräch nahm das Innenministerium zum Anlass, in einer nicht öffentlichen Besprechung zwischen den Innenministerium des Landes NRW, den Bezirksregierungen Arnsberg, Düsseldorf, Detmold, Münster und Köln, den Zentralen Ausländerbehörden aus Köln, Düsseldorf, Dortmund und Bielefeld, dem Amtsgericht Paderborn und der JVA Büren die Thematik zu erörtern. Dabei stellte sich heraus, dass es zu einer Vielzahl von Verstößen insbesondere seitens der Ausländerbehörden vor Ort gekommen ist.

So sind viele Haftanträge unzureichend, die Angaben sind nicht immer vollständig und wahrheitsgemäß und sie enthalten nicht immer entlastende Aussagen des Betroffenen. Haftanträge wurden für 6 Monate beantragt, obwohl der Gesetzgeber eine Antragshöchstdauer von 3 Monaten vorsieht. Selbst bei Kinder und Jugendlichen kam es oft zu doppelt so langen Haftanträgen, als es eigentlich nach der Richtlinie erlaubt ist.

Auch bei Haftverlängerungen erhalten die Betroffenen regelmäßig nicht eine Kopie der Haftverlängerungsanträge der Ausländerbehörden. Auch teilt das Gericht ihnen oft den Anhörungstermin nicht vorher mit, so dass sich die Gefangenen nicht vorbereiten können.

Die Ausländerbehörden sind verpflichtet, Gefangene sofort aus der Haft zu entlassen, wenn fest steht, dass eine Abschiebung innerhalb der Haftzeit nicht mehr erfolgen kann. Diese Gesetzesvorgabe wird regelmäßig durch die Ausländerbehörden missachtet.

Auch kommt es immer wieder vor, dass Menschen inhaftiert werden, bei denen von vorneherein klar ist, dass eine Abschiebung unmöglich ist. So stellen z.B. die Botschaften von Pakistan und Marokko keine Passersatz-Papiere aus, die Betroffenen können ohne die Papiere nicht abgeschoben werden und verbringen deswegen 6 Monate oder sogar mehr in Haft, bevor sie wieder entlassen werden.

Opfer von Menschenhandel, denen es ermöglicht werden soll, innerhalb von vier Wochen freiwillig auszureisen, wird diese Frist regelmäßig nicht eingeräumt und sie werden sofort inhaftiert.

Bei 10 von 15 untersuchten Punkten wurde in dem Gespräch festgestellt, dass sich die Ausländerbehörden nicht durchgängig an die Vorgaben des Gesetzesgebers oder des Innenministeriums gehalten haben oder dass es Klärungsbedarf gab. "Ein Skandal", so Frank Gockel vom Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.", "damit wird klar, dass Hunderte von Menschen ohne die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen inhaftiert waren". Obwohl die Bezirksregierungen die Ausländerbehörden zur strikten Anwendung der Gesetze und Richtlinien anhalten sollen, hat sich kaum etwas verbessert. Noch immer stellt der Verein bei seinen Beratungsgesprächen viele Verstöße gegen Rechtsvorschriften fest.

Eine Kopie sämtlicher im Text genannten Dokumente und weitere Informationen erhalten Sie unter:

www.gegenAbschiebehaft.de.





soli@alte-pauline.de

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