Neue Westfälische ,
09.08.2005 :
(Bielefeld/Paderborn) Dolmetscher vermuten Kungelei bei Aufträgen / Übersetzerbüros verärgert über Vergabepraxis der Behörden
Bielefeld/Paderborn (gär). Der Inder Shaafat Rizwi (55) lebt seit 30 Jahren in Deutschland. Ein Vierteljahrhundert ist er nun schon als Dolmetscher und Übersetzer tätig. Seit gut fünf Jahren betreibt Rizwi in Paderborn ein Büro mit qualifizierten Mitarbeitern. In zahllosen Schreiben hat er sich seither an die Paderborner Kreispolizeibehörde gewandt und den einen oder anderen Auftrag gebeten. Leider ohne Erfolg. Rizwi blitzte immer wieder ab. Er ist deshalb sehr enttäuscht.
Bei der Polizei, in der Justiz sowie im Bielefelder Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) fällt für Übersetzer und Dolmetscher immer wieder jede Menge Arbeit an, wenn Ausländer verhaftet und Urteile oder Beschlüsse übersetzt werden müssen.
Auch auf diesem Sektor ist schon mancher in Versuchung geführt worden. Die Bielefelder Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen einen leitenden BAMF-Mitarbeiter wegen Bestechlichkeit im Amt. Der Beschuldigte soll für die Auftragsvergabe Vergünstigungen erhalten und junge Dolmetscherinnen sexuell bedrängt haben. Wie berichtet, wurde er von seinem Arbeitgeber bereits fristlos "gefeuert".
Dass bei der Auftragsvergabe manchmal nicht alles mit rechten Dingen zugeht, vermutet auch die Diplom-Sprachmittlerin Birgit Strauß aus Bielefeld. Sie kritisiert "Monopolkonstellationen". Die Behörden würden "immer dieselben Büros" beschäftigen, weil diese "erstens billig" seien und "zweitens die Geschenke nicht ausbleiben".
Runderlass mit eher vagen Vorschriften
Strauß hat sich eigenen Angaben zufolge schon bei Gericht darüber beschwert, dass bestimmte Büros "bevorzugt" werden, obwohl die von ihnen beauftragten Dolmetscher in den meisten Fällen weder allgemein beeidigt seien noch eine sprachliche oder übersetzerische Qualifikation vorweisen könnten.
Ähnliche Kritik wie Birgit Strauß äußern auch Shafaat Rizvi und Gabriele Ginzkey, Sprachmittlerin für Spanisch und Englisch in Paderborn. "Man ärgert sich ständig", sagt Ginzkey.
In NRW regelt ein Runderlass des Innenministers vom 28. August 2004 den Umgang mit Dolmetschern und Übersetzern beispielsweise im Bereich der Polizei. Der Erlass gibt nicht viel her. Angemahnt wird eine "sparsame Haushaltsführung". Eine Untergrenze für die Vergütung gibt es nicht. "Geeignete Bewerber" seien "mittels entsprechender Vergabeverfahren zu gewinnen", heißt es eher vage.
Deshalb hat sieht sich die Paderborner Polizeibehörde auf der sicheren Seite. Sie hat - im Gegensatz zur Bielefelder - mit einem einzigen Dolmetscherbüro seit Jahren einen "Pauschalvertrag" geschlossen. Das sei "pragmatisch" und erleichtere die Suche nach geeigneten Dolmetschern, sagt Polizeisprecher Michael Biermann. Die Dolmetscher-Tätigkeit werde "in nächster Zeit wieder ausgeschrieben", kündigt Biermann an. Der Inder Shafaat Rizwi wird sich deshalb wohl notgedrungen ein weiteres Mal bewerben müssen.
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