Lese- und Antifa-Café in der alten Pauline ,
07.08.2005 :
(Vlotho) Collegium Humanum: Holocaustleugner in den Mühlen der Justiz
Würden die Behörden zügiger und konsequenter auf Holocaustleugnungen im Umfeld des Collegium Humanum reagieren, könnte der Verein mit seinen finanziellen und personellen Ressourcen schnell am Ende sein.
Die Aussage auf einer der Internetseiten im Umfeld von Reichsbürgerbewegung und des "Vereins zu Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV) ist eindeutig: "Den Holocaust hat es nicht gegeben." Auch der Verantwortliche für die Seite, Klaus Weichhaus, verliert sich nicht im Dschungel des internationalen Netzes, sondern ist als Verantwortlicher auf der Seite angegeben. Der Berliner wirbt für Seminare im Collegium Humanum, für Kampagnen des VRBHV und stellt Aktionen der Holocaustleugner dar. In einem sogenannten "Reichsbrief" unter der Adresse von Weichhaus, ist dort auch ein Schreiben Ursula Haverbecks an den CDU-Landesverband Hessen einzusehen, das sich auf die Hohmannaffäre bezieht. Der Brief endet mit einer üblen Drohung: "Wenn das für CDU-Politiker Antisemitismus ist - oder auch für SPD Repräsentanten - dann haben Sie sich damit selbst das Todesurteil gesprochen. Bedenken Sie, was Sie tun!" Am 22. November 2003 erstattete eine Antifaschistin daher Anzeige gegen Klaus Weichhaus und andere bei der Bielefelder Staatsanwaltschaft in der Hoffnung, die Holocaustleugnung würde zügig von der Seite entfernt. Fehlanzeige: Auch 20 Monate später sind die Aussagen noch immer auf der Website nachzulesen.
Die faktische Legalisierung von Holocaustleugnungen ist das erklärte Ziel des VRBHV. Provokativ verbreiten die Mitglieder daher immer wieder entsprechende Aussagen. Das könnte eine kostspielige Angelegenheit sein und den Verein bald in den Ruin treiben, wenn denn die Justiz die Straftaten auch zügig verfolgen würden. Im Wiederholungsfall müssen Holocaustleugner auch mit Haftstrafen rechnen. Denn "wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung ( ... ) in einer Art und Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost", wird mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. So sieht es der § 130 des Strafgesetzbuches vor.
Verfahren vorläufig eingestellt
Obwohl derzeit mehrere Prozesse gegen Mitglieder und Anhänger des VRBHV geführt werden, bleiben etliche Straftaten ungesühnt. Ursula Haverbeck etwa, die bereits zum dritten Mal verurteilt sein könnte, wartet immer noch auf die Berufungsverhandlung ihres ersten Prozesses. Ohne Folgen blieb bislang ihre Beteiligung an einer Aktion auf der Wartburg, wo die stellvertretende Vorsitzende des VRBHV hinter einem Transparent mit der klaren Aussage "Den Holocaust gab es nicht" zu sehen ist. Das Transparent wurde später in einem von ihr gefahrenen Auto beschlagnahmt. Ein weiteres Verfahren, für das bereits ein Termin vor dem Amtsgericht Bad Oeynhausen anberaumt war, wurde vorläufig eingestellt. Nachdem bereits zwei Ausgaben der "Stimme des Gewissens" beschlagnahmt worden waren, war in der darauffolgenden Ausgabe wieder zu lesen, der Holocaust sei "ein Mythos!" Verpackt in ein Zitat der russischen Zeitung "Russkij Wjestnik" wurde behauptet, die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus habe nicht 6 Millionen betragen sondern ca. 500.000. Nachdem AntifaschistInnen diese wiederholte Holocaustleugnung öffentlich verurteilten, ermittelte die Polizei erneut gegen Haverbeck und Cohrs. Am 22. März 2005 sollte der Prozess vor dem Amtsgericht Oeynhausen stattfinden. Wenige Tage zuvor stellte das Gericht das Verfahren jedoch auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bielefeld ein. "Das Verfahren ist vorläufig eingestellt, da es im Vergleich zu einem anderen unwesentlich ist", erklärte Oberstaatsanwalt Baumgart gegenüber dem "Webwecker Bielefeld". Nur wenn die Berufung der ersten Verurteilung für die Beschuldigten erfolgreich ausginge, würde demnach das Verfahren wieder aufgerollt.
Holocaustleugner feiern Erfolg
Die notorische Holocaustleugnerszene des Collegium Humanum feierte die Einstellung als wichtigen Erfolg. Haverbecks Mitstreiter Horst Mahler hatte bundesweit Neonazis zum Besuch des Prozesses aufgerufen. Aufgrund des lebhaften Echos habe die Staatsanwaltschaft nun "den Rückzug angetreten", schreibt Mahler. Er wertet die Einstellung als Anzeichen, das "bezüglich der Strafverfolgung von vermeintlichen Holocaustleugnern Unsicherheit um sich greift."
Diese Einschätzung mag bezweifelt werden. Faktisch ist die vorläufige Einstellung jedoch ein Freibrief während der Dauer der Verfahren, die sich oft über mehrere Jahre hinziehen, Holocaustleugnungen beliebig und straffrei zu wiederholen.
Horst Mahler etwa, der sich mit mehreren Verfahren konfrontiert sieht und derzeit in Berlin vor Gericht steht, war in der Zwischenzeit für zahlreiche Flugblätter der Reichsbürgerbewegung oder im Zusammenhang mit dem VRBHV verantwortlich, in denen der Holocaust geleugnet und das NS-Regime verherrlicht wurde.
Auch andere Aktivisten des VRBHV sind teils mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten, ohne sich bislang gerichtlich dafür verantworten zu müssen. Beteiligt an der Aktion auf der Wartburg, waren zum Beispiel der Bochumer Edgar Forster und der Berliner Geschäftsführer des VRBHV Rainer Link. Forster leugnete zudem den Holocaust bei einer Versammlung im Amtsgericht Bad Oeynhausen. Anlass war ein Prozess gegen Urslula Haverbeck und Ernst-Otto Cohrs.
Nachtrag
"Unstrukturiert und unsachlich" seien die stundenlangen Ausführungen des Angeklagten gewesen. Er habe keineswegs eigene Gedanken geäußert, sondern sich zum Sprachrohr Dritter machen lassen, was auf eine narzißtische Persönlichkeit schließen lasse.
Diese vernichtende Kritik des Vorsitzenden Wolfgang Vincke galt dem Rentner Klaus Kaping (64) aus Hamburg. Nach zweitägiger Hauptverhandlung hatte die VI. Strafkammer des Bielefelder Landgerichts Kapings Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 11. Januar dieses Jahres – 3.600 Euro (120 Tagessätze) Geldstrafe wegen Volksverhetzung – zurückgewiesen.
Der Angeklagte hatte für die November-Ausgabe 2003 der vom Vlothoer "Collegium Humanum" herausgegebenen Zeitschrift "Stimme des Gewissens" einen Beitrag verfasst. Es handelte sich um einen Kommentar zur Rede des Rechtsextremisten und Ex-Anwalts Horst Mahler, die dieser anlässlich der Gründung des "Vereins zur Rehabilitierung der Holocaust-Verfolgten" gehalten hatte.
Gegründet wurde der Verein von der "Collegium-Humanum"-Vorsitzenden Ursula Haverbeck-Wetzel (76) und ihrem Mitstreiter Ernst-Otto Cohrs (83). Kaping hatte in seinem Pamphlet unter anderem die Ermordung von vier Millionen Juden im Konzentrationslager Auschwitz als "talmudische Lüge" bezeichnet, die den "Seelenmord am deutschen Volk" ermöglicht habe. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ausgabe des Heftes seinerzeit beschlagnahmt und 3.000 Exemplare sichergestellt.
Das Berufungsverfahren gegen Kaping wurde für die Prozessbeteiligten zur erwarteten Geduldsprobe. In endlosen Monologen verbreitete Kaping vor einem Forum, das zum Zuhören verdammt war, seine Nazi-Propaganda. "Pseudowissenschaftlich" nannte der Vorsitzende diese Geschichtsklitterung. Als Schlusswort verlas der Angeklagte ein 29-seitiges Manuskript – eine Wiederholung seiner Ausführungen zu Beginn der Verhandlung. Im Zuhörerraum verfolgten Ursula Haverbeck-Wetzel – ihre Berufungsverhandlung in dieser Sache steht noch aus – und Horst Mahler sowie drei Gesinnungsgenossen des Angeklagten den Prozess.
Vorveröffentlichung aus "Paulinchen", dem politischen Info-Blatt des Lese- und Antifa-Cafés des autonomes Kultur- und Kommunikationszentrum alte Pauline. "Paulinchen" Nr. 1 erscheint am 10. August zur
Informations- und Mobilisierungsveranstaltung:
Kein nationalsozialistischer Rudolf-Heß-Gedenkmarsch am 20. August in Wunsiedel!
Mittwoch, den 10. August 2005 um 20.00 Uhr
Veranstaltungsort:
Autonomes Kultur-
und Kommunikationszentrum
alte Pauline
Bielefelder Straße 3
32756 Detmold
soli@alte-pauline.de
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