Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische ,
26.01.2002 :
Streit um Aufmarsch / Freie Scholle wirft Polizei Instinktlosigkeit vor
Von Thomas Kopsieker
Bielefeld. Die Polizei hat der NPD für ihre Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung am Samstag, 2. Februar, jetzt offiziell eine Marschroute durch den Bielefelder Osten zugewiesen. Mit einer Flugblattaktion wurden die Anwohner informiert. Die Rechtsextremen wollen sich mit diesem Marschweg nicht abfinden und haben Rechtsmittel angekündigt. Verstimmt über die Entscheidung der Polizei ist auch die Baugenossenschaft Freie Scholle.
Laut Verfügung, die dem NPD-Landesverband zugestellt wurde, dürfen sich die Teilnehmer des Aufmarsches ausschließlich vor dem Ostbahnhof sammeln. Dort sollen auch die Auftakt- und Schlusskundgebung stattfinden. Als Aufzugstrecke wurden die Straßen Auf dem Langen Kampe, Meinolfstraße, Bleichstraße und Am Ostbahnhof genehmigt.
Die Polizei hat der NPD insgesamt 18 strenge Auflagen gemacht. So müssen sich alle Teilnehmer vor Beginn der Demonstration durchsuchen lassen, es ist verboten, uniformiert aufzutreten und in geschlossenen Blöcken zu marschieren. Es darf nicht getrommelt werden, und auch der Genuss alkoholischer Getränke wurde untersagt. "Eine solche Fülle so strenger Auflagen hat es in Bielefeld noch nie bei einer Demonstration gegeben", berichtet Hauptkommissar Udo Krüger.
Gestern schwärmten Polizeibeamte aus und verteilten Flugblätter an die Anwohner. An der Aktion nahmen auch Polizeipräsident Erwin Südfeld und der Beigeordnete Wolfgang Dubois teil. Auf den von Südfeld unterzeichneten Flugblättern werden die Anlieger darauf hingewiesen, dass die Polizei alles tun werde, um ihre Sicherheit zu gewährleisten, Rechtsverstöße ahnden und konsequent gegen Gewalt vorgehen werde.
Diese Form der offensiven Öffentlichkeitsarbeit kam gut an. "Ich find das toll, dass die Polizei uns informiert, jetzt weiß ich, dass ich keine Angst haben muss", meint Heike Demske, Verkäuferin in einer Bäckerei an der Meinolfstraße.
Kein Lob, sondern heftige Schelte für die Polizei gibt es von der "Freien Scholle". Die Baugenossenschaft, die ihre Wurzeln in der Bielefelder Arbeiterbewegung hat, bezeichnet es ak "nicht zu überbietende Instinktlosigkeit", dass der Demonstrationszug durch den dicht besiedelten Bielefelder Osten führen soll.
Die Straße Auf dem Langen Kampe führt vom Ostbahnhof direkt auf die Radrennbahn zu. Bis zu ihrer Umbenennung hieß sie "Schlageterstraße" Der ehemalige Freikorpssoldat Albert Leo Schlageter wurde von den Nationalsozialisten als Märtyrer verehrt. Die Nazis hatten die Straße in den 30er Jahren als Aufmarschweg für ihre Machtdemonstrationen an der Radrennbahn geplant. Koppmann: "Leider wurde mit uns im Vorfeld hierüber kein einziges Wort gesprochen."
Das soll heute nachgeholt werden. Koppmann und seine Kollegen Thomas Möller und Michael Seibt treffen sich heute mit der Führungsspitze der Polizei zu einem klärenden Gespräch. Unabhängig vom Ausgang will die Freie Scholle ihre Mitglieder aufrufen, mit friedlichen Mitteln gegen den Aufmarsch der Rechtsextremen zu protestieren. die Polizei weist den Vorwurf, instinktlos gehandelt zu haben, entschieden zurück. Hauptkommisat Krüger: "Wir haben vor der Festlegung der Route das Stadtarchiv um Prüfung gebeten." Dessen Leiter, Prof. Vogelsang, habe mitgeteilt, dass es in dem Gebiet keine besondere historische Belastung gebe.
Das letzte Wort werden wahrscheinlich ohnehin die Juristen haben. Die NPD will durch die Anrufung der Gerichte durchsetzen, dass ie vom Hauptbahnhof aus durch die Innenstadt marschieren darf.
Die Route des NPD-Marsches
Die Polizei hat den Rechtsextremen erlaubt, sich gegen 13 Uhr am Ostbahnhof zu versammeln. Von dort geht es über die Straße Auf dem Langen Kampe, die Meinolfstraße und die Bleichstraße zurück zum Ausgangspunkt. Gerechnet wird mit mehreren 100 Teilnehmern.
26./27.01.2002
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
|