Der Patriot - Lippstädter Zeitung ,
30.07.2005 :
Familie täglich in Angst / Die mazedonische Familie Mitevski lebt seit 15 Jahren in Lippstadt / Jetzt soll sie abgeschoben werden - und das obwohl sie sich integriert hat
Lippstadt. Wenn Ljamo Mitevski nach Hause kommt, dann hält er jedesmal nach der Polizei Ausschau. Der Mazedonier rechnet täglich mit der Zwangsabschiebung seiner Familie. Seit sieben Jahren muss er seine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung Monat für Monat verlängern.Im Januar 1991 sind Mitevskis aus Mazedonien nach Lippstadt gekommen. Damals brach Jugoslawien auseinander und im ehemaligen Balkanstaat "ging alles drunter und drüber". Der Tischler hatte seine Anstellung verloren, für seine Familie sah der heute 39-Jährige keine Zukunft mehr. Mit seiner Frau Ljubica und den Kindern Zora und Vane zog er nach Lippstadt, wo bereits die ältere Schwester seiner Frau lebte. Hier stellten sie einen Antrag auf Asyl.
Doch die Ausländerbehöre lehnte den Antrag ab, forderte die Roma-Familie nach einem halben Jahr zur Ausreise auf. Schwierigkeiten mit dem Pass, panische Flugangst von Ljubica Mitevska und später ihre schweren Depressionen sowie die Sprachstörungen von Vane verhinderten bisher allerdings die Abschiebung: Mutter und Sohn galten als "nicht reisefähig". Im Mai dieses Jahres hat die Paderborner Anwältin der Mitevskis, Judith Herbe, einen Antrag bei der Härtefallkommission des Düsseldorfer Landtages gestellt.
Währenddessen hat die Stadt in einem Schreiben vom 2. Juni mitgeteilt, dass die Familie ab dem 1. August "jederzeit mit der zwangsweisen Rückführung in ihr Heimatland zu rechnen" habe. "Die Stadt wartet nicht, bis die Kommission sich entschieden hat", so haben Mitevskis den Brief aufgefasst.
Gegenteiliges erfuhr unsere Zeitung auf Nachfrage beim Pressesprecher der Stadt. "Die Entscheidung der Härtefallkommission warten wir auf jeden Fall ab", erläutert Peter Paschert. Das habe man auch der Anwältin mitgeteilt.
Judith Herbe weiß davon nichts. Sie hat denselben Brief wie Familie Mitevski erhalten. "Das Ausländeramt hätte der Familie bereits vor Jahren aus humanitären Gründen ein Bleiberecht einräumen können", sagt Herbe. Schließlich hätten sie sich vorbildlich integriert. Seitdem das Aufenthaltsgesetz am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist, liege die Entscheidung aber nicht mehr im Ermessen der Stadt. Humanitäre Gesichtspunkte betrachte die Härtefallkommission, sagt auch Paschert.
Seit vier Jahren arbeitet Ljamo Mitevski als Kesselreiniger für ein Dortmunder Unternehmen bei der Hella, ist dort Nachtschichtführer. Sein Arbeitgeber hat sich unlängst eingeschaltet, er möchte Mitevski behalten. Genützt hat das nichts.
Die Eltern haben die deutsche Sprache gelernt - aus Kinderbüchern. Die Söhnesprechen fließend Deutsch. Die ständige Angst vor der Abschiebung hat bei Ljubica Mitevska (38) schwere Depressionen ausgelöst. Alexander (10) geht in die vierte Klasse der Nicolaischule, Vane in die zehnte Klasse der Hedwigschule. Sein Traumberuf: Informatiker. "Wenn wir bleiben dürfen, möchte ich mein Abitur machen, dann in Paderborn studieren." Ehrgeizige und zielstrebige Pläne für einen 16-Jährigen. In Mazedonien sähe seine Zukunft anders aus.
In Mazedonien haben Roma keine Zukunft
Roma werden dort diskriminiert, die Arbeitslosenquote liegt bei 32 Prozent. "Ohne Arbeit keine Wohnung, meine Kinder sprechen nur wenig mazedonisch und die kyrillische Schrift können sie nicht lesen", Ljamo Mitevski beschreibt, was seine Familie in der alten Heimat erwartet. Ausreichende medizinische Versorgung für seine Frau gibt es dort auch nicht. Die Tochter Zora wurde vor zwei Jahren abgeschoben, da war sie gerade volljährig geworden. "Wir hören nur selten von ihr", sagt Vane. "Wir wissen nicht genau, wo sie gerade steckt, wie es ihr geht."
Fast 1.000 Unterschriften haben Vane und Alexander gemeinsam mit Freunden in der Fußgängerzone gesammelt. "Die Leute können nicht verstehen, dass wir nicht bleiben dürfen", erzählt Vane. In der vergangenen Woche wollten sie Walter Bertelsmeier, Fachdienstleiter des Ausländeramtes, die Unterschriften überreichen - der wollte sie aber nicht annehmen, so Vane. "Juristisch sind die Unterschriften zwar wertlos", erklärt Herbe, "aber sie bekunden den Willen der Bevölkerung."
Die Stadt bleibt hart: Es gebe keine Ausreisehindernisse. Ihre neue Initiative indes - "Lippstadt braucht Zuwanderer - Zuwanderer brauchen Lippstadt" (wir berichteten) - klingt in den Ohren der Familie Mitevski wie ein schlechter Witz. Sie hoffen inständig, dass die Härtefallkommission ihnen das Bleiberecht einräumt.
30./31.07.2005
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