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Die Glocke , 28.07.2005 :

(Kreis Gütersloh/Rietberg) Flüchtlingsfamilie Adamjan / 2.300 Bürger sind gegen drohende Zwangsausreise

Von Nimo Grujic

Rietberg (gl). "Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ist überwältigend." Brigitte Gehle, Vorsitzende der Elternpflegschaft der Gütersloher Michaelisschule, ist beeindruckt von der Zahl der angebotenen Hilfeleistungen und den 2.300 Unterschriften, die sie und ihre Mitstreiter zwischenzeitlich gegen die drohende Abschiebung der Flüchtlingsfamilie Adamjan aus Rietberg gesammelt haben.

Die allein erziehende Zwillingsmutter Neli Adamjan (52) und ihre beiden schwer behinderten Töchter Agnes und Adrine sollen nach den Plänen der Gütersloher Ausländerbehörde in Kürze abgeschoben werden. Bereits im Herbst 1998 wurde das Asylgesuch der kleinen Familie rechtswirksam abgelehnt. Seitdem werden die Mutter und ihre Töchter von der Kreisverwaltung als zuständige Ausländerbehörde geduldet.

Die jetzt drohende Abschiebung in das Heimatland Armenien hatte bereits vor fünf Wochen die Eltern der Gütersloher Michaelisschule auf den Plan gerufen, an der Agnes und Adrine unterrichtet werden ("Die Glocke" berichtete). Inzwischen unterstützt nicht nur die Härtefallkommission des Landes-Innenministeriums die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für die Flüchtlingsfamilie. Auch Dr. Detlef Reichert, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Gütersloh, hat sich in den aufsehenerregenden Abschiebe-Fall eingeschaltet. "Die Abschiebung wäre zwar rechtens, aber wäre sie auch gerecht?", fragt Reichert in Richtung von Landrat Sven-Georg Adenauer, der bislang kaum Entgegenkommen signalisiert hat und als Chef der zuständigen Ausländerbehörde das letzte Wort hat.

"Ich verstehe seine Bedenken, hier einen Präzedenzfall schaffen zu können", so Superintendent Dr. Detlef Reichert. Die besonders schwierige Situation der allein erziehenden Mutter und ihrer Töchter müsse aber berücksichtigt werden. Am 16. August wird sich der Petitionsausschuss des Landtags bei einem Vor-Ort-Termin ein eigenes Bild von dem Fall machen und dem Landrat eine Entscheidungs-Empfehlung geben.

Adenauer ist gegen dauerhaftes Bleiberecht

Aber auch wenn sich der Petitionsausschuss der Düsseldorfer Landesregierung für ein Bleiberecht der Familie Adamjan aussprechen sollte: An diese Empfehlung ist Landrat Sven-Georg Adenauer nicht gebunden. "Wir sind nach wie vor völlig frei in unserer Entscheidung", erklärte Adenauer gestern gegenüber der "Glocke". Seine Behörde wolle zunächst prüfen, ob die Arbeitsstelle, die Neli Adamjan in Aussicht hat, unbefristet ist und ob ihr Gehalt so hoch ist, dass sie und die beiden Mädchen künftig weitgehend ohne staatliche Hilfe auskommen können. Die wirtschaftliche Abhängigkeit der Familie von der Sozialhilfe ist bislang der Hauptgrund, weshalb Landrat Adenauer auf die Abschiebung pocht. "Zumal die medizinische Versorgung der behinderten Zwillinge ja auch in ihrer Heimat Armenien sichergestellt wäre."

Bis der Petitionsausschuss Stellung bezogen hat, sollen die Adamjans aber auf jeden Fall bleiben dürfen. Eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung schließt Adenauer auch für den Fall aus, wenn sich der Petitionsausschuss auf die Seite der Adamjans schlägt. "Die Familie sollte irgendwann in ihre Heimat zurückkehren." Der Kirchenkreis denkt darüber nach, der Familie im Notfall Kirchenasyl zu gewähren.


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