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Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische , 29.12.2003 :

Der Tod kam aus der Luft / Hans Brunswig (95) erinnert mit seinem Buch an die Angriffe auf Hamburg 1943

Von Marion Meyer

Kirchlengern/Kreis Herford. Sirenen heulten, Flak-Sperrfeuer erhellte die Nacht, bevor das Inferno begann. Unter dem Decknamen "Operation Gomorrah" vernichteten alliierte Bomberverbände im Jahr 1943 große Teile Hamburgs und töteten mindestens 40.000 Bewohner der Hansestadt. Hans Brunswig, Bewohner des Seniorenzentrums Kirchlengern, war damals in führender Stellung bei der Hamburger Feuerwehr an den Lösch- und Rettungsarbeiten beteiligt. In seinem Buch "Feuersturm über Hamburg", das in diesem Jahr in einer Spezialausgabe erschien, schildert Brunswig die schrecklichen Stunden und Tage im Zentrum der Katastrophe.

Von der drückenden Hitze des Feuers fast ohnmächtig und in Panik vor den näher rückenden tosenden Flammen stiegen die Menschen auf die Dächer, sprangen in ihrer Verzweiflung in die Elbe, andere suchten in den Luftschutzkellern Zuflucht, wurden dort verschüttet und erstickten jämmerlich.

Über dem Feuersturmgebiet stand nach dem Hauptangriff am 28. Juli 1943 eine etwa 7.000 Meter hohe Qualmwolke. Mittendrin die Männer der Hamburger Feuerwehr, unter ihnen Hans Brunswig. Geboren am 25. Oktober 1908 war er seit 1939 bei der Berufsfeuerwehr der Hansestadt Hamburg tätig.

Auf heftige Luftangriffe der Alliierten war die Feuerwehr in ganz Deutschland seit Beginn des Jahres 1943 vorbereitet. Nach der Kapitulation der 6. Armee unter Paulus in Stalingrad und der Rede Goebbels im Sportpalast, in der er den "totalen Krieg" verkündete, begann der Wendepunkt des 2. Weltkriegs zu Ungunsten Deutschlands. Doch mit einem Feuersturm dieses Ausmaßes rechnete in Hamburg niemand. Binnen weniger Tage wurden große Teile der Stadt in Schutt und Asche gelegt.

Dass Hans Brunswig die Ereignisse niederschrieb, lag zunächst darin begründet, dass er einem Befehl Folge leistete. " ... Und Sie Brunswig, schreiben einmal die Geschichte dieser Katastrophe ... " - Mit diesen Worten schloss der "Kommandeur der Feuerschutzpolizei und Führer des Feuerlösch- und Entgiftungsdienstes der Luftschutzpolizei Hamburg", Dr.-Ing. Otto Zaps, die Kommandeurbesprechung am Nachmittag des 4. August 1943. Und mit eben jenem Satz beginnt das Buch von Hans Brunswig "Feuersturm über Hamburg. Die Luftangriffe auf Hamburg im 2. Weltkrieg und ihre Folgen." Als Hans Brunswig der Aufforderung seines Vorgesetzten nachkam, qualmten noch die Brandstellen und die zuvor blühende Hansestadt war einer schwarz verkohlten und stinkenden Trümmerwüste gewichen.

Die Dokumentation veröffentlichte Brunswig erst 35 Jahre später, im Jahr 1978. Die Spezialausgabe erschien anlässlich des 60. Jahrestages der Bombenangriffe auf Hamburg im Sommer dieses Jahres. Sie beinhaltet einzigartige Bilddokumente, die Brunswig in jenen schrecklichen Tagen als Feuerwehrmann aufgenommen hatte. Gezeigt wurden diese bereits in mehreren Gedenkausstellungen, unter anderem in den Hamburger "Deichtor-Hallen", zusammen mit einem von Brunswig gedrehten Schmalfilm, der mehrfach im Fernsehen ausgestrahlt wurde.

Hans Brunswig ist einer der letzten noch lebenden Zeitzeugen, die das Schicksal der Freien und Hansestadt Hamburg dokumentiert haben. Nach dem Krieg wurde Brunswig der bekannteste Feuerwehrmann Hamburgs und war von 1963 bis 1968 Oberbranddirektor der Hansestadt.

Seit anderthalb Jahren lebt der nunmehr 95-Jährige mit seiner Frau im Seniorenzentrum Kirchlengern, um in der Nähe seines Sohnes Prof. Dr. Dieter Brunswig, Chefarzt und Ärztlicher Direktor am Bünder Lukas-Krankenhaus, zu sein. Hans Brunswig ist auf Grund seines hohen Alters und seines Gesundheitszustandes inzwischen nicht mehr in der Verfassung, zu seinen persönlichen Erlebnissen als Feuerwehrmann während des 2. Weltkriegs Stellung zu beziehen.

Sein Buch ist ein bleibendes Zeitdokument. Brunswig zieht keine anklagende Schreckensbilanz, die Kriegsschäden und Opferzahlen gegeneinander aufwiegt. Der Autor schildert das unsagbare Leid, das der Bevölkerung Hamburgs widerfuhr und er tut dies trotz seiner persönlichen, unmittelbaren Erfahrungen als Feuerwehrmann möglichst leidenschaftslos und sachgerecht. Zahlreiche Belege über Opferzahlen und Schäden hat Brunswig in den Text eingefügt.

Sein Buch soll als warnendes Beispiel für das Unheil der Gewalt und Sinnlosigkeit eines "totalen" Krieges verstanden werden. Es ist auch eine Erinnerung an hunderttausende Menschen, die damals ihr Hab und Gut, ihr Liebstes verloren, verwundet oder zum Krüppel wurden und dennoch aus den Trümmern das schufen, was wir heute sehen: ein modernes, wiederaufgebautes Hamburg.

Hans Brunswig. Feuersturm über Hamburg. Die Luftangriffe auf Hamburg im 2. Weltkrieg und ihre Folgen. Spezialausgabe: 1. Auflage 2003, Motorbuch Verlag, 470 S., ISBN 3-613-02367-9.


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