Neue Westfälische ,
25.07.2005 :
(Bielefeld) Zwischen Bibelkreis und Waffen-SS / Vor 60 Jahren starb Kurt Gerstein
Bielefeld (epd). Es war ein Leben zwischen Bibelkreis und Waffen-SS, und es endete tragisch. Heute vor 60 Jahren starb jener Mann, der "Widerstand in SS-Uniform" leisten wollte und dabei einen einsamen Weg ging: Kurt Gerstein.
Der 1905 Geborene stammt aus einer angesehenen westfälischen Familie, der Vater war Landgerichtspräsident in Münster. Nach dem Abitur schloss er sich der evangelischen Jugend an, wurde Mitglied beim CVJM und in Schülerbibelkreisen. Nach einem Medizinstudium in Tübingen meldete er sich 1941 freiwillig zur Waffen-SS.
Gerstein wurde Teil des NS-Apparates und gleichzeitig Lieferant von Berichten über die Tötungsmaschinerie der Nazis an den Widerstand und das Ausland. Sein kurz nach Kriegsende verfasster "Gerstein-Bericht" über die Judenvergasung in den Lagern von Belzek und Treblinka gilt heute als eine der wichtigsten Quellen für den Holocaust. Nach Kriegsende wurde Gerstein als Kriegsverbrecher angeklagt und am 25. Juli 1945 unter ungeklärten Umständen in seiner Zelle erhängt aufgefunden. Im Deutschland der Adenauer-Zeit wurde sein Widerstand angezweifelt. Gerstein geriet in Vergessenheit. Erst Rolf Hochhuths Theaterstück "Der Stellvertreter" lenkte 1963 das Interesse auf ihn. Persönlichkeiten wie der damalige westfälische Präses Ernst Wilm und die Schülerbibelkreise in Hagen-Berchum setzten sich für eine Rehabilitierung ein - mit Erfolg. 1965 wurde der "Spion Gottes", wie ihn ein Biograf nannte, in die Gruppe der Entlasteten aufgenommen. Costa-Gavras griff die Geschichte auf und brachte sie 2002 mit dem Film "Amen. Der Stellvertreter" auf die Leinwand. Dem Erbe Gersteins hat sich die westfälische Kirche angenommen. Sein Nachlass ruht im Landeskirchlichen Archiv in Bielefeld. Auch ein vor zehn Jahren gegründeter Förderkreis pflegt sein Gedenken.
Heute im TV: "Amen. Der Stellvertreter", 22.30 Uhr, WDR
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