Lippe aktuell ,
09.07.2005 :
(Detmold) Ehemalige NS-Zwangsarbeiterin erhält künstliche Kniegelenke / Endlich wieder schmerzfrei leben
Detmold (ts). Marianna Gluszak hat zwei Deutschlands kennen gelernt. Mit 18 zwangen die Nazis die heute 82-jährige Polin dazu, als Zwangsarbeiterin auf einem Bauernhof bei Berlin zu schuften; 60 Jahre nach Kriegsende kommt sie trotzdem gerne zurück, um sich von deutschen Ärzten behandeln zu lassen. Schon zum zweiten Mal folgte sie jetzt der Einladung von Privat-Dozent Dr. Reinhard Brückl, Chefarzt der orthopädischen Klinik am Detmolder Krankenhaus, sich im Rahmen der Aktion "Aktive Solidarität" kostenlos ein neues Kniegelenk einsetzen zulassen.
Vor knapp vier Jahren hatte der damalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie, Prof. Dr. Hans Wolfram Neumann, Direktor der orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg, vor dem Hintergrund des jahrelangen Tauziehens um die Entschädigung der Zwangsarbeiter die Inititative ins Leben gerufen, mit der diesen Menschen, die in ihren Heimatländern oft nicht operativ versorgt werden können, weil sie sich die hohen Eigenanteile an den Behandlungskosten nicht leisten können, geholfen werden soll. Zahlreiche Kliniken beteiligten sich an dem Programm, so dass seither über 200 Patienten künstliche Knie- und Hüftgelenke eingesetzt werden konnten. Auch in Detmold ist man von Anfang an mit dabei. "Wir haben mit der Geschäftsführung vereinbart, dass wir jährlich zwei ehemalige Zwangsarbeiter behandeln dürfen", erklärte Reinhard Brückl. Durch die Zusammenarbeit mit den Herstellern der Implantate, die die künstlichen Gelenke ebenfalls kostenlos zur Verfügung stellten, könne man die Kosten in überschaubarem Rahmen halten. Und wie deutsche Patienten auch, erhalten die ehemaligen Zwangsarbeiter im Anschluss an die operative Versorgung eine Anschlussheilbehandlung - kostenlos, versteht sich. "Ohne Rehabilitation ist der Operationserfolg in Bezug auf die Gelenkfunktion nicht zu garantieren", erklärte Dr. Gerhard Verlohren, Chefarzt der Rose Klinik Bad Meinberg, die Marianna Gluszak jetzt eine Woche lang stationär behandelt, damit sie auch ihr rechtes Bein wieder richtig benutzen kann. Ihr natürliches Kniegelenk wurde in Detmold durch eine Spezialprothese der Firma Stryker aus Duisburg ersetzt. Das modular aufgebaute System, Kostenpunkt 5.500- Euro, kann gleichzeitig auch auf eine 0-Beinstellung, die in Polen bereits durch die Entnahme eines Knochenkeils korrigiert worden war und einen leichten Versatz der Beinachse angepasst werden und bezieht den alten Sehnen- und Bänderapparat mit ein. Bei der Operation im Dezember vergangenen Jahres war bereits ihr linkes Knie durch eine achsgeführte Prothese ersetzt worden. "Ich bin so dankbar, dass ich in meinem Alter noch wieder erleben kann, gesund zu sein. Meine Schmerzen sind weg und ich kann wieder laufen", freute sich Marianna Gluszak. Sie bedankte sich für die gute medizinische und menschliche Behandlung ("Ich fühle mich hier wie zu Hause") mit einigen Bildbänden aus ihrer Heimatstadt Wroclaw, dem früheren Breslau.
"Wenn Sie einmal Breslau besuchen, müssen sie unbedingt auf einen Kaffee vorbeikommen", lud sie Chefarzt Dr. Reinhard Brückl ein.
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