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Neue Westfälische , 20.07.2005 :

(Herford) Nahe Konfrontation / Mit einem großen Festakt wurde die Gedenkstätte Zellentrakt eingeweiht

Von Hartmut Brandtmann

Herford. Die Nazi-Terror wird (be)greifbar. Seit dem 18. Juli 2005 hat auch Herford seine Gedenkstätte. "Spät, aber nicht zu spät", wie Paul Spiegel kommentierte. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland gab der Einweihung des Zellentraktes im Rathauskeller eine überregionale Bedeutung.

Der Freundschaft zu Harry Rothe, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold, ist es zu verdanken, dass Spiegel nach Herford gekommen war.

Vor 300 Gästen auf dem Rathausplatz lobte der Präsident die Initiative des Kuratoriums Erinnern, Forschen und Gedenken: "Ich bin nachhaltig beeindruckt über diesen Ort lebendiger Auseinandersetzung. Er verhindert, dass ein Schluss-Strich gezogen wird, er macht einen Strich durch erinnerungsfeindliche Rechnungen."

Die Erinnerung gilt den Menschen jüdischen Glaubens, den Zeugen Jehovas und den Antifaschisten, die in dem früheren NS-Polizeigefängnis verhört wurden oder auf den Abtransport in andere Gefängnisse oder gar das Konzentrationslager warten mussten.

Adolf Obermeier, der Großvater von Harry Rothe, ist auf demütigende Weise in dem Zellentrakt vernommen worden. Der Enkel beschrieb ihn als einen Menschen, der auf beispielhafte Weise arme Leute unterstützt habe. Seine Frau Elsa, die Organistin der damaligen jüdischen Gemeinde, ist von der gegenüber liegenden Kleinen Markthalle aus nach Auschwitz abtransportiert worden. Seit 1998 erinnert eine Gedenktafel an die Opfer wie Elsa Obermeier.

Mehr als 300 Gäste, überwiegend Schüler, führt Rothe jährlich durch die kleine Synagoge an der Komturstraße, denn "Unwissenheit ist der Anfang allen Übels".

Die Landrätin Lieselore Curländer bezeichnete die Gedenkstätte als wichtigen Baustein zur Friedenserziehung. Die Kultur des Friedens sei eine Kultur des Hinschauens und Eingreifens. Ihre Dankbarkeit brachte die Landrätin den Jugendlichen gegenüber zum Ausdruck, die gegen das "Collegium Humanum" Vlotho demonstrieren: "Es ist gut zu wissen, dass sie aufstehen gegen das Vergessen, die Verlogenheit und Oberflächlichkeit."

Ein leise, eindringliche Rede hielt Bürgermeister Bruno Wollbrink. Was bürgerschaftliches Engagement bedeutet, stelle das Kuratorium um Jutta Heckmanns eindrucksvoll unter Beweis. Er sei glücklich, dass sich Herford diesem Teil seiner Geschichte nicht entzieht, sagte Wollbrink und beschrieb die Unbegreifbarkeit des NS-Terrors mit der Frage: "Wo war die politische Klasse, wo die Elite? Wo waren Kirche und Justiz? - Wir sind es , die Zeichen setzen müssen. Zwar sollen wir nicht gesenkten Hauptes durch die Gegenwart gehen, doch dieses Kapitel im Buch unserer Geschichte darf niemals geschlossen werden."

Die Worte wurden verstärkt durch Improvisationen von Heidi und Fritz Kommerell. Im Wechselspiel von Cello und Gong malten die Musiker düstere Klangbilder aus Schreien und Grollen, aus Gewalt, Klage und Zorn. Man konnte sich erinnert fühlen an Paul Celans Todesfuge "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland."


lok-red.herford@neue-westfaelische.de

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