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Neue Westfälische , 19.07.2005 :

(Büren/Düsseldorf) Heftige Kritik an den Ausländerbehörden / Experte: Erlasse werden beim Umgang mit Abschiebehäftlingen ignoriert

Paderborn/Düsseldorf (gär). Der Bürener Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft" hat massive Kritik an den Ausländerbehörden geübt. Diese würden Erlasse des Innenministeriums "systematisch ignorieren", sagte der Sprecher des Vereines, Frank Gockel. Wegen der Verstöße seien in den letzten Jahren "einige hundert Menschen" zu Unrecht in Abschiebehaft gewesen.

Eine Sprecherin des Düsseldorfer Innenministeriums wies die Kritik zurück. Lediglich "in Einzelfällen" habe es bei der Umsetzung von Erlassen "Probleme" gegeben. Diese seien inzwischen aber ausgeräumt. Der Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft" bezieht sich mit seiner Kritik auf das Protokoll eines internen Fachgespräches, das bereits am 12. Januar dieses Jahres in der Justizvollzugsanstalt Büren stattgefunden hat. An dem Gespräch hatten Vertreter des Innenministeriums, der fünf Bezirksregierungen sowie der vier Zentralen Ausländerbehörden (Bielefeld, Köln, Düsseldorf Dortmund) sowie ein Vertreter des Paderborner Amtsgerichts teilgenommen.

In dem Schreiben werden in der Tat eine Reihe von Verstößen der Ausländerbehörden gegen Richtlinien und Erlasse konstatiert. Beispielsweise geht aus dem Protokoll hervor, dass die "zwingende Vorgabe", wonach bei Jugendlichen zunächst nur eine Auslieferungshaft von sechs Wochen beantragt werden darf, "nicht von allen Ausländerbehörden beachtet" wird. Auch bei Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, stehen die einschlägigen Vorgaben manchmal nur auf dem Papier. Die in der Regel bei Polizei-Razzien festgenommenen Frauen sollen die Chance erhalten, innerhalb von vier Wochen freiwillig auszureisen. Nicht selten werden sie aber sofort in das für Frauen zuständige Abschiebegefängnis in Neuss gesteckt.

Richter gehen mit den Häftlingen unterschiedlich um

Alles zusammengenommen spricht Gockel von einem "Skandal". Torsten Böhling, Leiter der Zentralen Ausländerbehörde in Bielefeld (ZAB), teilt diese Einschätzung nicht. Bei 92 verschiedenen Ausländerbehörden in NRW würden zwangsläufig auch Fehler passieren, so Böhling. Jeder einzelnen Beschwerde werde konkret nachgegangen. Die Bezirksregierungen achteten auf die Einhaltung der Richtlinien. Im Übrigen, so Böhling, werde jeder Haftantrag der Ausländerbehörden von einem Richter beschieden. Im vergangenen Jahr habe die ZAB in 130 Fällen einen Haftantrag gestellt, nur in zwei Fällen habe der zuständige Amtsrichter diesem Antrag nicht stattgegeben.

In dem oben genannten Protokoll ist davon die Rede, dass die "Spruchpraxis der Amtsrichter unterschiedlich ist". Deshalb soll nun eine Fortbildung der mit der Abschiebehaft befassten Richter erfolgen. In der JVA Büren, dem einzigen Abschiebegefängnis für Männer in NRW, sind derzeit 256 Abschiebhäftlinge aus 60 Nationen inhaftiert.


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