Lippische Landes-Zeitung ,
12.07.2005 :
(Bad Salzuflen) Harte Zeiten für Integrationsarbeit / Nach Terroranschlägen: Dialog der Kulturen erschwert
Bad Salzuflen. Die Aufrufe sind wohl gemeint: Muslime dürften nach den offenbar durch El Kaida verübten Anschlägen von London nicht pauschal als potenzielle Terroristen verdächtigt werden. Doch die Arbeit derer, die um eine Annäherung der Kulturen bemüht sind, ist durch die jüngsten Ereignisse nicht einfacher geworden. Norbert Scherpe, Integrationsbeauftragter der Salzufler Kirchengemeinden, berichtet.
Von Hartmut Salzmann
Den Dialog zwischen den Religionen zu fördern - mit dieser Aufgabe wurde Scherpe jüngst von den lutherischen, reformierten und katholischen Kirchengemeinden in Bad Salzuflen betraut. Der 54-Jährige war zuvor Leiter des mittlerweile geschlossenen Ausländer- und Flüchtlingsbüros und verfügt über viele Kontakte in muslimische Kreise. Scherpe zur aktuellen Lage: "Es gibt die eine Seite, die Angst davor hat, dass der Terror immer näher rückt, und die andere Seite, die sich unter Generalverdacht sieht. Das sind keine guten Voraussetzungen für Integrationsarbeit."
Äußere "Signale" - wie der Bart, der genau so geschnitten ist wie auf dem Foto eines Attentäters zu sehen, oder der Schleier, hinter dem Frauen ihr Gesicht verbergen - reichten aus, um zu vermuten: "Dieser Mensch könnte auch einer der Terroristen sein." Scherpe nennt ein Beispiel: So habe ihm eine muslimische Frau von offenen Anfeindungen berichtet: Im Supermarkt sei sie angeblafft worden: "Aha, Sie sind auch eine von denen ... " Scherpe selbst sieht sich ebenfalls im Schussfeld: "Ab und zu finde ich Zettelchen an der Tür. Auf denen steht dann so was wie: 'Wollen Sie wirklich die Muslime unterstützen? Sie wissen doch, dass die uns mit Feuer und Schwert vernichten wollen!'"
"Wir haben nichts zu verbergen" Irfan Yildirim
Die Angst, die die Menschen bewegt, könne er verstehen, betont der 54-Jährige. Seiner Einschätzung nach entstehen daraus Feindbilder, wenn die Menschen zu wenig über Muslime wissen und sie kaum Kontakt zu ihnen haben: Ohne Zweifel gebe es am extremen Rand "Glaubenskrieger", die nach dem Motto handeln: "Wir müssen kämpfen, wir müssen siegen." Scherpe: "Es muss aber deutlich werden, dass das Extreme sind." Extreme, die auch die Muslime verurteilten, wie Irfan Yildirim (43) betont. Er ist Mitglied des Türkisch-Islamischen Kulturvereins Bad Salzuflen. Seit 25 Jahren arbeitet er bei der Firma Ninkaplast. Auch wenn das Verhältnis zu seinen Kollegen nach den jüngsten Ereignissen nicht negativ beeinflusst worden sei, weiß er doch: "Es wird uns das Leben erschweren." Es seien "vielleicht nur 0,1 Prozent", die so eingestellt sind wie die islamistischen Terroristen.
Der 43-Jährige befürchtet, dass sich viele seiner in Salzuflen lebenden Glaubensbrüder zurückziehen. "Aber wir müssen raus und uns äußern, dass auch wir betroffen sind von dem Ganzen." In den Moscheen sei jeder willkommen, der sich für den Islam interessiert: "Wir haben nichts zu verbergen."
Norbert Scherpe sieht vor allem in Schulen Möglichkeiten, das Wissensvakuum in Sachen Islam mit Inhalt zu füllen. Integrationsarbeit hält er gerade in der derzeitigen Situation für extrem wichtig: Denn religiöse Fundamentalisten seien sicher auch bei uns aktiv, um Nachwuchs zu rekrutieren, meint Scherpe. Bei frustrierten jungen Menschen, die sich hier nicht angenommen fühlen, hätten sie leichtes Spiel. "Das läuft so ähnlich wie bei den Rechtsextremisten."
Salzuflen@lz-online.de
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