Flüchtlingshilfe Detmold ,
17.09.1992 :
DGB und Flüchtlingshilfe kritisieren Kehrtwende der SPD in der Asylfrage: "Das Menschenrecht auf Asyl darf nicht angetastet werden!" / Kreis-SPD soll auf dem Sonderparteitag für den Erhalt des Artikel 16 eintreten
Kreis Lippe. Der DGB des Kreises Lippe und die Flüchtlingshilfe Detmold haben in einer gemeinsamen Erklärung die "Kehrtwende des SPD-Bundesvorstandes in der Asylfrage" scharf verurteilt.
In der Erklärung heißt es wörtlich: "Wir fordern die Delegierten des Sonderparteitages auf, dem handstreichartigen Vorgehen der SPD-Führung eine Absage zu erteilen und die Bad Salzuflener Beschlüsse vom vergangenen Wochenende zurückzunehmen. Die Zustimmung der SPD zu einer Änderung des Asylgrundrechts bedeutet die Absage an eigene Traditionen und Werte. Gerade angesichts der Tatsache, dass viele SPD-Mitglieder in Nazi-Deutschland in Konzentrationslagern und Gefängnissen gequält und ermordet wurden, stellen die Asylbeschlüsse des Parteivorstandes auch einen Verrat an der Leidensgeschichte der eigenen Mitglieder dar."
Das individuelle Grundrecht auf Asyl sei ein Menschenrecht der Verfolgten und dürfe nicht in die Willkür der jeweils aktuellen Regierungspolitik gestellt werden, so der DGB-Kreisvorsitzende Jürgen Frodermann. Dieses Menschenrecht sei ein Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft, ohne das alle Minderheiten in der Bundesrepublik gefährdet seien. Frodermann: "Das Grundrecht auf Asyl steht für den inneren Frieden und eine solidarische Gesellschaft genauso wie die Verweigerung von Militäreinsätzen der Bundeswehr für den äußeren Frieden. Eine Änderung von Artikel 16 greift in die Grundlagen der Demokratie und des Rechtsstaates ein."
"Insbesondere" verurteilen DGB und Flüchtlingshilfe "das rein machtstrategische Vorgehen der SPD-Spitze", die das "Bekenntnis zum Schutz von Flüchtlingen als Ballast bei der Rückkehr zur Macht in Bonn" betrachte: "Gerade vor dem Hintergrund der brutalen Gewalt von rechts ist es an der Zeit, die Grundwerte der demokratischen Gesellschaft offensiv zu verteidigen und sie nicht den Steinewerfern und Gewalttätern zum Beschuss freizugeben", so Frodermann weiter.
Für die Flüchtlingshilfe Detmold zeugen die "Details der Asylbeschlüsse" von "fehlendem Rechtsbewusstsein". Dazu Diether Kuhlmann: "Länderlisten, durch die bestimmte Flüchtlingsgruppen aus dem Asylrecht von vorneherein ausgeschlossen werden, stellen die totale Absage an rechtsstaatliche Grundsätze dar und widersprechen dem Menschenrechtscharakter des Individualrechts auf Asyl." Der SPD-Vorstand verkenne mit seinen Beschlüssen "die Realität von Unterdrückung und Verfolgung weltweit". Kuhlmann: "Es gibt keine 'verfolgungsfreien Länder'. Denken Sie nur an die heutigen Hauptherkunftsländer von Flüchtlingen, an die Türkei, das ehemalige Jugoslawien und Rumänien." Kuhlmann erinnerte in diesem Zusammenhang auch an das neue Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald, das eine generelle Asylberechtigung für Roma- aufgrund der pogromartigen Ausschreitungen in Rumänien - befürwortet hatte. "Wir erinnern die SPD aber auch daran, dass durch die Abschottungspolitik der Bundesrepublik Flüchtlinge oft auch nur noch mit falschen Papieren fliehen können." Kuhlmann abschließend: "Auch Willy Brandt benötigte zur Flucht aus dem faschistischen Deutschland einen falschen Paß!"
"Der DGB und die Flüchtlingshilfe Detmold fordern deshalb die lippischen Delegierten des SPD-Sonderparteitages mit Nachdruck auf, am 16. und 17. November in Bonn für den Erhalt des Artikel 16 einzutreten. Das Menschenrecht auf Asyl darf nicht angetastet werden!", betonen die beiden Organisationen zum Abschluss.
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