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Neue Westfälische , 06.07.2005 :

(Oerlinghausen) Etwas überzogen

An dem Bericht über eine Bundeswehr-Übung, die Soldaten auch durch die Wohnbebauung führte ("Mit dem Sturmgewehr durch Währentrup - Anwohner geschockt: Soldaten schleichen durch den Ortsteil / Erinnerungen an Vertreibung und Flucht werden wach", NW vom 23. Juni) stößt sich Jornerik Stelzner.

Ihr Bericht und die damit verbundenen Visionen entsprechen wohl der Übertreibung Ihrer Berichterstatterin oder der Vereinnahmung derselben durch Bundeswehrgegner. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass ein Heeresverband, der auch in Krisenregionen zum Einsatz kommen kann, mal unter Einsatzbedingungen in bewohnten Regionen Übungen durchführen muss. Denn nur ein gut ausgebildeter und mit allen Eventualitäten vertraut gemachter Soldat kann auch im Ernstfall richtige Entscheidungen treffen. Eine solche Übung, zumal sie noch nachts war, bringt natürlich ungewohnte Erlebnisse und Unruhe in die Regionen, aber auf keinen Fall bedrohliche Situationen.

Die so stark betroffene Familie Hantke sollte sich doch einmal überlegen, ob man den Kindern nicht den Anblick der Soldaten und ihr Tun hätte erklären können, ohne dass die Kleinen gleich Albträume bekommen hätten, ich glaube schon. Es ist zu verstehen, wenn der Schwiegervater Heinrich Hantke so nichts ahnend nach Hause kommt, dass er erschrickt, wenn dann eine Gruppe Soldaten mit Gewehren bewaffnet auf dem Rasen im Garten liegt. Aber ich kann nicht glauben, dass die Soldaten ihre Gewehre wissentlich auf ihn gerichtet haben und er "guckte in die Gewehrläufe der Bundeswehr", dies ist entweder etwas überzogene Wiedergabe oder Sensationsberichterstattung.

Ebenfalls ist es schwer verständlich, dass diese harmlose Begebenheit mit den Soldaten im Garten nach über 60 Jahren ein Trauma auf die so entsetzliche Zeit des Russeneinmarsches hervorgerufen haben soll.

Auf jeden Fall finde ich den Vergleich der Bundeswehr und ihr Übungsverhalten mit dem Einmarsch der russischen Truppen und der Gräueltaten der durch Politkommissare gesteuerten Soldateska als eine journalistische Machenschaft übelster Güte. Auf jeden Fall kann ich auf Journalismus dieser Art und auf Journalisten von diesem Kalkül verzichten.

Im Übrigem sollte man nicht aus dem Auge verlieren, dass diese jungen Soldaten der Bundeswehr schon auf vielen Gebieten Hervorragendes geleistet haben. Nicht zu vergessen sind die Einsätze beim Oderhochwasser oder das Hochwasser an der Elbe und dem Erzgebirge. Aber auf keinen Fall sind die Einsätze bei der Friedenstruppe in Afghanistan und dem Balkan zu vergessen, wo diese Soldaten selbst unter Einsatz ihres Lebens Friedensdienst leisten. Dies rechtfertigt auch so eine Übung vielleicht für ein wenig mehr Freiheit und Frieden für gebeutelte Menschen in Unruheregionen.

Jornerik Stelzner
Oerlinghausen


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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