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Neue Westfälische , 05.07.2005 :

(Bielefeld) Workshop zum Thema "Migranten im Alter" / Evangelisches Johanneswerk lädt ein

Bielefeld. Rund 40 Jahre nach Ankunft der ersten Gastarbeiter in Deutschland stehen die Verantwortlichen in den Städten und Gemeinden vor einem bisher unbekannten Problem: Migranten im Alter. Wie kann man die erste Einwanderergeneration in Bielefeld erreichen? Welche spezifischen Angebote brauchen sie?

Der Evangelische Gemeindedienst im Evangelischen Johanneswerk lud Fachleute ein, sich mit diesen Fragen gemeinsam auseinander zu setzen. Mitdiskutiert haben u. a. die Ausländerbeauftragte der Stadt Bielefeld, Annegret Grewe, Prof. Dr. Oliver Razum von der Universität Bielefeld, Eckehard Herwig-Stenzel vom Evangelischen Johanneswerk und Ismail Tas vom Migrationsrat der Stadt Bielefeld. So multikulturell und vielfältig wie die Podiumsdiskutanten war auch das Publikum. Unter den 56 Teilnehmern befanden sich unter anderem Mitarbeiter der Diakonie und des Evangelischen Johanneswerks, Seniorenvertreter und Vertreter der unterschiedlichen ethnischen und kirchlichen Gemeinden.

Rund 41.000 Menschen leben in Bielefeld, die nicht in Deutschland geboren wurden. Die Zahl der über 60-Jährigen unter ihnen ist unbekannt, da sie bisher nicht gesondert erfasst wurden. Hinzu kommt, dass viele ältere Menschen mit einem Migrationshintergrund nicht in den Statistiken auftauchen, weil sie entweder die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben oder Aussiedler sind. Sie kamen, um Geld zu verdienen und für ihre Familien ein besseres Leben aufzubauen, doch zu Hause fühlten sie sich in dem fremden Land oft nicht. Heimat blieb das Herkunftsland, in das sie im Alter zurückkehren wollten.

Eine Lebensplanung, die sich in den meisten Fällen nicht erfüllte. So steigt die Zahl der Senioren unter ihnen stetig und damit die Zahl der älteren Migranten, die in besonderem Maße von sozialer und gesundheitlicher Unterversorgung bedroht sind. Migranten der ersten und zweiten Generation waren oft größeren seelischen und körperlichen Belastungen ausgesetzt, die sich in einem allgemeinen schlechteren Gesundheitszustand als bei ihren deutschstämmigen Altersgenossen niederschlagen. Hand in Hand geht dies mit einem größeren Verarmungsrisiko aufgrund durchschnittlich sehr niedriger Renten. Die traditionelle Versorgung durch die nachfolgenden Generationen, auf die viele der Einwanderer zählen, fällt oftmals weg, da Familienverbände sich zunehmend lösen. Die Jüngeren absolvieren eine Ausbildung oder Studium und stehen im Berufsleben, sodass wenig Zeit bleibt, sich um die Älteren zu kümmern. Gleichzeitig werden vorhandene Angebote für Senioren von den älteren Migranten aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, Informationsdefizite und Misstrauen gegenüber den deutschen Behörden nicht genutzt. Je kleiner die Migrantengruppe ist, umso größer ist die Isolation und umso kleiner ist auch das Netzwerk, auf das sie zurückgreifen können. In Bielefeld betrifft dies vor allem Aussiedler, Allewiten und Tamilen. Und alle Institutionen für Altenhilfe und -pflege haben dieses Problem lange übersehen. Eckehard Herwig-Stenzel, Geschäftsführer Soziale Arbeit und Gesundheit im Johanneswerk: "Wir müssen Netzwerke schaffen, die Personen sozial auffangen und mit denen eine stationäre Behandlung pflegebedürftiger Menschen oft vermieden werden kann."


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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