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Dewezet , 29.06.2005 :

(Bodenwerder) Fürst: Der Stachel schmerzender Erinnerung / Feierliche Enthüllung einer Gedenk- und Informationstafel für den jüdischen Friedhof am Mühlentor

Bodenwerder (dy). "Dieser Friedhof möge der Stachel der schmerzenden Erinnerung sein, der immer wieder an die moralische Verantwortung eines jeden Bürgers dieser Stadt für das Geschehene erinnert und besonders die Jugend mahnt, für Toleranz und Verständnis gegenüber allen Menschen anderer Religionen einzutreten", appellierte Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen bei der Feierstunde zur Enthüllung einer Gedenk- und Informationstafel auf dem jüdischen Friedhof in Bodenwerder am Mühlentor.

Im Beisein von Bodo Riethmüller, dem Beauftragten für pflegeverwaiste jüdische Friedhöfe im Landesverband, Stadt- und Ratsvertretern, Bürgern sowie Lehrern und Schülern der Realschule dankte Michael Fürst all denen, die sich für den Friedhof materiell und ideell eingebracht haben. Ganz besonders ging sein Dank an denjenigen, der die Aufstellung der Gedenktafel finanziell ermöglicht hat - der Spender möchte allerdings namentlich nicht genannt werden. Aus einigen Worten des Vorsitzenden erklangen kritische Töne Richtung Stadt Bodenwerder dahingehend, warum erst jetzt durch Initiative einer Privatperson, den schuldlos vertriebenen, gedemütigten und ermordeten Juden gedacht werde. "Die hier bestatteten Juden waren integraler Bestandteil der Gesellschaft", betonte Fürst. Bürgermeister Hartmut Schüler betonte:"Was den Juden angetan wurde, ist noch heute so unvorstellbar, dass es immer noch Leute gibt, die das leugnen. Wir verneigen uns vor den Opfern und bitten das jüdische Volk um Vergebung für das, was ihm durch unsere Vorfahren angetan wurde." Jeder Austausch, jede Begegnung der Nationen, Kulturen und Religionen tragen laut Schüler dazu bei, dass sich die Menschen besser verstehen und respektieren. Besonderes Lob zollte der Bürgermeister den Schülern der 10. Klasse der Realschule Bodenwerder, die bereits seit einem Jahr den Friedhof pflegen. Realschulleiter Karl-Heinz Hasemann betonte, dass die Schüler diese Aufgabe gerne übernommen hätten und dadurch für dieses Thema sehr sensibilisiert worden seien. Er signalisierte die Bereitschaft der Realschule, eine Patenschaft zur Pflege des jüdischen Friedhofs einzugehen.

Für den Text auf der Gedenk- und Informationstafel ist Bernhard Gelderblom, Geschäftsführer der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Hameln verantwortlich. Aus seiner Ansprache ging hervor, dass der jüdische Friedhof in Bodenwerder 1677 erstmals erwähnt wurde. 1912 lebten von ehemals vier noch zwei jüdische Familien in der Stadt - die Kaufmannsfamilie Louis Lindner und Textilkaufmann Isidor Blumenthal. Im März 1934 wurde Isidor Blumenthal auf dem jüdischen Friedhof bestattet. Auch die in Kirchbrak lebende jüdische Familie Frank erhielt ihre letzte Ruhestätte in Bodenwerder. Der Friedhof, der damals unmittelbar an das Gelände der Oberweser-Werft grenzte, wurde 1943 vollkommen zerstört. Der Besitzer der Werft nutzte das Gelände als Lagerplatz. "Der Friedhof war unter einer Wüstenei von Eisen verschwunden", schilderte Gelderblom. 1954 kam es zu einem rechtskräftigen Vergleich und der ursprünglich 339 Quadratmeter große Friedhof wurde geteilt. Eine Parzelle wurde an die Werft verkauft, 194 Quadratmeter wurden an den jüdischen Landesverband zurückerstattet. Als 1985 die Stadt das Grundstück der ehemaligen Schiffswerft erwarb und das Gelände neu gestaltete, rückte der Friedhof in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Er erhielt eine neue Umzäunung, der Zustand blieb jedoch unbefriedigend.

Erst seit etwa drei Jahren wird der Friedhof aufgrund der Spende eines Bürgers regelmäßig gepflegt. 1997 fand dort noch einmal eine Bestattung statt. "Ein auch für Christen deutlicher Hinweis darauf, dass dieser Friedhof noch lebt", so der Historiker Gelderblom. Wenn alle Vermutungen stimmen, handelt es sich laut Gelderblom um den ältesten jüdischen Friedhof der Umgebung. "Darin liegt eine besondere Verpflichtung diesen Platz für die Nachwelt zu erhalten", forderte Gelderblom. Mit einfühlsamen, zum Teil "jiddischen" Weisen untermalte Ulrike Dangendorf auf ihrem Akkordeon die Feierlichkeiten.


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