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Westfalen-Blatt , 28.06.2005 :

(Bielefeld) Leitartikel / Schröders USA-Besuch / Nur eine halbe Stunde Freundschaft

Von Jürgeb Liminski

Wäre das Verhältnis zwischen Bundeskanzler Schröder und dem amerikanischen Präsidenten Bush normal, man könnte von einem Abschiedsbesuch sprechen. Aber es ist nicht normal und deshalb passt das Bonmot eines Politikwissenschaftlers von der bekannten Johns Hopkins Universität besser zum Denken im Weißen Haus. Schröder sei keine lahme Ente, meinte der Politologe, sondern eine "tote Ente".

Auf die amtliche Feststellung dieser Kurzanalyse der Kanzlerlage Mitte September scheint sich in Washington zu freuen. Natürlich verhält man sich bis zum Wahltermin diplomatisch höflich und zurückhaltend. Aber dass dem Kanzler gerade mal eine halbe. Stunde für das Treffen mit dem Präsidenten eingeräumt wird, manifestiert auch protokollarisch den Stellenwert der ehemaligen Freundschaft.

Der Machtpolitiker Schröder wäre der letzte, dem das nicht bewusst ist. Trotzdem nimmt er die Strapaze einer Blitzvisite über den Atlantik auf sich. Er konnte annehmen, dass Bush ihn korrekt behandeln würde und das reichte für ein paar nette Bilder und Schlagzeilen. Solange die SPD mit sich selber um das Wahlprogramm ringt, gilt die Arbeitsteilung: Münte hält die Linken klein und Gerhard besetzt den Platz in den Medien.

"Bis zum Wahltermin verhält man sich höflich und zurückhaltend."

Aber Kanzler und Präsident hatten in ihrer halben Stunde durchaus auch einige gemeinsame Themenfelder anzutippen: Die Lage im Iran nach den Wahlen des Hardliners Ahmadineschad, die EU-Krise, die Reform der UNO. Beim Thema Iran dürfte man weitgehend in der Sorge um das islamistische Fingern an der Bombe übereinstimmen und gemeinsam ratlos bleiben. Bei der EU-Krise wird Bush aufmerksam zuhören. Seit Ankara die Annäherung zwischen Amerikanern und Kurden mit wachsendem Misstrauen kommentiert, ist es vorbei mit der Herzlichkeit zwischen Erdogan und Bush und damit auch mit der bedingungslosen Unterstützung Washingtons für einen türkischen EU-Beitritt. Jetzt wollen die Amerikaner erst mal wissen, wie es in Europa überhaupt weitergeht.

Geduldig zugehört hat Bush auch, was Schröder ihm zum Thema UNO zu sagen hatte. Den Amerikanern ist durchaus an einer funktionsfähigen UNO gelegen, aber gerade das Beispiel EU zeigt ihnen, dass zu viele Köche den diplomatischen Brei schon versalzen können. Dieses Risiko wird man nicht eingehen, es sei denn, die Franzosen und Briten lösten ihr nationales Veto-Recht in einem Veto-Recht der EU auf. Das wäre sicher vernünftig, ist aber auf absehbare Zeit utopisch. In dieser Frage steht selbst des Kanzlers Freund Chirac dem gemeinsamen Rivalen Bush ziemlich nah, jedenfalls näher als einer toten Ente.

Anders verhält es sich mit der Frage eines ständigen Sitzes ohne Veto-Recht. Aber Bush hat keinen Grund, dem Kanzler jetzt in der UNO-Frage entgegenzukommen. Wenn er es tut, dann Ende September während der UNO-Vollversammlung - mit einem Handkuss für die Nachfolgerin.


wb@westfalen-blatt.de

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