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Der Patriot - Lippstädter Zeitung ,
28.06.2005 :
(Rüthen) Kriegserinnerungen von Ost nach West / Schüler in fünf Ländern befragten Zeitzeugen / Wanderausstellung wird zum ersten Mal im Spee-Gymnasium gezeigt / Comenius-Projekt wird später erweitert
Rüthen. Wie haben junge Menschen den Krieg erlebt? Was aßen sie, womit spielten sie, was trugen sie für Kleidung und wie gestaltete sich ihr Schulalltag? Diese Fragen versucht die gestern im Friedrich-Spee-Gymnasium eröffnete Ausstellung "Alltag im Krieg - Living trough war" zu beantworten.
Babylonisches Sprachengewirr herrschte in der Alten Aula: Insgesamt 20 Vertreter aus Polen, Lettland, England und Frankreich wohnten mit ihren Gastgebern der Eröffnung der Ausstellung bei, zu der jede Gruppe etwas beigetragen hatte. Die wesentlichen Inhalte sollen später auch in ihrer jeweiligen Heimat gezeigt werden. Darum hielt Dr. Hans-Günther Bracht, Leiter des Spee-Gymnasiums, seine Ansprache auch auf englisch. "Alltag im Krieg" knüpfe an den neuesten Stand der geschichtswissenschaftlichen Diskussion in Deutschland an: Bei dieser gehe es nicht um Strukturen der Diktatur, die Persönlichkeit Hitlers, um Schlachten oder Nazi-Ideologie, sondern um das Leben der Menschen vor Ort, zum besseren Verständnis eingeordnet in den Kriegsverlauf. Die Ausstellung ermögliche einen europäischen Quer-Vergleich von Ost nach West - "besser ist kennen lernen nicht möglich", so Dr. Bracht. Dies sei Ziel des europäischen Comenius-Projekts. Johann Amos Comenius, tschechischer Theologe und Pädagoge, lebte in Polen, England, Preußen, Ungarn und Holland. Brachts besonderer Dank ging an den Initiator des Projekts, Franz-Josef Risse, dessen Arbeit wegen einer Erkrankung von den Kolleginnen Löchter und Lafci fortgesetzt wurde. Für die Gestaltung und Übersetzungen dankte er den Pädagogen Dr. Ottmar Goy und Dale Komander. Bracht begrüßte besonders, dass die Zusammenarbeit zwischen den Schülern der Länder in weiteren Themenbereichen in den nächsten Jahren fortgesetzt werden kann.
Joanna Philpott, Geschichtslehrerin an der koordinierenden Schule in der Partnerstadt Dereham, lobte die harte Arbeit, die die Schüler in die Vorbereitungen gesteckt haben. Dabei hätten diese eine europäische Identität ebenso erfahren können wie eine nationale und eine lokale. Die Ausstellung werden Ende Juli in Dereham zu sehen sein. Für eine Erweiterung sollen weitere Schüler sowie weitere Schulen eingebunden werden.
Georg Eickhoff, stellvertretender Bürgermeister, ging auf die Krise der EU ein. Umso erfreulicher sei es, dass Menschen über Grenzen hinweg die Ausstellung verwirklichten - und einander nicht nur besuchen, sondern themenbezogen zusammen arbeiten können würden, betonte er.
Die Schüler der Geschichts-AG stellten ihre Arbeiten vor. Man habe diesmal die Geschichte nicht aus Büchern gelernt, sondern direkt von Zeitzeugen, erklärte Sprecherin Caroline Becker. Man habe gegessen, was man kriegen konnte, alle Kleider wurden immer wieder geflickt. Und die Bilanz war zu erfahren: Zwei tote Zivilisten, 119 gefallene Soldaten, 40 Vermisste und zehn ermordete Juden allein in Rüthen.
Die Ausstellung ist in dieser Woche zu sehen und richtet sich vor allem an Schulklassen. Interessierte Bürger können sich anmelden unter Tel. 1583.
Redaktion@DerPatriot.de
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