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24.06.2005 :
Übersicht
Veröffentlichungen am 24.06.2005
01.) Veranstaltung:
Zielsetzung und Konzepte staatlicher Gedenkstättenpolitik
02.) Veranstaltung:
[c]sinevérité] präsentiert: Dokus zu Kolonialismus + Widerstand im rauchfreien AJZ-KINO, Heeper Straße 132
03.) Neue Westfälische:
(Bielefeld) Friedliche Demos in der Innenstadt
04.) Westfalen-Blatt:
(Kreis Gütersloh) Schule kämpft gegen Abschiebung
05.) Radio Gütersloh:
(Kreis Gütersloh) Drohende Abschiebung schwerstbehinderter Kinder
06.) Die Glocke:
(Kreis Gütersloh) Petitionsausschuss eingeschaltet / Behinderten Zwillingen droht Zwangsausreise
07.) Neue Westfälische:
(Kreis Gütersloh) Gnade oder Recht? / Helfer fordern Verbleib einer armenischen Familie / Landrat beharrt auf Abschiebung
08.) Neue Westfälische:
(Bielefeld) Stadtteilfest auf dem Siegfriedplatz / Erster gemeinsamer Auftritt der "7 Zauberer"
09.) Die Glocke:
(Sassenberg) Amtsgericht / Polizeibeamte in die rechte Ecke gedrängt
10.) Der Patriot - Lippstädter Zeitung:
(Rüthen/Kneblinghausen) Bekenner sendet Schreiben / Hochsitzanschlag: Polizei greift Spur auf
11.) Westfalen-Blatt:
(Bielefeld) Leitartikel / Das neue Landeskabinett / Die Mischung stimmt in Rüttgers' Club
12.) Westfalen-Blatt:
(Bielefeld) Kommentar / Zuckermarktordnung / Wenn Süßes sauer macht / Wilfried Schnitker
13.) Westfalen-Blatt:
(Bielefeld) Kommentar / E.ON Westfalen-Weser / Das Gericht muss helfen / Edgar Fels
14.) K-Gruppe (Bi-Ost):
(Bielefeld) Veranstaltungsankündigung: Die friedfertige Antisemitin? / Kritische Theorie über Geschlechterverhältnis und Antisemitismus / Vortrag und Diskussion mit Ljiljana Radonic
15.) Verwaltungsgericht Minden:
Neues Zuwanderungsgesetz führt zur Verfahrensbeschleunigung / Asylverfahren werden auch ohne Antrag für Kinder von Asylbewerbern durchgeführt
Nachrichten vom 24.06.2005
Flucht / Rassismus
01.) Missachtete Fähigkeiten / Für Berlin und Brandenburg wurde diese Woche eine Studie zur Situation von Flüchtlingsfrauen vorgestellt (Ulla Jelpke)
02.) Schily will Bleiberecht für Kinder / Bundesinnenminister schlägt Länderkollegen Härtefallregelung vor / Laut Schätzung bis zu 30.000 Betroffene (Frankfurter Rundschau)
03.) Minister droht Afghanen / Vorsitzender der Innenministerkonferenz befürwortet Abschiebung / Schily überrascht mit Kinder-Bleiberecht / Mahnwache in Düsseldorf (Neues Deutschland)
04.) Konferenz zu Neo-Rassismus und Islamophobie
Partizipation statt Ausgrenzung! (JungdemokratInnen/Junge Linke Bundesverband)
01.) Missachtete Fähigkeiten / Für Berlin und Brandenburg wurde diese Woche eine Studie zur Situation von Flüchtlingsfrauen vorgestellt
Zu den größten Skandalen der BRD-Gesellschaft zählt die Entrechtung von Flüchtlingsfrauen durch ihre Aussperrung vom Arbeitsmarkt. Eine palästinensische Flüchtlingsfrau aus dem Libanon brachte dies klar zum Ausdruck: "Die Gesetze hier sind unglaublich hart. Ich habe fünfzehn Jahre einen Bürgerkrieg erlebt und hier elf Jahre ohne Aufenthalt, gemeint ist die "Duldung", mit Arbeitsverbot gelebt. Diese elf Jahre beschränkten mein Leben, meine Entwicklung und beschädigten auch meine Zukunft."
Dieses Beispiel steht stellvertretend für die Situation vieler Frauen, die als Flüchtlinge seit Jahren in der BRD leben, findet sich in der Studie: "Flüchtlingsfrauen – Verborgene Ressourcen". Die Erkenntnisse aus dem im Jahr 2003 begonnenen Forschungsprojekt wurden in dieser Woche vom Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin – 2001 von der Bundesregierung eingerichtet – vorgestellt.
Zentrale Ergebnisse sind die mangelnde Anerkennung der Ressourcen von Flüchtlingsfrauen und deren faktischer Ausschluss vom Arbeitsmarkt und von beruflicher Qualifikation, wofür auch strukturelle und individuelle Diskriminierungen verantwortlich sind. Institutsdirektor Heiner Bielefeldt stellte zu Recht fest, dass es mit der juristischen Flüchtlingsanerkennung nicht getan sei: "Dazu gehören wirtschaftliche und soziale Rechte, Rechte auf Integration in den Arbeitsmarkt und Rechte auf Bildung und Ausbildung." Wie schlecht es darum bestellt ist, wird mit einer Vielzahl von Zitaten der 61 interviewten Frauen aus dem Raum Berlin/Brandenburg belegt. Die Autorinnen der Studie, Fadia Foda und Monika Kadur, fassten nicht nur die Resultate ihre Recherchen zusammen, sondern entwickelten daraus Vorschläge für konkrete Maßnahmen. "Viele der von uns befragten Frauen hatten über Jahre keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Und auch danach wurden ihnen vom Arbeitsamt nur Beschäftigungen angeboten, die weit unterhalb ihrer Qualifikation liegen", sagte Fadia Foda bei der Vorstellung der Studie. Migrantinnen bleibe es nach wie vor verwehrt, ihre sozialen und professionellen Fähigkeiten in die deutsche Gesellschaft einzubringen. "Wir empfehlen die Einrichtung von 'Migration Points' bei den Jobcentern der Agenturen für Arbeit, die für die Identifikation von Ressourcen der Migrantinnen und Migranten zuständig sind", so Monika Kadur.
Zwei Drittel der befragten Flüchtlingsfrauen bringen aus dem Herkunftsland mittlere und höhere Bildungsabschlüsse mit. Büroberufe sowie Qualifikationen im Bereich von Pädagogik und sozialen Dienstleistungen dominieren. Bemerkenswert ist angesichts der meist stark patriarchal geprägten Kulturen der Herkunftsregionen, dass ein Fünftel der befragten Flüchtlingsfrauen in ihrer ursprünglichen Heimat in Berufe vordringen konnte, die als männertypisch gelten.
Die Erhebung dokumentiert, dass Migrantinnen multilingual sind. Zwei Drittel sprechen neben ihrer Muttersprache zwei Fremdsprachen, ein Drittel wendet noch eine dritte Fremdsprache an. Fatal ist auch, dass die Hälfte aller Schul- und Hochschulabschlüsse der Untersuchungsteilnehmerinnen nicht oder nicht als gleichwertig anerkannt wurde, ebenso wie mehr als 90 Prozent der Berufsausbildungen.
Trotz langjährigen Aufenthalts besitzt nur ein gutes Drittel der Frauen einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang. Auch nach dem neuen, seit Anfang des Jahres geltenden Zuwanderungsgesetz wird über die Hälfte der Frauen lediglich einen nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Die berufliche Förderung zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt findet für die Flüchtlingsfrauen kaum statt. Soweit die Arbeitsvermittlung für die Betroffenen tätig wird, vermittelt sie vorwiegend in unqualifizierte Tätigkeiten im Niedriglohnsektor. Durch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Asylbewerberleistungsgesetzes auf Flüchtlinge mit vorübergehendem Schutz aus humanitären Gründen werden diese von den Leistungen des Arbeitslosengeldes II und den Fördermaßnahmen ausgenommen. Es bleibt festzuhalten, dass unabhängig von der Art des Aufenthaltstitels und der Arbeitsgenehmigung der Arbeitsmarkt für die Mehrheit auch der anerkannten Flüchtlingsfrauen praktisch versperrt bleibt.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass über die Hälfte der Frauen Probleme mit der Existenzsicherung hat. Sie werden überwiegend von staatlichen Sozialleistungen abhängig gehalten. Die Migrantinnen benannten die ablehnende Haltung der Aufnahmegesellschaft durchgängig als Problem. Viele fühlen sich nicht akzeptiert. Niedriges Einkommen und mangelnde gesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten führen oft zum Rückzug in die eigene Community und zur Restabilisierung des Selbstwertgefühls.
Quelle: Ulla Jelpke
02.) Schily will Bleiberecht für Kinder / Bundesinnenminister schlägt Länderkollegen Härtefallregelung vor / Laut Schätzung bis zu 30.000 Betroffene
Innenminister Otto Schily (SPD) hat ein Bleiberecht für lange in Deutschland lebende ausländische Kinder und Jugendliche vorgeschlagen. Die von den Unionspolitikern Beckstein und Bosbach ausgelöste Zuwanderungsdebatte nannte Schily "gefährlich und schlimm".
Von Thomas Maron
Berlin. Schily sagte am Donnerstag in Berlin, er sei fälschlich davon ausgegangen, dass mit dem Zuwanderungsgesetz mit Zustimmung der Union eine Regelung gefunden worden sei, "die allen demagogischen Versuchungen stand hält". Wer wie die Union eine "Debatte der Abschottung" führe, der "muss wissen, dass er unserem Land schweren wirtschaftlichen Schaden zufügt". Ausländische Investoren würden bei ihren Standortentscheidungen sehr genau beobachten, ob in Deutschland ein weltoffenes Klima oder eine Atmosphäre der Zurückweisung gegenüber Ausländern vorherrsche. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) und Wolfgang Bosbach (CDU), Unions-Innenexperte der Bundestagsfraktion, hatten angekündigt, mit hartem Kurs in der Zuwanderungspolitik in den Wahlkampf zu ziehen.
Seinen Vorschlag eines Bleiberechts im Sinne einer Härtefallregelung für Kinder und Jugendliche will Schily heute im Kreis der Landesinnenminister in Stuttgart diskutieren. Der Minister will erreichen, dass Kinder und Jugendliche, die sechs Jahre oder länger hier in Deutschland leben, zur Schule oder zur Ausbildung gehen und heimisch geworden sind, nicht mehr ins Herkunftsland zurückgeschickt werden. Sie hätten meist weder einen sprachlichen noch einen kulturellen Bezug zum Heimatland ihrer nach Deutschland eingereisten Eltern. Die Heranwachsenden dürften nicht mehr für Verfehlungen der Eltern zur Rechenschaft gezogen werden, auch wenn diese häufig "durch Ausnutzen aller Verfahrensmöglichkeiten ihren Aufenthalt verlängert haben".
Dass mit dieser Regelung auch die Eltern im Land blieben, sei hinzunehmen: Hier sollten "humanitäre Gesichtspunkte die Oberhand gewinnen", zumal "dies keine Zahlen sind, die ins Gewicht fallen. Schilys "unverbindlicher Schätzung" zufolge käme ein Bleiberecht 20.000 bis 30.000 Menschen zugute. Ob Schily die unionsdominierte Landesinnenministerkonferenz von dieser Idee begeistern kann, ist fraglich. Der Minister ist auf ihre Zustimmung angewiesen, Härtefallregelungen müssen einvernehmlich entschieden werden. Schily räumte ein, dass die Unionsseite sich informell "noch sehr zurückhaltend" dazu geäußert habe.
Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, sagte bei der Vorstellung ihres aktuellen Lageberichts, dass die Zahl der Ausländer in Deutschland in den vergangenen Jahren um rund 600.000 auf 6, 7 Millionen zurückgegangen sei. Zugleich sei der Anteil in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund gewachsen. Jedes vierte Neugeborene habe "ein ausländisches Elternteil und jede fünfte Ehe ist binational", sagte Beck.
Sinkende Zahlen
"Massenhafte Zuwanderung", wie von der CSU ins Feld geführt, gibt es nicht in Deutschland. Laut Migrationsbericht ist die Zahl der jährlich ins Land kommenden Aussiedler seit 2003 um 21 Prozent, die der Asylbewerber um 29 Prozent, die der jüdischen Einwanderer um 21 Prozent und die Zahl derer, die via Familiennachzug ins Land kommen, um zehn Prozent gesunken.
Quelle: Frankfurter Rundschau
03.) Minister droht Afghanen / Vorsitzender der Innenministerkonferenz befürwortet Abschiebung / Schily überrascht mit Kinder-Bleiberecht / Mahnwache in Düsseldorf
Von Markus Dufner
Seit Donnerstag tagen die Innenminister von Bund und Ländern in Stuttgart. Obwohl das zweitägige Treffen eine lange geforderte Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge behandeln soll, überwiegen Befürchtungen aus dem Flüchtlingsbereich.
Vor der Abreise nach Stuttgart sprach sich Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) in Berlin überraschend für eine Bleiberechtsregelung für lange in Deutschland lebende Kinder und Jugendliche aus. Er wolle dies in Stuttgart besprechen. Die von den Unionspolitikern Günther Beckstein und Wolfgang Bosbach ausgelöste Debatte um eine angeblich massenhafte Zuwanderung kritisierte Schily am Donnerstag in Berlin einer Meldung von dpa zufolge als "gefahrvoll und schlimm". Wer eine Debatte der Abschottung führe, "fügt unserem Land einen schweren wirtschaftlichen Schaden zu".
Das Schicksal der Kinder müsse im Vordergrund stehen, ungeachtet des Verhaltens der Eltern. Kommt es zu einer solchen humanitären Lösung, müssen nach Auffassung Schilys aber auch die Eltern ein Bleiberecht erhalten. Genaue Zahlen lägen nicht vor, gibt dpa den Minister wider. Schily schätzt, dass es 20.000 bis 30.000 sein könnten. Dies seien keine Zahlen, "die ins Gewicht fallen". Die Grünen im Bundestag begrüßten Schilys Ankündigung umgehend als "richtigen Schritt".
In der letzten Woche war bereits ein Vorstoß des Berliner Innensenators Ehrhart Körting (SPD) bekannt geworden, Flüchtlingen und Asylbewerbern mit langjährigem Aufenthalt in Deutschland ein Bleiberecht zu gewähren. Diesem Vorschlag war jedoch zunächst wenig Aussicht auf Erfolg zugesprochen worden. Dies war besonders mit der Übermacht der Unions-Länder in der Innenministerkonferenz nach den Wahlniederlagen der SPD in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen begründet worden. Asylreferent Wolfgang Grenz von amnesty international wies gegenüber ND darauf hin, dass Kiel und Düsseldorf bisher einen eher moderaten Kurs verfolgten.
Die Bundesländer hätten sich darauf geeinigt, schnellstmöglich mit der Abschiebung afghanischer Bürgerkriegsflüchtlinge zu beginnen, hieß es am Donnerstag zeitgleich mit der Eröffnung der Innenministerkonferenz. Damit solle ein bereits im Herbst 2004 gefasster Beschluss bestätigt werden. "Die afghanische Seite hat sich mittlerweile zur Übernahme ihrer Staatsangehörigen bekannt. Daher kann jetzt mit den Rückführungen begonnen werden", wurde der Konferenzvorsitzende, Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) in Agenturen zitiert.
Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) sprach sich für differenzierte Lösungen im Umgang mit abgelehnten Asylsuchenden aus Afghanistan und aus dem Kosovo aus. Der UNHCR-Vertreter in Deutschland, Stefan Berglund, erklärte, bei Rückführungen nach Afghanistan müssten die Einzelfälle geprüft werden. Die dortige Lage lasse ein schematisches Vorgehen nicht zu.
Zahlreiche Flüchtlingsinitiativen protestierten gestern Vormittag auf dem Düsseldorfer Flughafen gegen die Abschiebung von 30 Flüchtlingen in den Kosovo und forderten ein "Bleiberecht für alle". Es sei nicht auszuschließen, dass auch Angehörige ethnischer Minderheiten der Askhali und der Balkanägypter unter den Abgeschobenen seien, sagte Andrea Genten vom Flüchtlingsrat NRW. "Während die Innenminister in Stuttgart über eine Bleiberechtsregelung beraten, gehen die Abschiebungen bislang geduldeter Flüchtlinge weiter." Herbert Leuninger von Pro Asyl geißelte die hier zu Lande praktizierte Abschiebepolitik, die neue Traumatisierungen schaffe. Selmin Calsikan von Medica mondiale betonte, Angst vor Vergewaltigung und Verschleppung in den Frauenhandel gehörten zu den wichtigsten Fluchtgründen von Frauen.
Der Deutsche Caritasverband forderte die Innenminister auf, keine afghanischen Flüchtlinge abzuschieben. Es sei verantwortungslos, wenn der Hamburger Innensenator Udo Nagel (parteilos) behaupte, dass die Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren könnten, weil Bundeswehr und Polizei in einem großen Teil des Landes für Sicherheit sorgen würden, erklärte Caritas-Präsident Peter Neher in Berlin. Zur Lage im Kosovo sagte die grüne Europa-Parlamentarierin und frühere UN-Bürgermeisterin in Pec, Gisela Kallenbach, sämtliche Berichte von renommierten Institutionen in den letzten Wochen würden einstimmig "die fragile politische Situation und die gegenwärtige Spannung im Land" bestätigen.
In Deutschland leben derzeit rund 230.000 geduldete Flüchtlinge. Die mit 73.300 Personen größte Gruppe sind Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Von Abschiebung bedroht sind derzeit 54.500 Flüchtlingen aus Kosovo, wovon rund 38.000 ethnischen Minderheiten wie Sinti und Roma angehören.
Quelle: Neues Deutschland
04.) Konferenz zu Neo-Rassismus und Islamophobie
Partizipation statt Ausgrenzung!
Termin: Freitag, 24.06.2005, 13.30 - 19.30 Uhr
Ort: Festsaal/Koz, Studierendenhaus, Universität Frankfurt
Veranstalter: Didf-Jugend Frankfurt, Jungdemokraten/Junge Linke Hessen
Unterstützer: Rosa-Luxemburg-Forum Hessen, DGB-Jugend Hessen
Spätestens seit dem 11. September 2001 sehen sich MigrantInnen insbesondere aus islamischen Ländern in Deutschland mit einer Reihe von Vorurteilen und Pauschalverdächtigungen, aggressiven Mediendiskursen und zunehmend auch rechtlichen Einschränkungen konfrontiert. So wurde mit dem Bild des "islamistischen Schläfers", dessen ganze Gefährlichkeit in seiner Unscheinbarkeit liegt, umfassende staatliche Überwachungsrechte, Kontrollen und Eingriffe in die Grundrechte vor allem von Nicht-Deutschen legitimiert. Die Terrorismusgefahr dient zur Legitimation der Kooperation von Geheimdiensten und Polizei, der Einführung biometrischer Daten, Rasterfahndungen, Moscheendurchsuchungen, bis hin zu vermehrten Ausweisungen von MigrantInnen. Die Regierungsparteien beziehen sich in der Debatte hauptsächlich auf einen Ausbau des Sicherheitsstaates. Konservative Kreise nutzen mit teils breiter Unterstützung einer sozialdemokratischen bis linksliberalen Öffentlichkeit islamophobe Ressentiments, um über die Bedrohung der christlich-abendländischen Wertegemeinschaft durch islamische "Parallelgesellschaften" und das Ende der multikulturellen Gesellschaft zu fabulieren. Dabei geht das Niveau an die Grenze des zivilisatorischen Minimums: Als es nach der Ermordung des niederländischen Filmemachers Theo van Gogh zu einer Reihe von Brandanschlägen auf islamische Einrichtungen in den Niederlanden und in Deutschland kam, wurde dies selbst in den liberalen Medien als Anpassungsproblem der Muslime verhandelt. Diese Debatten haben also tiefgreifende Konsequenzen auf das (Zusammen)Leben von MigrantInnen und Deutschen.
Auf der Tagung soll diskutiert werden, inwieweit sich ein islamophober Rassismus zur aktuell hegemonialen Form des Rassismus entwickelt hat. Dabei wollen wir zum einen die Argumentationsformen islamophober Debatten in den Medien analysieren, um dann die rechtlichen Auswirkungen des Diskurses näher zu betrachten. Zuvor werden diskriminierende Ausschlüsse von Migrantinnen und Migranten im Bildungssystem Thema sein, um auch den institutionell bereits verankerten Rassismus in den Blick zu bekommen.
Abschließen wird die Veranstaltung mit einer Diskussion über die gesellschaftspolitischen Funktionen des islamophoben Rassismus. Insbesondere stellt sich die Frage, inwiefern der Entzug bereits gewährter Aufenthaltserlaubnisse oder die massenhafte Aberkennung des deutschen Passes (bei doppelter Staatsbürgerschaft) die bedrohlichsten Auswüchse des Diskurses sind.
Tagungsablauf:
13.30 Uhr: Einstiegreferat
Islamophobie als hegemoniale Form des Rassismus
Oliver Scholz (JungdemokratInnen/Junge Linke Bundesvorstand)
Kann man heute von einem relativ neuen Rassismus sprechen, der sich in Abgrenzung von einer ethnisierten Vorstellung des "Islam" als Projektionsfläche negativer Zuschreibungen konstituiert? Sind islamophobe Ideologien heute der hegemoniale Rassismus und wie argumentieren sie? Der Vortrag bietet einen Einstieg in die Thematik der Tagung und die Diskussionen in den einzelnen Blöcken.
Pause
14.15 Uhr: Rassismus in den Medien.
Referent: Sabah Alnasseri (Politologe, Frankfurt/Main)
Die Beispiele sind vielfältig: der geplante Betritt der Türkei zur EU, die Sicherheitsgesetzgebung, Verschärfungen des Ausländer(straf)rechts oder Leitkultur-, Patriotismusdebatten und das Ende der multikulturellen Gesellschaft. In all den Debatten lässt sich beobachten, wie auf unterschiedliche Weise islamophobe Ressentiments mobilisiert werden. Wie die Argumentationen verlaufen, was im einzelnen verhandelt wird und wo diese Debatten eine rassistische Ebene bekommen, wird in diesem Block diskutiert werden. Der Autor ist Herausgeber des Buches Politik jenseits der Kreuzzüge (Münster 2004).
Pause
16.00 Uhr: Islam(o)phobie und rechtliche Diskriminierungen
Referent: Heiko Habbe (Mitherausgeber des Grundrechte-Reports, Mitglied des Bundesarbeitskreises kritischer Juragruppen, Hamburg)
Dieser Block widmet sich konkreten Beispielen von Diskriminierungen auf legislativer, exekutiver und judikativer Ebene, bei denen Grundrechtsbeschränkungen mit vordergründigem Bezug auf eine islamische Religiosität vorgenommen werden. Beispiele sind "Gewissensprüfungen" bei der Einbürgerung, Moscheendurchsuchungen oder Ausspähungen durch den Verfassungsschutz. Dabei sollen auch die Begriffe Islam/Islamismus und Islam(o)phobie erörtert und auf das Verhältnis von Islamophobie zu anderen Formen der Diskriminierung eingegangen werden. Die rechtlichen Diskriminierungen sollen abschließend mit den Mitteln einer Kritischen Rechtstheorie (Ciritical Law Theory) diskutiert werden. Heiko Habbe ist Rechtsreferendar in
Schleswig-Holstein.
Pause
18.00 - 19.30 Uhr: Podiumsdiskussion: Zur gesellschaftlichen Funktion des Neorassismus.
Teilnehmer: Sabah Alnasseri, Rechtsanwältin NN.
Rassistische Überzeugungen stehen nicht für sich allein oder begründen aus sich heraus eine entsprechende rassistische Verfolgungspraxis. Vielmehr sind sie selbst Legitimationen für eine rassistische Verfolgungspraxis und so stellt sich gerade angesichts der neuen Formdes Rassismus die Frage, welche politischen Motive sich mit den neu etablierten Verfolgungspraxen verbinden. Welche gesellschaftlichen Interessen bestehen an der Schaffung neuer Feindbilder und gesellschaftlicher Spaltungen? Die Analyse der(unterschiedlichen) Funktionen islamophober Debatten soll Thema der abschließenden Podiumsdiskussion sein.
Ab 20 Uhr: Lockere Runde im KOZ
Quelle: JungdemokratInnen/Junge Linke Bundesverband
info@hiergeblieben.de
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