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Zeitung für den Altkreis Lübbecke / Neue Westfälische , 19.12.2003 :

Der mutige Mann / Kriegsdienstverweigerer sorgt noch nach 60 Jahren für Diskussionen

Von Hubertus Gärtner

Minden. Es gibt Stadtväter, die tun sich schwer beim Umgang mit der Vergangenheit. Minden gehört offenbar dazu. Seit fünf Jahren gibt es hier einen erbitterten Streit über die Frage, ob eine bislang unbenannte Straße in der Nähe einer ehemaligen Kaserne nach einem Kriegsdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg benannt werden soll. Heute wird das Thema erneut im Rat diskutiert.

Es geht um die Person des Heinrich Kurlbaum aus Oberlübbe. Er hatte sich an der Deutschen Ostfront geweigert, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Dafür wurde er zum Tode verurteilt und am 15. Mai 1944 hingerichtet. Kurlbaum hatte der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas angehört. Wie er, so mussten etwa 250 Zeugen Jehovas ihren religiös motivierten Pazifismus im Zweiten Weltkrieg mit dem Tode bezahlen.

Seit fünf Jahren plädieren verschiedene Organisationen in Minden nun dafür, sichtbar zu machen, "dass Willkürurteile der Wehrmachtsjustiz auch vor Ort nicht länger als Recht hingenommen werden". Der Versöhnungsbund, die Versammlung der Ortsheimatpfleger und auch ein im Jahre 2001 gegründeter "Unterstützerkreis" wollen eine bislang unbenannte Zufahrtsstraße zum Gesundheitsamt des Kreises Minden-Lübbecke nach Heinrich Kurlbaum benennen. Die Zufahrtsstraße liegt zwischen dem Klinikum und dem Kreishaus schräg gegenüber der ehemaligen Simeonskaserne.

An der Stelle, wo sich heute das Gesundheitsamt befindet, stand bis Anfang der 70er Jahre das ehemalige Mindener Militärgefängnis. Kurlbaum war im März 1943 von hier aus zum Reichskriegsgericht in Berlin gebracht worden. Vor Gericht willigte er ein, sich zum Brückenbaupionier ausbilden zu lassen. Diese Ausbildung fand in der Simeonskaserne statt – von wo aus Kurlbaum später an die Ostfront verlegt wurde.

Die historischen Bezüge sind dem Unterstützerkreis sehr wichtig. Doch die Stadt Minden konnte sich bislang nicht dazu durchringen, an jenem Ort eine Kurlbaum-Straße zu genehmigen. Sie verweist nun auf das ablehnende Votum der beiden Anlieger. Es sind dies die Kreisverwaltung und das Klinikum. Der Landrat Wilhelm Krömer (CDU) argumentiert, durch eine Benennung der Zufahrt in "Heinrich-Kurlbaum-Straße" wäre das Gesundheitsamt für Besucher schwieriger auffindbar. Der Verwaltungsvorstand des Klinikums führt "Kostengründe" gegen "Straßenumbenennungen" ins Feld.

Diese Argumentationen nennt der Mindener Rechtsanwalt Bernd Brüntrup – er gehört dem Unterstützerkreis an – in einem Brief an den Mindener Bürgermeister Reinhard Korte (CDU) "erstaunlich". Denn es gehe ja gerade nicht um die Umbenennung, sondern um die erstmalige Benennung einer Straße. Und gerade die könne umherirrenden Bürgern das Finden des Gesundheitsamtes zweifellos erleichtern.

Nicht nur der Rechtsanwalt Bernd Brüntrup fragt sich, ob der jahrelange Kampf um die Straßenbenennung durch veränderte politische Mehrheiten in Minden erschwert wird. Der frühere Bürgermeister der Stadt, Siegfried Fleissner, hatte sich als Sozialdemokrat im Jahre 1998 noch als Schirmherr einer Ausstellung über die Geschichte der Verfolgung der Zeugen Jehovas zur Verfügung gestellt.

Die aktuellen Machthaber sind Christdemokraten. Vielleicht lassen sie sich ja von Lina Geratz erweichen. Die betagte Schwester von Heinrich Kurlbaum soll heute ins Mindener Rathaus kommen und dafür werben, dass fast 60 Jahre nach der Hinrichtung ihres Bruders eine Straße nach ihm benannt wird.


lok-red.luebbecke@neue-westfaelische.de

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