4 Artikel ,
02.03.2025 :
Pressespiegel überregional
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Übersicht:
Münchner Merkur Online, 02.03.2025:
AfD Sachsen-Anhalt will über 45 Prozent bei Landtagswahl
Deutsche Welle, 02.03.2025:
AfD im Bundestag: "Wir müssen uns Sorgen machen"
n-tv.de, 02.03.2025:
Die Wahl, die AfD und der Osten / Die Verletzung, die die Ossis nicht so schnell verzeihen werden
Münchner Merkur Online, 02.03.2025:
"Lassen uns nicht einschüchtern": Angriff auf Linken-Büro in Regensburg - Jetzt ermittelt der Staatsschutz
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Münchner Merkur Online, 02.03.2025:
AfD Sachsen-Anhalt will über 45 Prozent bei Landtagswahl
02.03.2025 - 14.49 Uhr
Im kommenden Jahr wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Mit dem Aufwind aus der Bundestagswahl läutet die AfD schon jetzt den Wahlkampf ein. Aber es gibt auch Streit in der Partei.
Magdeburg. Beflügelt von der Bundestagswahl vor einer Woche hat die AfD in Sachsen-Anhalt schon jetzt ihre Ziele für die Landtagswahl im nächsten Jahr formuliert. Die Mission sei, alle Direktmandate zu gewinnen, 45 Prozent zu holen und den Ministerpräsidenten zu stellen, sagte der Landesvorsitzende der AfD, Martin Reichardt, zur Eröffnung des Landesparteitages in Magdeburg. "Sachsen-Anhalt wird der blaue Leuchtturm Deutschlands werden." Es gehe darum, die erste AfD-geführte Landesregierung in Deutschland zu werden.
Bei der Bundestagswahl vor einer Woche holte die AfD in Sachsen-Anhalt alle Direktmandate mit den Erststimmen. Auch bei den Zweitstimmen erreichte die Partei mit 37,1 Prozent die mit Abstand meisten Stimmen. Die CDU kam auf 19,2 Prozent der Zweitstimmen. Der Landesverband wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft.
Streitigkeiten überschatten Parteitag
Aus diesem Grund verabschiedete die Partei auch eine neue Präambel für die Satzung. Formal bezeichnet sich die AfD darin als demokratische, freiheitliche und patriotische Volkspartei. "Wir sind die Partei des gesamten deutschen Volkes", heißt es in der Präambel. Wer seinen Lebensmittelpunkt in Sachsen-Anhalt habe, sich integrieren wolle, die deutsche Sprache erlernen und die deutsche Kultur verstehen wolle, der werde mit ganzer Kraft unterstützt.
Gleichzeitig griff Landesvorsitzender Reichardt auch die Bundespolitik an. "Friedrich Merz ist ein Lügner und letzten Endes eine Schande für Deutschland", sagte Reichardt. Überschattet wurde der Parteitag von internen Streitigkeiten im Vorstand der Partei. So lagen Abwahl-Anträge gegen den Generalsekretär der Partei, Jan Wenzel Schmidt, und Vorstandsmitglied Kay-Uwe Ziegler vor. Ihnen wurde unter anderem eine "Vielzahl manipulativer und skrupelloser Methoden" sowie Vertrauensverlust vorgeworfen.
Beide Parteimitglieder sind Bundestagsabgeordnete und gewannen bei der Bundestagswahl vor einer Woche ihre Direktmandate. Schmidt kündigte bereits in der vergangenen Woche seinen Rückzug aus dem Amt an, Ziegler wurde nach intensiver Debatte aus dem Amt abgewählt. Beide Posten bleiben nach Angaben eines Parteisprechers bis zu einem späteren Parteitag unbesetzt.
Bildunterschrift: Interne Streitigkeiten im Vorstand wurden auch auf dem Landesparteitag der AfD diskutiert.
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Deutsche Welle, 02.03.2025:
AfD im Bundestag: "Wir müssen uns Sorgen machen"
Hans Pfeifer
Nach der Bundestagswahl wächst der Einfluss der radikal rechten Partei AfD in Deutschland. Verfassungsrechtler warnen vor Angriffen auf die Demokratie.
Donald Trump, Elon Musk, Javier Milei - Politik im Jahr 2025 ist laut und grell und sorgt mit Donnerhall und Motorsäge für Schlagzeilen. Auch in Deutschland.
Hier treibt die Alternative für Deutschland, AfD, Gesellschaft und Medien vor sich her. Mit Provokationen, Anfeindungen und produzierter Dauererregung. Die AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel zeichnet ein dauer-düsteres Bild von Deutschland. "Diese Regierung hasst Deutschland" beschwor die AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel im Jahr 2024. Migranten in Deutschland beschimpfte sie schon mal als "Kopftuchmädchen" und "Messermänner". Der Lärm produziert Schlagzeilen. Schlagzeilen produzieren Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit produziert Erfolg. Erfolg produziert neuen Lärm - die rationale Aufmerksamkeitsökonomie der rechten Strategen.
Die konkrete Abwertung und Ausgrenzung von Menschen steht in Konflikt mit einem der elementaren Grundwerte der offenen, pluralistischen Gesellschaft: das Recht auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz. Es ist ein zentraler Grundsatz in der deutschen Verfassung: "Niemand darf wegen seiner Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."
Wenn Verfassungsrechtler vor der AfD als einer Gefahr für die Demokratie warnen, dann ist es vor allem wegen der Frage nach der Gleichbehandlung der Menschen. "Der Kern ist der Angriff der AfD auf die gleiche Freiheit der Menschen", analysiert Matthias Goldmann im Gespräch mit der DW. Goldmann ist Professor für internationales Recht an der EBS Universität im Bundesland Hessen. Er sieht in der Partei eine Gefahr für die Demokratie. "Die Verfassungswidrigkeit ergibt sich vor allem daraus, dass die AfD den Grundsatz der gleichen Freiheit nicht teilt. Die Verfassung garantiert In Deutschland die gleiche Würde der Menschen und dementsprechend auch die gleiche Freiheit."
AfD-Bundestagsabgeordneter: "individuelle Verfassungsfeindlichkeit"
Das stellen viele AfD-Politiker allerdings in Frage. Einer von ihnen ist Stefan Möller. Er ist jetzt Bundestagsabgeordneter für die AfD. Die Menschen in seiner Thüringer Heimat haben ihn mit überragendem Ergebnis zu ihrem Abgeordneten gewählt. Möller ist ein freundlicher und verbindlicher Mensch. Eher unscheinbar als ein Lautsprecher. Aber laut Presseangaben urteilt der der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes über Möller: seine "individuelle Verfassungsfeindlichkeit" sei erwiesen.
Das belegt auch ein Post von Möller vom 17. Juli 2023 auf Twitter: "Ob man Deutscher ist entscheidet sich zwischen den Ohren, nicht auf dem Papier." Möller stellt also die Zugehörigkeit von deutschen Staatsbürgern zum deutschen Staatsvolk grundsätzlich in Frage - für ihn gilt offensichtlich nicht, dass Deutscher ist, wer einen deutschen Pass besitzt. Das ist ein Frontalangriff auf die Grundwerte der Gesellschaft.
Und es ist der Grund, warum Millionen Menschen den Aufstieg der AfD fürchten. Weil sie Millionen Menschen aus Deutschland raus haben will. Und die Grenzen für die genauen Kriterien bewusst unscharf hält. Aber immer wieder sind auch Deutsche von den Deportationsphantasien der AfD betroffen: So wollte der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland zum Beispiel die ehemalige Bundestagspräsidentin Aydan Özoguz "in Anatolien entsorgen".
Und der einflussreiche AfD-Politiker Björn Höcke träumt in seinem Buch "Nie zwei Mal in denselben Fluss" von einem "groß angelegten Remigrationsprojekt". Das werde nicht ohne "wohltemperierte Grausamkeiten" auskommen, schreibt Höcke. "Das heißt, dass sich menschliche Härten und unschöne Szenen nicht immer vermeiden lassen werden."
Der Jurist Matthias Goldmann sieht in den Angriffen auf die Staatsangehörigkeit auch eine Gefahr durch die neu gewählte starke Bundestagsfraktion der AfD. "Da gibt es ja den Vorschlag, dass man bei bestimmten Straftaten, die von Migranten begangen werden, die doppelte Staatsbürgerschaft entziehen könnte", erklärt Goldmann im DW-Interview.
Angriff auf den demokratischen Grundkonsens
Die AfD habe es geschafft, dass solche Vorschläge mittlerweile schon von der Mitte der Gesellschaft diskutiert werden, so Goldmann. Er sieht darin eine Strategie der AfD. "Eine radikale Partei kann dann das Zusammenspiel unterminieren, in dem sie zum Beispiel Angebote für die konservativen Unionsparteien attraktiv macht und damit die Brandmauer zerstört." Das Ziel solcher Angebote sei es, den demokratischen Grundkonsens zu unterminieren.
Noch ist die AfD nicht stark genug, um im neu gewählten Bundestag eine weitreichende Blockade-Politik zu betreiben. Aber so weit entfernt ist sie davon auch nicht mehr. Zur Zeit hält die AfD knapp ein Viertel aller Mandate im Parlament. Mit einem Drittel der Abgeordneten-Stimmen könnte sie zum Beispiel die Besetzung wichtiger Richter-Posten blockieren.
Die AfD profitiert davon, dass sich die Warnungen vor der Partei abzunutzen scheinen. Viele Menschen in Deutschland haben sich an die Dauer-Provokationen gewöhnt. So wie viele US-Amerikaner sich an Donald Trump gewöhnt haben. Als haltlose Panikmache wehren AfD-Politiker solche Vorwürfe ab. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel dreht den Spieß um, und wirft den anderen Parteien vor, eine Gefahr für die Demokratie zu sein: "Sie machen Politik gegen die Bevölkerung", kritisierte sie in einer Bundestagsdebatte im Februar 2025.
Dabei setzt die Partei ihre radikale Einflussnahme längst in die Praxis um. Im kleinen Bundesland Thüringen, aus dem Stefan Möller für die AfD in den Bundestag einzieht, hat die AfD es geschafft, die so genannte Sperrminorität zu erreichen: sie stellt mehr als ein Drittel aller Landtagsabgeordneten. Seit Wochen verhindert die AfD mit ihrer Sperrminorität die Wahl neuer Richter und Staatsanwälte im Bundesland. Und streut damit Sand ins Getriebe der funktionierenden Demokratie. Matthias Goldmann sagt: "Man kann sich an drei Fingern abzählen, was da der Hintergrund ist: die AfD möchte Einfluss auf die Justiz nehmen."
Einer der versiertesten Strippenzieher der Thüringer AfD ist Torben Braga. Als parlamentarischer Geschäftsführer hat er zahlreiche parlamentarische Schachzüge gegen die verhassten "Kartellparteien", wie die AfD die politischen Gegner beschimpft, vorbereitet. Jetzt sitzt der junge Jurist im Deutschen Bundestag.
Matthias Goldmann warnt vor der neuen Stärke der AfD im deutschen Parlament. "Sie hat jetzt mehr Möglichkeiten als vor der Bundestagswahl, die demokratische Mitte zu spalten. Wie auch sechzehn weitere Verfassungsrechtler unterstützt er ein Verbotsverfahren gegen die Partei vor dem höchsten deutschen Gericht, dem Bundesverfassungsgericht.
Bildunterschrift: AfD-Chefin Alice Weidel.
Bildunterschrift:Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht - der Bundestag hat Hürden für eine mögliche Einflussnahme von Demokratie-Feinden erhöht.
Bildunterschrift: Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender der Alternative für Deutschland, AfD.
Bildunterschrift: 152 Abgeordnete: die neu gewählte AfD-Bundestagsfraktion am Tag ihrer ersten Fraktionssitzung am 25. Februar 2025.
Bildunterschrift: AfD-Bundestagsabgeordneter Torben Braga im Jahr 2015: er trägt die Farben der rechtsextremen Studentenverbindung Marburger Burschenschaft Germania.
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n-tv.de, 02.03.2025:
Die Wahl, die AfD und der Osten / Die Verletzung, die die Ossis nicht so schnell verzeihen werden
02.03.2025 - 08.35 Uhr
Ein Gastbeitrag von Jakob Springfeld
Bei der Bundestagswahl erreicht die AfD ein so starkes Ergebnis wie nie zuvor - auch im Westen der Republik. Im Osten knackt die Partei aber reihenweise die 40-Prozent-Marke und gewinnt fast alle Wahlkreise. Die Radikalisierung in Ostdeutschland wird immer krasser. Das hat Gründe.
Seit der Bundestagswahl wissen wir, was wir längst ahnten: Deutschland ist mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung wieder politisch geteilt. Abermals diskutiert das vom Westen dominierte Land: Was ist nur los im Osten? Wieso ticken die Ossis, wie sie ticken? Ich kann es nur bruchstückhaft erklären. Was ich aber weiß: Die Radikalisierung der Rechten in Ostdeutschland wird immer krasser, das extrem rechte Gedankengut sickert immer tiefer in die Mitte der Gesellschaft.
Wenn ich in Schulen lese, erlebe ich oft Folgendes: Die laute, scharf rechte (Noch-) Minderheit sorgt dafür, dass die demokratische, ohnehin leise Mehrheit ihre Klappe hält. Was neu ist? Nicht mehr "nur" queere, geflüchtete oder "alternative" Kids werden zur verbalen oder körperlichen Zielscheibe radikalisierter Rechter, sondern auch die "politisch Neutralen", die sich aus allem raushalten. Wer sich nicht klar auf die Seite der AfD stellt und damit auf die Seite von "Männlichkeit", "Anti-Woke" und "Stärke", wird immer schneller zum Opfer.
Dieser Kulturkampf - und das ist das Fatale - wird gerade im Osten schon lange nicht mehr nur von der AfD betrieben: gegen Gendern, "hässliche" Windräder und Tempolimit zu argumentieren, ist keinesfalls per se ultrarechts, aber in vielen ostdeutschen Regionen breiter Konsens, was den rechtsextremen Kräften in die Hände spielt, um eine menschenfeindliche und spaltende Agenda zu verfestigen und in die Köpfe der Bevölkerung zu setzen. Was besonders bedauerlich ist: Die ostdeutsche CDU läuft der AfD hinterher, passt sich an und rückt selbst immer mehr nach rechts - die Brandmauer ist nur noch eine Hecke.
Ostdeutschland im Wahlkampf rechts liegen gelassen
Wenn viele, keineswegs alle, CDUler der AfD nach dem Mund reden, wirkt die AfD wie ein konsequenterer, ehrlicherer und effizienterer Player - vor allem dort, wo sich eine kollektive Abstiegsangst, die mal berechtigt und mal unberechtigt sein mag, auszubreiten scheint. Viele Ossis kennen dieses Abstiegsgefühl aus ihren Biografien und es wäre ein Irrtum zu glauben, dass sich dieses Gefühl nicht auch auf meine Generation überträgt. Wenn mein Papa und seine Kollegen um ihren Job bei Volkswagen in Zwickau bangen müssen, dann macht dieses Bangen keinen Halt vor uns Jüngeren. Gerade abgehängte und einsame Männer unter 30 treibt das zur Weißglut und im Zweifel in die Hände der AfD oder zu Neonazi-Parteien.
Auf der einen Seite finde ich es zum Kotzen, wenn Ostdeutsche mit bestehenden Ost-West-Ungleichheiten (geringere Löhne, Erben und Repräsentanz) die Wahl von AfD und BSW legitimieren wollen, während es den meisten von ihnen besser geht als vor 35 Jahren. Auf der anderen Seite kann es eben auch keine Lösung sein, diese bestehenden Ungerechtigkeiten zu ignorieren und auszusparen. Ostdeutschland hat im bundesdeutschen Wahlkampf demokratischer Parteien kaum eine Rolle gespielt und das ist eine riesige Verletzung - eine Verletzung, die viele Ossis, ob jung oder alt, nicht so schnell verzeihen werden.
Unter diesen Gesichtspunkten halte ich es übrigens für völlig absurd, dass sich die Bundesspitze der Union Sonntagabend in Feierlaune suhlte. Die Ost-Ergebnisse der CDU sind keinesfalls ein Erfolg! Sogar Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, ein Christdemokrat, hat das verstanden. Für mich spricht das dafür, dass der Osten viel zu vielen Westdeutschen offensichtlich mal wieder herzlich egal war, obwohl der erneute Rechtsruck auch vor Westdeutschland keinen Halt gemacht hat. Hier verfahren die etablierten Parteien wie eh und je: Die Wahlen werden im Westen gewonnen, also lassen wir den Osten links oder vielmehr rechts liegen. Dabei hinkt der Westen dem Osten bei der AfD-Zustimmung nur einige Jahre hinterher. Es ist nur, wenn Merz und Co. das nicht endlich verstehen, eine Frage der Zeit, bis der Westen dort ist, wo der Osten längst ist.
46,7 Prozent in Görlitz
Signale, die mehr als Alarmzeichen sind, gibt es schon. In Kaiserslautern und Gelsenkirchen konnte die AfD mit 24,7 und 25,9 Prozent die meisten Zweitstimmen gewinnen. Klar, im Gegensatz zu satten 46,7 Prozent etwa in Görlitz wirkt das hanebüchen, doch Westdeutsche sollten aufhören, sich sozusagen in Sicherheit zu wähnen. Erstens, weil die hohe AfD-Zustimmung im Osten auch auf sie politische Auswirkungen haben wird, und zweitens, weil wir uns ein Verantwortungsgefühl, das an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze endet, schlicht nicht mehr leisten können. Ich als Sachse kann nur sagen: Kaiserslautern und Gelsenkirchen geht den Osten genauso an wie den Westen Görlitz. Die AfD ist im gesamten Bundesgebiet auf dem Vormarsch und der erhobene Zeigefinger auf bestimmte Landesteile verharmlost die gesamtdeutsche Demokratie-Krise.
Die Erfahrungen, die ich an ostdeutschen Schulen mache, sind weitaus brisanter als die im Westen. Es wäre also falsch, die Festsetzung des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland auf eine Stufe zu stellen. Andererseits kann es doch nicht sein, dass die Empörung Westdeutscher über Städte im Osten mit mehr als 20 Prozent Wähleranteil der AfD heute ausbleibt, während die Partei im Westen ähnliche Ergebnisse einfährt. Klar, die Ost-AfD ist mit ihren mittlerweile knapp 40 Prozent bedrohlicher als anderswo. Doch bei der diesjährigen Bundestagswahl hat die AfD vor allem in Westdeutschland gewonnen - und das übrigens meist dort, wo die wenigsten "Ausländer" leben. Wer all diese Parallelen der Entwicklung übersieht, könnte eines Tages in einem Land aufwachen, das nichts mehr mit der Bundesrepublik von heute zu tun hat.
Bildunterschrift: Jakob Springfeld, Jahrgang 2002, kommt aus Zwickau und kämpft gegen Rechtsextremismus. Gemeinsam mit dem Journalisten Issio Ehrich hat Springfeld das Buch "Unter Nazis. Jung, ostdeutsch, gegen Rechts" verfasst.
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Münchner Merkur Online, 02.03.2025:
"Lassen uns nicht einschüchtern": Angriff auf Linken-Büro in Regensburg - Jetzt ermittelt der Staatsschutz
02.03.2025 - 07.24 Uhr
Von: Stefan Aigner
Ein Unbekannter warf eine Flasche in die Scheibe des Büros der Partei. Die Polizei vermutet ein politisches Motiv.
Regensburg. "Wir lassen uns nicht einschüchtern", sagt Arnold Wiebe, Kreissprecher der Linken in Regensburg. Doch geschockt sei man schon. Am Mittwochabend, kurz nach 20 Uhr, warf eine unbekannte Person eine Sektflasche gegen die Frontscheibe des Linken-Büros in der Obermünsterstraße.
Flaschenwurf auf Linken-Büro: 1.000 Euro Schaden
Die äußere Scheibe zerbrach. Die herbeigerufene Polizei schätzte den Schaden auf etwa 1.000 Euro. Ein naheliegendes Motiv: Jeden Mittwochabend öffnet die Regensburger Linke ihr Büro für eine Tauschaktion im Zusammenhang mit der Bezahlkarte für Geflüchtete. Betroffene - Asylbewerber, deren Verfahren noch läuft, die nicht oder noch nicht anerkannt oder ausreisepflichtig sind und monatlich nur 50 Euro Bargeld erhalten - können dort Gutscheine, die sie mit der Karte gekauft haben, gegen Bargeld eintauschen.
An diesem Abend nutzten etwa 50 Personen das Angebot, berichtet Wiebe. Zum Zeitpunkt des Flaschenwurfs waren jedoch keine Geflüchteten mehr vor Ort. "Wir saßen noch zu sechst drinnen, als es plötzlich einen Riesenknall gab."
Nach Flaschenwurf auf Linken-Büro: Staatsschutz ermittelt
Draußen fand man die Flasche, die bei der Attacke unversehrt blieb. Sie liegt nun bei der Spurensicherung der Polizei. Mehrere junge Frauen auf der Straße hätten eine Person im Mantel weglaufen sehen, sagt Wiebe. "Zum Glück ging nur die äußere Scheibe zu Bruch. Wäre die Flasche auch durch die zweite Scheibe gedrungen, hätte jemand verletzt werden können." Es sei der erste Angriff dieser Art auf das Büro seit der Gründung der Linken in Regensburg.
Eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Oberpfalz bestätigt, dass die Ermittlungen laufen - zunächst wegen Sachbeschädigung. Der Fall wurde an die Abteilung für Staatsschutz, Kommissariat 5, übergeben, da ein politisches Motiv wahrscheinlich sei.
Politisches Motiv? Linke beteiligt sich an Tauschaktion zur Bezahlkarte
Die Kartentausch-Aktion in Regensburg hatte überregional Aufmerksamkeit erregt und war ins Visier rechter und rechtsextremer Medien geraten. Unter der Leitung des früher in Regensburg lebenden AfD-Aktivisten Vadim Derksen veröffentlichte etwa die neurechte "Junge Freiheit" eine angebliche "Undercover-Recherche". Darin präsentierte der "Social Media-Chef" des Blatts öffentlich bekannte Fakten als Enthüllung eines linksextremen Netzwerks.
Auch der wiedergewählte CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Aumer nutzte das Thema Bezahlkarte, um sich als Hardliner seiner Partei zu profilieren. Trotz gegenteiliger Einschätzungen der Justiz bezeichnete er die Tauschaktionen wiederholt als illegal und stützte sich dabei nachweislich auf falsche Fakten und Zahlen, um die Bezahlkarte zu rechtfertigen.
Tauschaktion: CSU-Abgeordneter übte Kritik mit falschen Zahlen
Mit seiner Kriminalisierung der Tauschaktion geht Aumer deutlich weiter als Parteifreunde oder das CSU-geführte bayerische Justiz- und Innenministerium. Diese kritisieren die Aktionen zwar scharf, erklären sie aber ausdrücklich nicht für illegal. Aumer rechtfertigte seine Aussagen in der Vergangenheit mit der Bemerkung, das sei eben "seine Meinung".
Im Linken-Büro lässt man sich weder von Aumers Kritik noch vom Angriff abschrecken. "Wir machen weiter", sagt Arnold Wiebe.
Bildunterschrift: Bei dem Angriff ging die äußere Scheibe der Doppelverglasung zu Bruch.
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