2 Artikel ,
03.02.2025 :
Pressespiegel überregional
_______________________________________________
Übersicht:
MiGAZIN, 03.02.2025:
Erinnerung an 1993 / Prozess um vierfachen Mord: Solinger Brandstifter gesteht
MiGAZIN, 03.02.2025:
Sachsen / Drittklässler: "Bei uns ist jetzt die AfD stärkste Kraft, da könnt Ihr eure Koffer packen"
_______________________________________________
MiGAZIN, 03.02.2025:
Erinnerung an 1993 / Prozess um vierfachen Mord: Solinger Brandstifter gesteht
03.02.2025 - 17.00 Uhr
Der mutmaßliche Bandstifter von Solingen legt überraschend ein umfassendes Geständnis ab. Bei einem der von ihm gelegten Feuer starb eine türkeistämmige Familie aus Bulgarien. Die Tat hatte Erinnerung an 1993 geweckt.
Von Frank Christiansen
Im Prozess um einen vierfachen Mord in Solingen hat der Angeklagte überraschend die tödliche Brandstiftung und zwei weitere versuchte Brandstiftungen gestanden. Vor der tödlichen Brandstiftung habe er Drogen konsumiert, sagte sein Verteidiger am Wuppertaler Landgericht für ihn aus. Als Motiv nannte er "Stress mit der Vermieterin". Die Tat hatte Erinnerungen an den rechtsextrem motivierten Brandanschlag vor 31 Jahren in derselben Stadt geweckt und Spekulationen über ähnliche Motive ausgelöst.
Dem 40-Jährigen sei beim Prozessauftakt bei der Begegnung der Angehörigen, die als Nebenkläger auftreten, klar geworden, wie viel Leid er verursacht habe. Deswegen habe er sich kurzfristig zu dem umfassenden Geständnis entschlossen.
"Einfach durchgedreht"
Auch eine Attacke mit einer Machete, bei der er etwa zwei Wochen später versuchte, einen Bekannten zu skalpieren, gestand er. Die Verantwortung für die tödliche Brandstiftung habe da auf ihm gelastet. Er sei an dem Tag "einfach durchgedreht".
Bei dem tödlichen Feuer am 25. März vergangenen Jahres in Solingen starb eine bulgarische Familie im Dachgeschoss. Weil das hölzerne Treppenhaus brannte, war der Fluchtweg versperrt. Die 28 und 29 Jahre alten Eltern und ihre beiden Töchter im Alter von drei Jahren sowie wenigen Monaten wurden getötet.
Brennbare Flüssigkeit im Bad
Der 40-jährige Deutsche wohnte selbst im Hinterhaus, bis er die Kündigung bekam. Niemand habe vermutet, dass er der Brandstifter sein könnte. Eine Nachbarin beteuert, sie habe es nicht glauben können, als sie das zum ersten Mal gehört habe. Beim Entrümpeln seiner Wohnung, mit der sie beauftragt gewesen sei, habe sie allerdings Flaschen mit brennbarer Flüssigkeit in seinem Bad gefunden.
Außerdem sei er einmal auf die damals schwangere Vermieterin losgegangen, als es Streit um Mietschulden gegeben habe. Die Vermieterin habe sich aus Angst in der Wohnung ihrer Eltern verschanzt, sagte die Zeugin.
Ihr Ehemann kämpfte mit den Tränen, als er zu der Brandnacht befragt wurde. Er frage sich ständig, warum er die beiden Kleinkinder nicht habe retten können. "Das Bild von dem kleinen Mädchen geht mir nicht aus dem Kopf." Als der Alarm der Rauchmelder losging, habe er zunächst an einen Fehlalarm gedacht, weil jemand im Haus geraucht habe.
Dachfenster zugenagelt
Er sei vor dem Brand mehrfach für Reparaturen im Auftrag der Vermieterin in der Wohnung der getöteten Familie gewesen. Dabei habe er gesehen, dass der Mieter die alten, undichten Dachfenster zugenagelt habe.
Der Brand Ende März vergangenen Jahres hatte Erinnerungen an den mörderischen Brandanschlag von Neonazis in Solingen 1993 geweckt. Die Nationalität der Bewohner habe für seinen Mandanten 2024 aber keine Rolle gespielt, erklärte der Verteidiger nun. Der Geständige und Macheten-Angreifer muss sich in Wuppertal wegen vierfachen Mordes und Mordversuchen an bis zu 21 Menschen vor Gericht verantworten.
Schutzbehauptung?
Beobachtern zufolge sind sowohl die Behauptung, die Nationalität der Bewohner habe keine Rolle gespielt, als auch die Geständnisse nur Schutzbehauptungen, um das Strafmaß abzumildern. Es gebe Indizien, die dafür sprechen.
In dem Haus war bereits früher ein Feuer gelegt worden, das rechtzeitig gelöscht wurde. In einem anderen Haus wurde nach einer versuchten Brandstiftung ebenfalls die DNA des Angeklagten am Brandsatz sichergestellt. Auch diese Taten im November 2022 und im Februar 2024 räumte der Solinger ein. In beiden Gebäuden hielten sich zur jeweiligen Tatzeit Menschen auf, die damals aber nicht zu Schaden kamen. An zwei Brandsätzen war seine DNA sichergestellt worden.
Macheten-Angriff
Die Ermittler hatten bereits einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Verdächtigen beantragt, als sich in Solingen am 8. April die Macheten-Attacke ereignete: Mit zwei wuchtigen Hieben soll der Deutsche versucht haben, einem fünf Jahre älteren Mann die Kopfhaut abzutrennen, ihn also zu skalpieren. Das Opfer überlebte schwer verletzt.
Eine Bekannte des Opfers berichtete, dieses habe dem Angeklagten 200 Euro für Marihuana gezahlt, sei von ihm aber hingehalten worden. Am Tag der Attacke sollte er die Drogen endlich erhalten, in einem Paket seien aber wohl nur Zeitungskrümel gewesen. In dem Moment sei er angegriffen worden, habe ihr der 45-Jährige erzählt.
Aufnahmen aus Überwachungskameras hatten die Ermittler auf die Spur des 40-Jährigen gebracht: Sie hatten den früheren Mieter in der Brandnacht gleich mehrmals in der Nähe des Brandhauses mit Rucksack aufgezeichnet - als einzigen in der fraglichen Zeit.
Das Gericht hat für den Fall bis Mitte März zehn Verhandlungstage angesetzt. (dpa/mig)
Bildunterschrift: Haus in Solingen nach dem Brandanschlag.
_______________________________________________
MiGAZIN, 03.02.2025:
Sachsen / Drittklässler: "Bei uns ist jetzt die AfD stärkste Kraft, da könnt ihr eure Koffer packen"
03.02.2025 - 13.55 Uhr
Migrationsberater helfen in der neuen Heimat. Doch manchmal fühlen sie sich selbst fremd. Die Hemmschwelle sinkt, vieles wird sagbar. Experten warnen: "Die Bedrohungslage hat sich verstärkt."
Von Jörg Schurig
Ein Busfahrer lässt Migranten-Kinder an der Haltestelle stehen und nimmt sie nicht mit. In Schulen werden Kinder aus Flüchtlingsfamilien gern auch mal gemobbt, körperliche Auseinandersetzungen bleiben nicht aus. In einer Schule in Meißen sagt ein Drittklässler zu einem Mitschüler mit ausländischen Wurzeln: "Bei uns ist jetzt die AfD stärkste Kraft, da könnt ihr eure Koffer packen."
Bedrohungslage hat sich laut Diakonie verstärkt
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Migrationsberatung berichten von solchen Fällen und sind zunehmend besorgt: "Die Bedrohungslage hat sich verstärkt. Es gab schon immer eine Bedrohung der Migranten. Die haben das aber meist nicht erzählt. Jetzt erzählen sie es", sagt Kerstin Böttger, Referentin der Diakonie für die Bereiche Asyl, Flucht und Migration. Die Hemmschwelle sinkt. "Manche meinen, jetzt alles sagen zu können."
Aggressionen gegenüber Flüchtlingen sind aber nur eine Seite der Entwicklung. Auch ihre Beraterinnen und Berater sind Anfeindungen ausgesetzt. "Manche Mitarbeiter hätten den Eindruck, sich für ihre Arbeit ständig rechtfertigen zu müssen. Sie erzählen selbst ihren Bekannten nicht mehr, wo sie arbeiten. Man vermeidet das Thema", betont Diakonie-Sprecherin Nora Köhler. Auch Drohbriefe und Hundekot vor der Tür habe es schon gegeben.
Berater brauchen oft selbst eine Beratung
"Man merkt, es wird unangenehmer", sagt Köhler. Die Mitarbeiter brauchten inzwischen oft selbst eine Beratung, müssten psychosozial gestärkt werden. "Wenn wir Fachtage machen, stehen Workshops auf dem Programm, wie man am besten mit dem wachsenden Druck umgeht." In diesem Jahr soll es eine Landeskollekte geben, um Menschen, die haupt- und ehrenamtlich für Geflüchtete da sind, mit diversen Weiterbildungsangeboten zu unterstützen.
Dennoch ist die zunehmende Verrohung in der Gesellschaft nur ein Problem, mit dem sich die Migrationsberatung auseinanderzusetzen hat. Auch finanzielle Unsicherheit bringt die Träger selbst in Not. "Das Zermürbende ist, dass wir jedes Jahr Lobbyarbeit für unsere Arbeit machen müssen. Die Leute müssen jedes Jahr um ihre Stellen kämpfen, obwohl das eigentlich gar nicht ihre Aufgabe ist", beschreibt Böttger eine andere Form von Rechtfertigung.
Träger beklagen finanzielle Unsicherheit
Gerade jetzt, wo es im Freistaat noch keinen beschlossenen Doppelhaushalt gibt und auch soziale Vereine am Gängelband der vorläufigen Haushaltsführung agieren müssen, ist der Unmut groß. "Wir brauchen einen finanziellen Aufwuchs, haben seit Jahren aber stagnierende Zuweisungen und müssen zudem Tarif-Steigerungen ausgleichen. Die Träger müssen die Programme mit Eigenmitteln kofinanzieren. Wir bekommen das nicht mehr gestemmt."
Dabei sprechen die Zahlen für sich. Die Diakonie leistet in Sachsen an sechs Orten eine so genannte MBE - Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte. Dazu kommen noch sieben Beratungsstellen für den Jugendmigrationsdienst (JMD). Der Bedarf ist gestiegen, das Personal nicht. 2019 gab es in der MBE 2.536 Fälle, 2024 bis Dezember bereits 3.928. Beim JMD stieg die Zahl im gleichen Zeitraum von 2.637 auf 2.984.
Wartelisten für Beratung
"Es wird nicht weniger. Auf eine Beraterin oder einen Berater kommen sehr viele Fälle, das ist kaum noch zu schaffen. Wir müssen nach einem Bestellsystem verfahren und mit Wartelisten arbeiten", betont Böttger. Die wichtigsten Themen seien Arbeit und Sprache. "Alle, die zu uns kommen, wollen sich in irgendeiner Form einbringen. Junge Leute fragen nach einer Ausbildung." Die Bürokratie wirke erschwerend.
"2025 machen wir das seit 20 Jahren. Wir brauchen eine Migrationsberatung als regelmäßiges Angebot, das gesetzlich verankert ist. Wir müssen weg aus Projekten. Der Bedarf ist da", stellt Köhler klar. Auch wenn Fachkräfte kämen, sei Beratung nötig. Sie brächten ihre Kinder mit, benötigten Wohnungen, der Partner müsse vielleicht einen Sprachkurs machen: "Die Strukturen sind da, wir brauchen aber eine gesicherte Finanzierung."
Beratungsangebote stehen vor dem Aus
Bei steigenden Eigenmitteln sei das in diesem Jahr aber überhaupt noch nicht klar, sagt Köhler. Das könne dazu führen, dass einzelne Träger aufgeben müssten. "Dann gibt es das Angebot nicht mehr." Vielleicht müssten Träger schon Mitte des Jahres die Reißleine ziehen. "Für Migranten sind wir der erste Ansprechpartner, sind wir die Verlässlichen. Dabei brauchen wir selbst Verlässlichkeit." (dpa/mig)
_______________________________________________
|