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30.01.2025 :
Pressespiegel überregional
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MiGAZIN, 30.01.2025:
Protestwelle nach Abstimmung / Fällt die Brandmauer der Union af‘d Kopf?
die tageszeitung, 30.01.2025:
AfDler soll Messer gezückt haben
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MiGAZIN, 30.01.2025:
Protestwelle nach Abstimmung / Fällt die Brandmauer der Union af‘d Kopf?
30.01.2025 - 18.20 Uhr
Auf die Union rollt nach der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD eine Protestwelle zu. Bundesweit sind Demos angekündigt. Holocaust-Überlebender will Bundesverdienstkreuz zurückgeben, Promis protestieren - nur Rechtsextremisten jubeln.
Nach der gemeinsamen Abstimmung von Union und AfD im Bundestag für eine verschärfte Migrationspolitik wird bundesweit zu Protesten dagegen aufgerufen. Allein am Donnerstag und Freitag seien deutschlandweit 90 Demonstrationen angemeldet, sagte "Fridays for Future"-Aktivistin Luisa Neubauer am Donnerstag in Berlin. Nach Angaben des Aktionsbündnisses "Widersetzen" sind Kundgebungen unter anderem in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Stuttgart, Köln, Leipzig, Heidelberg und Bremen geplant.
Die Kampagnen-Organisation Campact lädt gemeinsam mit dem DGB Berlin-Brandenburg und "Fridays for Future" für Sonntag zu einer Demonstration durch das Berliner Regierungsviertel ein. Der Aufzug unter dem Motto "Der Aufstand der Anständigen: Wir sind die Brandmauer!" soll um 15.30 Uhr auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude starten und zum Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Parteizentrale, führen, kündigte Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz am Donnerstag an.
"Loch in die Brandmauer gegen rechts geschlagen"
Dazu erwartet würden mehrere Zehntausend Menschen. Angekündigt werden Rednerinnen und Redner von Kirchen, Gewerkschaften, Sozial- und Menschenrechtsverbänden, der Klima-Bewegung sowie Personen des öffentlichen Lebens. Bereit am Mittwochabend hatten etwa 1.000 Menschen vor der CDU-Parteizentrale in Berlin gegen das Vorgehen von CDU-Parteichef Friedrich Merz protestiert.
Die Union hatte zuvor im Bundestag mit den Stimmen der AfD einen Antrag für eine drastische Verschärfung der Asylpolitik durchgesetzt. Am Freitag will die Unionsfraktion zudem über ein so genanntes Zustrombegrenzungsgesetz abstimmen lassen, wo sich das Szenario wiederholen könnte.
Merz habe am Mittwoch im Bundestag ein "großes Loch in die Brandmauer gegen rechts geschlagen", sagte Bautz. Die Antwort auf diesen Tabubruch könne nur ein "Aufstand der Anständigen" sein. Er sei froh, dass sich auch Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "auf unsere Seite gestellt hat", sagte Bautz. Derzeit entstehe eine neue Welle des Protestes aus der Mitte der Gesellschaft heraus, "von Linkspartei- bis Unionswählern". Die frühere CDU-Chefin hatte am Donnerstag erklärt: "Für falsch halte ich es, … sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen."
DGB erinnert an deutsche Geschichte
Klima-Aktivistin Luise Neubauer sagte, Merz sei zu einem "Sicherheitsrisiko für Deutschland und die Demokratie geworden". "Eine Abstimmung mit Rechtsradikalen ist eine Abstimmung mit Rechtsradikalen, da gibt es keine Umdeutungen", sagte sie.
Die Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, Katja Karger, betonte, "für uns als Gewerkschaften ist es auch aus unserer Geschichte heraus wichtig, am Sonntag dabei zu sein". Die Gewerkschaften seien nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 mit die Ersten gewesen, die verboten wurden. Karger warnte die Union davor, liberale Errungenschaften unserer Gesellschaft durch Schnellschüsse zu gefährden.
Bereits am vergangenen Wochenende hatten Campact und "Fridays for Future" vor dem Brandenburger Tor in Berlin ein "Lichtermeer gegen Rechts" mit mehreren Zehntausend Teilnehmern veranstaltet. Eine Übersicht über alle geplanten Demonstrationen bundesweit biete in Kürze die Internetseite zusammen-gegen-rechts.org, hieß es.
Appelle von Holocaust-Überlebenden und Promis
Mit Blick auf die deutsche Geschichte appellierte auch die Holocaust-Überlebende Eva Umlauf in einem Brief an den CDU-Kanzlerkandidaten: "Tun Sie es nicht, Herr Merz." Sie hat als kleines Mädchen das NS-Vernichtungslager Auschwitz überlebt. Was diese Woche im Bundestag geschehe, werde in die Geschichtsbücher eingehen, schrieb Umlauf. "Denn genau so fängt es an, so normalisieren wir die Feinde der Demokratie." Das mache ihr große Angst. "Wir haben alle gesehen, wohin dieser Weg führen kann", so die 82-Jährige.
Der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg hat als Konsequenz an die Abstimmung im Bundestag angekündigt, seinen Bundesverdienstkreuz zurückzugeben. Auch der Mannheimer Fotograf Luigi Toscano, der sich wie Weinberg für ein NS-Gedenken engagiert, möchte es ihm gleichtun und seine Verdienstmedaille zurückgeben. Er werde die ihm verliehene Ehrung zusammen mit Weinberg an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zurückgeben. "Entweder empfängt uns der Bundespräsident oder wir werfen es bei ihm in den Briefkasten", sagte er. Weinberg überlebte drei Konzentrationslager und mehrere Todesmärsche. Seine jüdische Familie wurde von den Nazis fast vollständig ermordet.
Scharfe Kritik erntet das Vorgehen der Union auch aus der Promi-Welt. "Dieser Pakt mit der AfD bedeutet einen historischen Tabubruch", heißt es in einem offenen Brief. Initiatoren des Briefs sind die Schauspieler Luisa Gaffron und Jonathan Berlin. Zu den Unterzeichnenden gehören auch Film- und TV-Stars wie Daniel Brühl, Jella Haase, Karoline Herfurth, Jasna Fritzi Bauer, Maximilian Mundt und viele andere. Die Union sei bereit, "mit den ideologischen Erben der Täter zu beschließen und mit dem historischen Konsens des "Nie wieder" zu brechen. In der Woche des Holocaust-Gedenktages", heißt es in dem Brief.
Mittag Auschwitz-Gedenken, Nachmittag Abstimmung mit AfD
Um 12 Uhr wurde im Bundestag an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 80 Jahren gedacht. Zwei Stunden später machte Merz erstmals in der deutschen Nachkriegsgeschichte den Weg frei für einen Mehrheitsbeschluss mit den Stimmen der AfD.
Reaktionen löste die Abstimmung im Bundestag auch auf internationaler Bühne. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban beispielsweise äußerte sich süffisant zur Abstimmung mit AfD-Hilfe. "Guten Morgen, Deutschland", schrieb der Rechtspopulist in deutscher Sprache auf X. In Englisch fügte er hinzu: "Welcome to the club!" (Willkommen im Club!). Orban betreibt seit 2015 eine Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen. (epd/dpa/mig)
Bildunterschrift: Demo in Dresden gegen Union / AfD-Abstimmung im Bundestag.
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die tageszeitung, 30.01.2025:
AfDler soll Messer gezückt haben
Erst störte ein AfD-Mann das NS-Opfer-Gedenken in Strausberg - dann drohte ein anderer laut Zeugen mit einer Stichwaffe
Von Konrad Litschko
Eskalation auf einer Gedenkveranstaltung an die Opfer des Nationalsozialismus im Brandenburgischen Strausberg: Am Montagabend störte laut Angaben von Teilnehmenden ein AfD-Lokal-Abgeordneter zunächst eine Rede. Ein weiterer AfD-Stadtverordneter soll im Anschluss ein Messer gezückt und Teilnehmende bedroht haben. Die Polizei ermittelt.
Wie in den vergangenen Jahren hatten die Stadt Strausberg und die "Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschistinnen, Antifaschisten" (VVN-BdA) Märkisch-Oderland zum Erinnern an die NS-Opfer geladen - an einem Gedenkstein hinter einem Senioren-Zentrum.
Schon während der Rede eines Vertreters der VVN-BdA, in der dieser auch das AfD-Programm kritisierte, soll der AfD-Lokalpolitiker Horst Baldszus mit Zwischenrufen gestört haben. Nach der Veranstaltung seien drei AfD-Anhänger vor Ort geblieben, berichtete VVN-BdA-Sprecher Samuel Signer der taz. Ein Mann sei dabei verbal aggressiv auf Teilnehmende zugegangen.
Dann sei ein zweiter, junger Mann dazugekommen: der AfD-Stadtverordnete Nikolai S., der das Gespräch weiter eskaliert und Personen geschubst habe. Als S. zurückgewiesen wurde, habe er ein Messer mit etwa 9 Zentimeter langer Klinge gezogen und damit herumgefuchtelt, berichtete eine der bedrohten Personen der taz. Eine Frau aus der AfD-Gruppe sei dann dazwischen gegangen und habe S. zurechtgewiesen.
"Wir sind weggelaufen und haben uns im benachbarten Seniorenheim in Schutz gebracht", sagte eine Augenzeugin der taz. "Die Situation war sehr bedrohlich. Das Messer wurde aus dem Nichts gezogen. Wir wussten nicht, wie es ausgeht." Sowohl ein Betroffener als auch ein Verantwortlicher des Seniorenheims hätten die Polizei gerufen, diese sei auch gekommen. Die Polizei Strausberg bestätigt den Vorfall - ohne den Bezug zur AfD zu nennen. Sie spricht von einer zunächst verbalen Auseinandersetzung zwischen drei Männern. "Nach bisherigen Erkenntnissen hatten unterschiedliche politische Ansichten zum Konflikt geführt", heißt es in einer Mitteilung.
"Wir wussten nicht, wie es ausgeht", sagt eine Augenzeugin
Im Verlauf habe ein Mann dann einen anderen gestoßen und ein Taschenmesser gezogen, das er in Richtung zweier "Kontrahenten" gehalten habe. Die Bedrohten hätten sich der Situation entziehen können. Man habe den 35-jährigen Tatverdächtigen stellen können, ein Messer habe dieser nicht dabei gehabt. Der Staatsschutz ermittle wegen des Vorwurfs der Körperverletzung und Bedrohung.
Samuel Signer nannte bereits die Störung der Gedenkveranstaltung durch die AfD "eine neue Qualität". Die anschließende Bedrohung mit einem Messer müsse Konsequenzen haben, forderte er. Die Bürgermeisterin und die demokratischen Fraktionen im Stadtparlament müssten den Vorfall "auf das Entschiedenste verurteilen".
Dorothea Barthels, aktiv bei den Grünen und den Omas gegen Rechts, nannte die Störung der Gedenkrede "eine unfassbare Respektlosigkeit". Die übrigen Zuhörenden seien ebenfalls aufgebracht gewesen. Auch Lolita Klemm, Tochter von Widerstandskämpfern gegen den NS, die vor Ort war, ist empört. Seit den frühen Neunziger Jahren habe sie solche Gedenkveranstaltungen organisiert. "So etwas ist noch nie passiert."
Der AfD-Stadtverordnete Nikolai S. wollte sich auf taz-Anfrage nicht äußern. Laut dem Vorsitzenden des AfD-Kreisverbands Märkisch-Oderland, Falk Janke, hat S. jedoch am Mittwoch schriftlich seinen Parteiaustritt erklärt, nachdem ihm der Vorstand dies nahegelegt habe.
Jens-Christian Wagner, Stiftungsleiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, schrieb auf "X", dass AfD-Leute Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Nationalsozialismus störten, sei nichts Neues. Eine Bedrohung mit einem Messer sei dagegen "eine neue, gefährliche Qualität", die "strafrechtliche Konsequenzen" haben müsse.
Am Mittwochabend wollte die AfD in Strausberg eine Bürgerversammlung abhalten. Die VVN-BdA kündigte Proteste an. Das sei nach dem Messer-Vorfall dringender denn je, so Samuel Signer zur taz.
Bildunterschrift: Die 30.000-Einwohner-Stadt Strausberg liegt im Landkreis Märkisch-Oderland.
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