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26.01.2025 :
Pressespiegel überregional
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MiGAZIN, 26.01.2025:
80 Jahre nach Auschwitz / Sorge, "dass unser Land wieder falsch abbiegt"
MiGAZIN, 26.01.2025:
Demos gegen Rechts / Lichtermeer am Brandenburger Tor
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MiGAZIN, 26.01.2025:
80 Jahre nach Auschwitz / Sorge, "dass unser Land wieder falsch abbiegt"
26.01.2025 - 12.19 Uhr
Das Grauen des Holocaust wirklich zu verstehen, fällt heute schwer. Aber wegsehen ist keine Option, findet nicht nur die Überlebende Margot Friedländer. Sie hat eine starke Botschaft.
Von Verena Schmitt-Roschmann
Margot Friedländer ist eine der Letzten, die den Holocaust überlebt haben und noch davon berichten können. "Für mich ist es, als ob es gestern wäre", sagt die 103-Jährige, wenn man sie nach der Befreiung des nationalsozialistischen Vernichtungslagers Auschwitz vor 80 Jahren fragt. "Wir haben es erlebt. Wir sind, wir wissen, was, wie es war."
Sie selbst war damals Gefangene im KZ Theresienstadt. Ihre Mutter und ihr Bruder wurden in Auschwitz ermordet. "Ich habe meine ganze Familie verloren", sagt die zerbrechlich wirkende kleine Frau in ihrer Berliner Wohnung. Auf dem Tisch hinter ihr stehen Preise für ihre Versöhnungsarbeit, ein "Bambi" für ihren Mut, Fotos mit Politikern, ein gerahmtes Titelbild von ihr auf der "Vogue".
Friedländer hat ihre Geschichte oft erzählt, seit sie mit fast 90 Jahren aus dem amerikanischen Exil in ihre Heimat Berlin zurückkehrte. Sie will es weiter tun, auch wenn ihre Stimme brüchig wird. "Weil ich versuche, euch klarzumachen, was gewesen ist, dass wir das nicht mehr ändern können, dass es aber für euch ist, dass es nicht wieder passieren darf. Das ist meine Mission."
Mehr als eine Million Menschen
Am 27. Januar 1945 erreichten sowjetische Soldaten das deutsche Vernichtungslager Auschwitz im von der Wehrmacht besetzten Polen. Sie fanden etwa 7.000 Überlebende. 1,3 Millionen waren in das Lager verschleppt worden. Etwa 1,1 Millionen von ihnen wurden getötet - ermordet in Gaskammern oder erschossen oder zugrunde gerichtet durch Arbeit, Hunger, Krankheit. Unter den Ermordeten waren eine Million Juden. Diese Fakten listet die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau auf. Zum 80. Jahrestag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dort wieder an sie erinnern.
Und doch sind sie kaum zu erfassen im Jahr 2025. "Mehr als eine Million Tote in Auschwitz, ungefähr sechs Millionen Tote des Holocaust: Das sind Zahlen eines monströsen Verbrechens, mit denen niemand etwas anfangen kann", weiß Andrea Löw, Leiterin des Münchner Zentrums für Holocaust-Studien. Verstehen können Nachgeborene vielleicht wirklich nur einzelne Schicksale, wie das der Berlinerin Margot Friedländer, die als junge Frau geächtet, verhaftet und verschleppt wurde. "Das waren Menschen wie Sie und ich, die aus ihrem Leben gerissen wurden", sagt Löw. "Diese Geschichten müssen wir erzählen."
"Taten waren nicht "außerweltlich""
Auschwitz, das ist auch eine Chiffre der deutschen Nachkriegsgeschichte für Scham und Verdrängung, für Erinnerung und Entsetzen. "Ich finde es zunehmend schwierig, davon zu sprechen, die Planung und Durchführung des Holocaust seien "unvorstellbar" oder "nicht zu verstehen"", sagt Deborah Hartmann, Leiterin der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz. Dort berieten hochrangige Vertreter des NS-Regimes 1942 über die Vernichtung der europäischen Juden im industriellen Maßstab.
Dieser Zivilisationsbruch stelle unsere Kategorien infrage, sagt Hartmann. "Heute wird aber mit dem Hinweis auf das "Unvorstellbare" die historische Distanz noch vergrößert." Alle Schritte im bürokratisch geplanten Massenmord ließen sich durchdringen. "Die Taten sind nicht "außerweltlich"", sagt Hartmann.
"Die Menschen wollen davon erfahren"
Der Historiker Hanno Sowade hat die Ausstellung "Nach Hitler" gestaltet, die noch bis Januar 2026 im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen ist. "Es ist eines der schwierigsten Themen, die ich je kuratiert habe", räumt Sowade ein. "Es prägt Deutschland und die Deutschen seit 80 Jahren."
Er spricht von vier Generationen: die "Handlungsträger", die nach dem Krieg vergessen wollten. Die Kindergeneration, die Aufklärung forderte. Die Enkelgeneration, die erinnern will. Und jetzt die vierte Generation. "Das Besondere an dieser vierten Generation ist, dass sie einen sehr großen Anteil von Personen mit Migrationshintergrund hat", sagt Sowade. Der Nationalsozialismus sei nicht unbedingt Teil ihrer Familiengeschichte. "Wir müssen neue Wege der Auseinandersetzung finden."
Am Willen dazu fehlt es aus Sicht des Historikers nicht. Die Ausstellung hatte schon mehr als 50.000 Besucherinnen und Besucher. Tausende haben ihre Gedanken dazu auf kleine Papp-Schmetterlinge geschrieben. "Die Menschen wollen sich mit dem Thema auseinandersetzen, sie wollen davon erfahren."
Wille zur Erinnerung nicht bei allen
Diesen Willen zur Erinnerung erkennt Christoph Heubner an. "Ich sehe Menschen, die sich darauf einlassen", sagt der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, das Überlebende vertritt. "Aber ich sehe auch Menschen, die sagen: Es muss doch endlich mal Schluss sein mit dem Erinnern."
Heubner fände das absurd, gerade heute. "Es gibt eine berechtigte Sorge angesichts der politischen Entwicklung in Deutschland und in Europa, dass unser Land wieder falsch abbiegt und in schwere Wasser gerät, was Rechtsextremismus und populistischen Hass angeht", warnt er.
Seit 26 Jahren Lichterketten
"Nie wieder" wurde zum Schlagwort der Nachkriegsjahre, in West- wie auch in Ostdeutschland. Nie wieder Auschwitz. Nie wieder Faschismus. Nie wieder Krieg. Nie wieder wegschauen und stillhalten. Bis heute gehen dafür immer wieder Tausende Menschen auf die Straße. Die Berlinerin Jutta Kayser etwa organisiert seit 1999 gemeinsam mit anderen die Lichterkette Pankow - seit nunmehr 26 Jahren, immer am Jahrestag der Auschwitz-Befreiung.
Damals protestierten sie gegen die rechten Republikaner. Heute geht es immer noch gegen Rechtsextremismus und Rassismus. "Es bleibt uns nichts übrig, als zu versuchen, etwas dagegen zu tun", meint die 73-jährige frühere Lehrerin. "Wenn man gar nichts macht, dann haben wir vielleicht bald wieder 1933."
Rückblick ist "legitim und wichtig"
Aber ist der Aufschwung rechter, rechtsradikaler, rechtsextremer Ansichten heute wirklich vergleichbar mit damals? "Ich finde es anstrengend und nicht zielführend, wenn immer wieder heutige Politiker mit Hitler verglichen werden", sagt Holocaust-Forscherin Löw. "Aber zu schauen, wo gibt es Parallelen oder Strukturen wie damals, wie haben sich damals rechtsradikale Parteien den Weg in die Regierung gebahnt - das ist legitim und wichtig." Löw nennt ausdrücklich die Wahlkampf-Forderungen nach "Remigration" oder nach Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft für bestimmte Gruppen. "Da gibt es deutliche Parallelen zu den 1930er Jahren."
Die sieht auch die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer. Fragen nach heutigen Parteien oder Wahlergebnissen beantwortet sie nicht gerne. "Ich verstehe nicht sehr viel von Politik", sagt die alte Dame. "Aber ich sage immer: So hat es damals auch angefangen. Seid vorsichtig. Macht es nicht. Respektiert Menschen, das ist doch das Wesentliche." (dpa/mig)
Bildunterschrift: Auschwitz (Archiv).
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MiGAZIN, 26.01.2025:
Demos gegen Rechts / Lichtermeer am Brandenburger Tor
26.01.2025 - 15.45 Uhr
Mit Handy-Lichtern, Taschenlampen, LED-Lichterketten und Kerzen haben Zehntausende Menschen am Brandenburger Tor in Berlin gegen Rechtsextremismus und Angriffe auf die Demokratie demonstriert. Auch in anderen Städten gab es Protest gegen Rechts.
Einen Monat vor der Bundestagswahl sind in verschiedenen Städten Zehntausende Menschen gegen Rechtsextremismus und Angriffe auf die Demokratie auf die Straße gegangen. In Berlin setzte die Kundgebung "Lichtermeer gegen den Rechtsruck" ein Zeichen gegen Rechts und für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mit Schildern, auf denen "Bei Hitlers brennt noch Licht", "Berlin bleibt bunt" oder "Wenn die AfD die Antwort ist, wie dumm war dann die Frage" stand, riefen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Kundgebung am Samstag zur Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten auf.
Die Veranstalter sprachen von rund 100.000, die Polizei von "grob geschätzt“ 35.000 Teilnehmenden. Die Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Anna-Nicole Heinrich, rief bei der Kundgebung am Brandenburger Tor dazu auf, sich für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit einzusetzen und Demokratie-Feinden entschieden entgegenzutreten. Sie betonte, es dürfe nicht geschwiegen werden, wenn Menschen ausgegrenzt, angegriffen oder bedroht werden.
Kirche: Im Wahlkampf bei der Wahrheit bleiben
Heinrich forderte außerdem die Verantwortlichen in der Politik dazu auf, im Wahlkampf nicht auf Hass und Hetze zu setzen, bei der Wahrheit zu bleiben und keine Fakten zu verdrehen. Wer Anstand habe, mache keine gemeinsame Sache mit Rechtsextremen, sondern halte Abstand, "und zwar den größtmöglichen". Die Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer rief dazu auf, gegen Egoismus und für Solidarität einzutreten. Antidemokraten müsse gezeigt werden, dass die Brandmauer gegen sie stehe, sagte sie: "Sie wollen Dunkelheit verbreiten, also machen wir das Licht an."
Die Schriftstellerin Carolin Emcke rief dazu auf, das "Vokabular der Würde" zu verteidigen. "Wir müssen uns die Worte zurückholen", sagte sie. Es gebe "keine Hierarchie von Menschen", keine echten und unechten Bürgerinnen und Bürger oder Normale und Nicht-Normale. "Das ist faschistischer Sprech", prangerte Emcke an.
Gegen Hass und Hetze im Netz
Zu der Kundgebung hatten "Fridays for Future", die Initiative "Eltern gegen Rechts" und die Kampagnen-Organisation Campact aufgerufen. Angekündigt waren rund 10.000 Teilnehmende. Im Aufruf hieß es, die Brandmauer gegen die AfD müsse halten. Alle demokratischen Parteien müssten jede Kooperation mit Rechtsextremen ausschließen. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte Anträge zu Migrationspolitik angekündigt und betont, dass es ihm egal sei, wer zustimmt.
Die Initiatoren fordern die künftige Bundesregierung zudem auf, gegen Hass und Lügen auf den großen Social-Media-Plattformen vorzugehen - "oder sie sonst abschalten". Erforderlich seien auch massive, sozial gerechte Investitionen in die ökologische Transformation des Landes. Der Kampf gegen die Klimakrise und für den Erhalt der Lebensgrundlagen drohe derzeit "in faschistisch-fossiler Propaganda unterzugehen". Die Klimakrise beschleunige die gesellschaftliche Zerrüttung, dies spiele "den Faschisten in die Hände".
Weitere Demos mit zehntausenden Teilnehmern
In Köln gingen ebenfalls am Samstag Zehntausende Menschen gegen Rechtsextremismus und die AfD auf die Straße. "#5vor12 - Laut für Demokratie" lautete das Motto des Demonstrationszuges durch die Kölner Innenstadt. Bei der Bundestagswahl am 23. Februar stehe viel auf dem Spiel, hieß es im Aufruf des Bündnisses "Köln stellt sich quer". Das Bündnis warf der AfD vor, völkisch-nationale, rassistische und antisemitische Hetze zu betreiben. Die populistische Partei verfolge zudem eine unsoziale sowie wirtschafts- und klimafeindliche Programmatik.
Bereits am Freitagabend hatten in Siegen nach Polizeiangaben rund 250 Demonstranten gegen die AfD protestiert. Anlass war ein Neujahrsempfang der in Teilen rechtsextremen Partei in der Bismarckhalle im Ortsteil Weidenau. Die Demonstration verlief friedlich und ohne besondere Vorkommnisse, wie die Polizei mitteilte. (epd/mig)
Bildunterschrift: "Lichtermeer" in Berlin gegen Rechtsextremismus.
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