5 Artikel ,
16.01.2025 :
Pressespiegel überregional
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Übersicht:
Neue Westfälische, 16.01.2025:
Alice Weidels Großvater war Militärrichter unter Adolf Hitler
MiGAZIN, 16.01.2025:
C the Nazis / Europas Kulturhauptstadt Chemnitz ignoriert Rechtsextremismus
die tageszeitung Online, 16.01.2025:
Anschlag auf Weihnachtsmarkt / Magdeburg-Täter suchte Kontakt zur AfD-Jugend
n-tv.de, 16.01.2025:
AfD-Fraktionschef Wichmann will Ministerpräsident werden
Endstation Rechts., 16.01.2025:
Rezension / AfD: Agitation mit dem "Genderwahn"
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Neue Westfälische, 16.01.2025:
Alice Weidels Großvater war Militärrichter unter Adolf Hitler
Hans Weidel lebte 18 Jahre lang in Verl / Seine Enkelin und AfD-Kanzlerkandidatin will ihn kaum gekannt haben
Roland Thöring
Verl. Alice Weidel möchte Bundeskanzlerin werden. Die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte AfD hat sie am vergangenen Wochenende zur Kanzlerkandidatin gewählt. Sie selbst ist aufgewachsen in Harsewinkel (Kreis Gütersloh), eine entscheidende Personalie führt zudem in die Stadt Verl, ebenfalls im Kreis Gütersloh: Ihr Großvater Hans, 1903 im schlesischen Leobschütz (heute Głubczyce) geboren, lebte hier 18 Jahre lang, laut Melderegister von August 1967 bis zu seinem Tod am 8. September 1985. Er war Jurist, Mitglied von NSDAP und SS und während des Krieges als Militärrichter bei der Kommandantur Warschau.
Er spielte eine zentrale Rolle im Dritten Reich. Davon aber will Alice Weidel nichts gewusst haben, wie sie gegenüber Medien erklärte.
Als Hans Weidel 1985 starb, war seine Enkelin Alice sechs Jahre alt. In der Familie sei der Lebenslauf ihres Großvaters nie Thema gewesen, und sie selbst habe "auf Grund familiärer Dissonanzen" keinen Kontakt zu ihrem Großvater gehabt, ließ Alice Weidel ihren Sprecher der Zeitung "Welt" ausrichten, die die NS-Vergangenheit Hans Weidels in den Dokumenten des Bundesarchivs und des polnischen Staatsarchivs recherchiert hat. Mehr will Weidel zu dem Thema offenbar nicht sagen: Auch weitere Nachfragen dieser Zeitung ließ sie unbeantwortet.
Nur einen Tag nach der Veröffentlichung in der "Welt" wurde der Eintrag zu Hans Weidel im Online-Lexikon "Wikipedia", der bis dahin so gut wie keine Beachtung gefunden hatte, dann aber innerhalb von zwei Tagen rund 2.800 Mal aufgerufen worden war, mit der Begründung fehlender Relevanz zur Löschung vorgeschlagen. Inzwischen ist der Eintrag nicht mehr zu finden. Und damit auch nicht die familiäre Verbindung zur AfD-Politikerin Alice Weidel.
In den Archiven findet sich hingegen reichlich Material. Das Bundesarchiv verwahrt gut 450 Seiten über Weidels Großvater. Und auch in den Stadtarchiven Verl und Gütersloh liegt manch Aufschlussreiches zur Person Hans Weidel vor.
Danach war er schon 1932, also im Jahr vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten, der NSDAP beigetreten. Im Januar 1933 wurde er zudem Mitglied der SS. Nach den Recherchen der "Welt am Sonntag" gehörte Hans Weidel zehn verschiedenen nationalsozialistischen Organisationen an. Heeresrichter bei der Kommandantur Warschau war er ab Juli 1941.
Vor der herannahenden Roten Armee floh Hans Weidels Frau Luzia mit ihren beiden Kindern 1945 nach Ostwestfalen, wo Hans Weidel nach drei Monaten Kriegsgefangenschaft zu ihnen stieß.
Die Behörden in der jungen Bundesrepublik ermittelten gleich dreimal gegen Hans Weidel wegen seiner Rolle in der NS-Diktatur. 1948 wurde das Verfahren eingestellt, denn der Staatsanwaltschaft fehlten wichtige Informationen, um Weidels Version vom harmlosen Mitläufer widerlegen zu können. Auch weitere Ermittlungen verliefen ergebnislos.
In Gütersloh eröffnete Hans Weidel 1951 eine Anwalts- und Notarskanzlei und wohnte bis 1967 in der Schledebrückstraße. Fortan arbeitete er am Bild des honorigen Bürgers, der sich für die Rechte anderer stark macht. Auch für die der Vertriebenen, zu denen er sich selbst zählte.
Die in den Stadtarchiven aufbewahrten Zeitungsartikel zu seinen runden Geburtstagen streifen die Zeit zwischen 1933 und 1945 nur. Er leistete "Kriegsdienst und wurde durch die Vertreibung nach Gütersloh verschlagen", heißt es in der Würdigung zum 80. Geburtstag. Mehr hatte Weidel auch zum 70. und 75. Geburtstag nicht zu seiner Vergangenheit zu sagen gehabt.
Bildunterschrift: Hans Weidel war Mitglied der SS.
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MiGAZIN, 16.01.2025:
C the Nazis / Europas Kulturhauptstadt Chemnitz ignoriert Rechtsextremismus
16.01.2025 - 21.38 Uhr
Während Chemnitz sich auf die Eröffnung des europäischen Kulturhauptstadtjahres vorbereitet, melden Neonazis eine Demo an. Ein Bündnis wirft der Stadt vor, rechte Strukturen zu ignorieren. Es werde weggeschaut.
Mit einem ganztägigen Programm startet Chemnitz am Samstag in das europäische Kulturhauptstadtjahr 2025. Parallel zu den Feierlichkeiten sind mehrere Demonstrationen angemeldet, darunter eine der rechtsextremistischen Kleinstpartei "Freie Sachsen", die gegen die Kulturhauptstadt protestieren will.
Aktuell lägen vier Anmeldungen vor, sagte Stadtsprecher Matthias Nowak dem "Evangelischen Pressedienst" am Mittwoch in Chemnitz. Zunächst war von fünf Versammlungen die Rede. Die Initiative "Aufstehen gegen Rassismus" habe ihre Anmeldung jedoch zurückgezogen, sagte Nowak.
Stadt ignoriert rechte Strukturen
Dagegen hält das Bündnis "Chemnitz Nazifrei" an seinem geplanten Protest fest. Das Bündnis will nach eigenen Angaben das Motto der Kulturhauptstadt aufnehmen und unter dem Titel "C the Unseen: Rechte Kontinuitäten brechen" auf die Straße gehen. "Wir lassen nicht zu, dass Rechtsextreme diesen Tag für ihre Hetze nutzen", hieß es.
Zudem wolle das Bündnis, dass die europäische Kulturhauptstadt nicht nur "eine oberflächliche Bühne, sondern auch ein Raum der Auseinandersetzung" sei. Die Stadt wolle sich "im Glanz der kulturellen Vielfalt" präsentieren, ignoriere jedoch "ein zentrales Problem: die rechten Strukturen in Chemnitz".
Es wird "weggeschaut"
Der Titel Kulturhauptstadt sei an Chemnitz vergeben worden, weil die Stadt sich öffentlich mit diesen Herausforderungen und den rechtsextremen Ausschreitungen 2018 auseinandersetzen wollte, erklärte "Chemnitz Nazifrei" weiter. In dieser Verantwortung stehe die Kulturhauptstadt. Jedoch würden Probleme mit rechtsextremistischen Aktivitäten nicht bearbeitet, es werde "vielmehr weggeschaut".
In die gleiche Richtung geht auch die Kritik von Sören Uhle. Vor etwa zehn Jahren hatte er als damaliger Stadtmarketing-Chef die Bewerbung für die Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 mit auf den Weg gebracht. Mit ihrer Bewerbung habe die Stadt damals Mut bewiesen und keinen Hehl aus ihren Wunden gemacht. Im Gegenteil: Sie wurden der Bewerbung vorangestellt. So etwa die Bilder vom Spätsommer 2018, als Chemnitz international wegen rechtsextremer Exzesse für Negativschlagzeilen sorgte. Doch von der Aufbruchstimmung sei nicht mehr viel übrig, urteilt Uhle.
Rechtsextremismus kommt zu kurz
Gemeinsam mit Boris Kaiser gestaltet er wöchentlich den Podcast "Chemnitz be like" zum Umgang mit und den Folgen der rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz 2018. Damals war es nach einem tödlichen Messerangriff am Rande eines Stadtfestes zu tagelangen rechtsextremen Aufmärschen gekommen, Augenzeugen sprachen von "Neonazi-Hetzjagd". Außerdem lebten Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) eine Zeit lang unbehelligt in Chemnitz. Uhle ist überzeugt, dass ohne Aufarbeitung keine Zukunft gestaltet werden kann.
"Die Bewerbung aus Chemnitz ist sehr bodenständig, sie wollte nie Hochglanz sein", urteilt Uhle. Doch das angestrebte hohe Maß an Bürgerbeteiligung habe sich inzwischen minimiert. Dass zudem das Thema Rechtsextremismus in Chemnitz nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit aufgegriffen werde "kann nur schiefgehen" sagt Uhle.
Zehntausende Menschen erwartet
Chemnitz präsentiert sich als Europas Kulturhauptstadt 2025 unter der Überschrift "C the Unseen". Das Ungesehene und Unentdeckte soll in rund 150 Projekten mit etwa 1.000 Veranstaltungen sichtbar werden. Viel Wert wird dabei auf die Beteiligung von Menschen aus der Region gelegt. Das Gesamtbudget beträgt mehr als 90 Millionen Euro.
Zu den Eröffnungsveranstaltungen der europäischen Kulturhauptstadt 2025 werden am Wochenende in Chemnitz mehrere Zehntausend Menschen erwartet. An einem Festakt am Samstag in der Oper werden unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), teilnehmen.
Geplant ist ein ganztägiges Programm an mehreren Orten im Stadtgebiet. Höhepunkt ist eine abendliche Open-Air-Show am Karl-Marx-Monument. Zudem soll eine historische Dampflokomotive von rund 120 Menschen durch die Innenstadt gezogen werden. Die Aktion soll an den einstigen Industriestandort erinnern. (epd/dpa/mig)
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die tageszeitung Online, 16.01.2025:
Anschlag auf Weihnachtsmarkt / Magdeburg-Täter suchte Kontakt zur AfD-Jugend
16.01.2025 - 12.24 Uhr
Die AfD instrumentalisiert den Angriff auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Dabei war der Täter ein Partei-Sympathisant - und suchte auch Kontakt.
Von Konrad Litschko
Berlin (taz). Erst auf dem Bundesparteitag der AfD in Riesa nutzte Parteichefin Alice Weidel den Angriff auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt wieder für den Wahlkampf, gleich zu Beginn ihrer Rede für die Kandidatur zur Spitzenkandidatin. Ein "arabischer Attentäter" habe diese "Wahnsinnstat in Magdeburg" verübt, rief sie in die Halle. Ein "eingewanderter Mann, der schon längst nicht mehr in Deutschland hätte sein dürfen".
Schon kurz nach der Tat am 20. Dezember war Weidel nach Magdeburg gefahren, hatte eine Kundgebung abgehalten, auf der sie von der Tat eines Islamisten sprach. Es ist der Tenor der AfD seitdem - die vehement wie keine andere Partei die Magdeburg-Tat für ihren Wahlkampf instrumentalisiert.
Dabei übergeht die AfD weiter konsequent, dass sich der festgenommene Täter Taleb Al Abdulmohsen - ein gebürtiger Saudi-Araber, der seit 2006 in Deutschland lebte - auf der Social Media-Plattform X als Sympathisant der AfD und von rechtsextremen Influencern offenbarte.
Und nach taz-Informationen soll ein führender Verfassungsschützer in einer ersten vertraulichen Sondersitzung des Innenausschuss im Bundestag auch von früheren, direkten Kontaktversuchen von Abdulmohsen an die AfD-Parteijugend "Junge Alternative" berichtet und dabei zwei JA-Bundesvorstände konkret benannt haben. Gleiches tat Abdulmohsen demnach beim früheren AfD-Berater Erik Ahrens und bei einer rechtsextremen Influencerin, die auch für die AfD wirbt.
Die Influencerin und einer der JA-Bundesvorstände antworteten auf eine taz-Anfrage dazu nicht. Der zweite JA-Vorstand bestritt einen direkten Kontaktversuch von Abdulmohsen. Er habe lediglich gehört, dass Abdulmohsen verschiedene JA Landesverbände angeschrieben habe, sagte er der taz. Darauf sei aber seines Wissens nach nicht reagiert worden. Es gebe "viele Spinner", welche die JA anschreiben würden.
Um Hilfe bei der Anwaltssuche gebeten
Der AfD-Berater Erik Ahrens wiederum berichtet in einem Video selbst, wie ihn Abdulmohsen vor einem halben Jahr anschrieb und um die Vermittlung eines Anwalts bat. Er habe tatsächlich zunächst Hilfe angeboten und eine Bekannte angeschrieben, erklärt Ahrens. Die habe aber nicht weiterhelfen können und er habe Abdulmohsen dann nicht mehr geantwortet. Auch er spricht von einem "arabischen Attentäter", sieht hinter der Magdeburg-Tat ein "ethnisches Problem".
Abdulmohsen zeigte seine Sympathien für die AfD offen auf seinem X-Account. In einem Beitrag hoffte er auf eine Zusammenarbeit mit der AfD: "Wer sonst bekämpft den Islam in Deutschland?". Auch teilte er etwa ein Posting von AfD-Chefin Alice Weidel, in der diese Angela Merkel eine "unkontrollierte Massenmigration" vorwirft. Abdulmohsen zog auch selbst über Merkel her: Diese verdiene die Todesstrafe oder gehöre lebenslänglich in Haft, weil sie Europa "islamisiert" habe. Er forderte, Deutschlands Grenzen zu schützen, um eine "Islamisierung" zu verhindern.
Zugleich griff Abdulmohsen auch Postings von Elon Musk, der Szene-Influencerin Naomi Seibt, dem deutschen Querdenken-Aktivisten Marcus Haintz oder dem Rechtsaußen-Portal Nius auf oder teilte diese. Es sei "absolut wahr", dass deutsche "Geiseln" in ihrem eigenen Land seien, kommentierte er einen Beitrag von Seibt. An anderer Stelle teilte Abdulmohsen den Beitrag eines deutschen Nutzers, der über das "Rattenpack in Richterroben" herzog oder eines anderen Nutzers, der Deutschland einen "geheimen Kommunismus" vorwarf.
Hass auf deutsche Behörden
Daneben finden sich viele Beiträge von Abdulmohsen, in denen er vor allem den Islam kritisiert - und den Verein "Säkulare Flüchtlingshilfe", der ex-muslimische Geflüchtete in Deutschland betreut, wie es auch Abdulmohsen nach eigener Auskunft tat. In den Monaten vor der Tat fiel der 50-Jährige zudem mit brachialen Gewaltandrohungen auf und einem Hass auf deutsche Behörden. Er könne "zu 100 Prozent versichern, dass es bald Rache geben wird", schrieb Abdulmohsen etwa. Deutschland werde einen "enormen Preis" zahlen. Oder er fragte, ob man ihm eine Schuld geben würde, "wenn ich willkürlich 20 Deutsche töten würde, weil Deutschland gegen die saudische Opposition vorgeht?".
All dies wird derzeit von der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg ausgewertet - für die das Motiv der Tat weiterhin ungeklärt ist. Zudem findet eine psychologische Begutachtung von Abdulmohsen statt, weil dieser sich immer wieder wirr äußerte, auch nach seiner Festnahme. Die Bundesanwaltschaft hatte eine Übernahme des Falls am 23. Dezember deshalb vorerst abgelehnt, weil es vorerst kein politisches Motiv sah.
105 Behördenvorgänge zu Abdulmohsen
Offen ist auch, ob die Sicherheitsbehörden die vielen Hinweise auf Abdulmohsen in den Vorjahren nicht hätten ernster nehmen müssen. Auch darüber will am Donnerstagnachmittag der Innenausschuss des Bundestags in einer erneuten Sondersitzung beraten. Zuvor hatte das BKA dem Ausschuss eine Chronologie zu Abdulmohsen vorgelegt, die der taz vorliegt. Demnach gab es seit April 2013 insgesamt 105 Behördenvorgänge zu Abdulmohsen - mal waren es Prozesse gegen ihn, mal Anzeigen wegen Verleumdung, Beleidigung oder Menschenhandels, mal Anzeigen von Abdulmohsen selbst, die er gegen andere stellte.
Die Vorgänge betrafen Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Bayern, auch verschiedene Bundes- und Sicherheitsbehörden. So hatte Abdulmohsen schon 2013 der Ärztekammer in Mecklenburg-Vorpommern gedroht, es werde etwas "Schlimmes" mit "internationaler Beachtung" geschehen und dabei auf einen Anschlag in Boston kurz zuvor verwiesen. Später drohte er auch anderen Behörden und sogar seinem eigenen Anwalt. Zwei Richtern, die ihn verurteilt hatten, drohte er, sie erschießen zu wollen. Dazu folgen die Drohungen auf Social Media - die wiederholt auch saudiarabische Geheimdienste deutschen Diensten meldeten.
Die Polizei reagierte darauf mit drei Gefährderansprachen an Abdulmohsen: im Januar 2014, im September 2023 und im Oktober 2024. Bei einer weiteren versuchten Gefährderansprache im Dezember 2023 war er nicht anzutreffen. Zwei Mal wurde Abdulmohsen auch von Gerichten verurteilt. All das aber hielt ihn am Ende nicht von seinem Angriff auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt auf, bei dem sechs Menschen starben und mehrere hundert verletzt wurden.
Bildunterschrift: Kerzen, Blumen und Plüschtiere vor der Johanniskirche in Magdeburg in Erinnerung an die Anschlagsopfer.
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n-tv.de, 16.01.2025:
AfD-Fraktionschef Wichmann will Ministerpräsident werden
16.01.2025 - 06.08 Uhr
Bis zur Landtagswahl sind es noch mehr als zwei Jahre. AfD-Fraktionschef Wichmann stellt schon jetzt seine Kandidatur in Aussicht - und teilt gegen den Amtsinhaber Weil von der SPD und die CDU aus.
Hannover (dpa/lni). AfD-Fraktionschef Klaus Wichmann will Niedersachsens nächster Ministerpräsident werden. "Stand jetzt werde ich mich bewerben und trete dafür an", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Er sei nicht in die Politik gegangen, um dann keine Regierungsverantwortung zu übernehmen.
"Es gibt natürlich Stimmen, die jetzt schon sagen, "Klaus, das musst du machen"", sagte Wichmann. Er sehe zurzeit niemanden, der konservative Positionen als Führungsperson so vertrete wie die AfD und damit er selbst. Die CDU von Fraktionschef Sebastian Lechner sehe er nicht als eine konservative Partei. Sie sei in erster Linie ein "Mitverursacher der ganzen Probleme".
Wichmann teilt gegen Weil und CDU aus
Es brauche ein neues Denken. Der amtierende Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sei zwar ein gestandener Mann, doch ihm fehle jegliche Frische, kritisierte Wichmann. Die AfD habe vor allen Dingen den Wunsch, dass Niedersachsen wirtschaftlich stabil bleibe. "Ich habe keine ideologischen Scheuklappen, Weil und Lechner schon."
Die Zukunft sei konservativ, sagte der AfD-Abgeordnete - und das gehe nur mit einer konservativen Regierung. Die CDU könne so eine Regierung nicht allein stellen, weil sie nicht die 51 Prozent erreiche, sagte Wichmann. "Also kann sie es nur mit der AfD, alles andere ist Wähler-Betrug." Er könne sich eine Koalition mit der CDU vorstellen, am liebsten eine blau-schwarze, sagte Wichmann.
Bislang schließt die CDU auf Landes- und Bundesebene eine Zusammenarbeit aus. Bei der Landtagswahl 2022 wurde die AfD viertstärkste Kraft und holte 11 Prozent; die CDU kam auf 28,1 Prozent. Der nächste Landtag in Niedersachsen wird voraussichtlich im Herbst 2027 gewählt.
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Endstation Rechts., 16.01.2025:
Rezension / AfD: Agitation mit dem "Genderwahn"
Parlamentarische AfD-Anfragen drehen sich häufig auch um die "Genderpolitik", wobei die Partei ein weiteres Politikfeld bedient. In einem Buch veranschaulicht die Historikerin Daniela Rüther, dass es dafür in der deutschen Geschichte schon eine jahrzehntelange Tradition gibt.
Armin Pfahl-Traughber
"Genderwahn" wurde 2018 als "Unwort des Jahres" gekürt. Diese Entscheidung wurde von der damaligen Jury mit folgenden Worten begründet: "Mit dem Ausdruck "Genderwahn" werden in konservativen bis rechtspopulistischen Kreisen zunehmend Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit (von geschlechtergerechter Sprache über Ehe für alle bis hin zu den Bemühungen um die Anerkennung von Transgender-Personen) in undifferenzierter Weise diffamiert." Auch in der AfD-Agitation gehört "Genderwahn" mittlerweile zu den verbreitetsten Schlagworten.
Man kann damit auch Aufmerksamkeit weit über das eigene politische Spektrum hinaus generieren, was umso einfacher angesichts mancher Übertreibungen in den gemeinten Zusammenhängen möglich ist. Sie schaffen für die AfD Bezugspunkte, um ihre öffentliche Präsentation zu verbessern. Gleichzeitig artikuliert sich in der gemeinten Agitation der Partei auch eine "Sexbesessenheit", wie die promovierte Historikerin und studierte Politikwissenschaftlerin Daniela Rüther meint.
Die AfD und ihr "Genderwahn"
Ihr Buch trägt denn auch "Die Sexbesessenheit der AfD. Rechte im "Genderwahn"" als Titel. "Die AfD scheint sexbesessen zu sein", lautet im Intro gleich der erste Satz. Womöglich erklärt die erhoffte Aufmerksamkeit diese Formulierung, die aber auch eine zutreffende Beobachtung über die Partei-Agitation vorträgt. Denn ohne besonderen Anlass werden immer wieder einschlägige Inhalte zu öffentlichen Themen gemacht. Dabei erfolgen derartige Diskurse mittlerweile seit Jahren immer wieder, um aus der suggerierten Empörung für sich Zustimmung zu mobilisieren.
Dabei geht es um die Bevölkerungs- und Familienpolitik, aber auch die Gender-Sprache und Geschlechterforschung. Anknüpfungspunkte findet man in der Gesellschaft häufig genug, ironisieren doch nicht nur Kabarettisten gendergerechte Sprache im TV. Darüber fanden auch in seriösen Feuilletons einschlägige Kontroversen statt, häufig genug auch mit Polarisierungen verbunden, worauf sich die AfD in der eigenen Agitation direkt oder indirekt beziehen kann.
Ideengeschichtliche Kontinuitäten bis zurück nach Weimar
Die Autorin veranschaulicht solche Kontexte noch nicht einmal bezogen auf die Sozialen Medien, wo derartige Inhalte immer wieder Thema in polarisierenden und schnellen Videos sind. Die Parlamente bilden für Rüther das Untersuchungsobjekt, arbeitet sie doch selbst im Landtag von Nordrhein-Westfalen. An Hand vieler Anfragen wird exemplarisch veranschaulicht, wie sehr es eine Instrumentalisierung dieses Themenkomplexes gibt. Dabei macht die Autorin darauf aufmerksam, dass die gleichen parlamentarischen Fragen sogar immer wieder gestellt werden.
Bekanntlich dient solches Agieren als Arbeitsnachweis, wobei sich AfD-Abgeordnete hier offenkundig wenig Mühe machen. Entsprechend heißt es: "Die AfD plagiiert nicht nur sich selbst in den Parlamenten, indem sie die gleichen, zum Teil dieselben Anträge immer wieder neu einbringt. Sie hat auch von Rechten in Europa und aus der Geschichte gelernt." Und tatsächlich lassen sich sowohl ideengeschichtliche Hintergründe wie gegenwärtige Vorbilder konstatieren.
Instrumentalisierung der Parlamentsarbeit
An Hand von Beispielen macht Rüther deutlich, dass bereits jungkonservative Intellektuelle in der Weimarer Republik ähnlich vorgingen. Gleiches gilt für die frühe Agitation der NSDAP. Der Autorin geht es dabei aber nicht um eine bloße Gleichsetzung, sondern um inhaltliche Parallelen über die Zeit hinaus. Auch in der jüngeren bundesdeutschen Geschichte gab es entsprechende Vorbilder, hatte doch bereits vor wenigen Jahren die NPD dieses Themenfeld für sich entdeckt. So heißt es:
"Die AfD nutzt die Parlamente strategisch … Das Ziel ist nicht die der Logik folgende Auseinandersetzung mit Inhalten, sondern die Besetzung diskursiver Felder … Diese Strategie verfolgte schon die NPD und vor ihr die NSDAP."
Für die AfD haben derartige Fragen aber in den Sozialen Medien noch größere Relevanz. Die Autorin konzentriert sich zu sehr auf die Parlamente. Aber auch so wird die Bedeutung eines Diskurses veranschaulicht, der neben der Migration dort einen hohen Stellenwert hat. Das Buch ist kurz gehalten, weist aber auf wichtige Entwicklungen hin.
Daniela Rüther, Die Sexbesessenheit der AfD. Rechte im "Genderwahn", Bonn 2025 (J. H. W. Dietz-Verlag), 141 Seiten, 18 Euro.
Bildunterschrift: Sympathisanten der AfD auf einer Kundgebung gegen einen Auftritt einer Dragqueen.
Bildunterschrift: Cover des Buches von Daniela Rüther.
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