5 Artikel ,
13.01.2025 :
Pressespiegel überregional
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Übersicht:
Stuttgarter Zeitung Online, 13.01.2025:
Reichsbürger um Prinz Reuß / "Ich bin ein Cowboy-Freak"
Belltower.News , 13.01.2025:
AfD-Parteitag und IB-Partei / Die JA ist am Ende
tagesschau.de, 13.01.2025:
Bundestagswahlkampf in Baden-Württemberg / AfD verteilt "Abschiebetickets"
Mitteldeutscher Rundfunk, 13.01.2025:
Nach Parteitag in Riesa / Thüringer Verfassungsschutzchef: AfD hat jede Scheu verloren
die tageszeitung, 13.01.2025:
"Remigration" ist jetzt Parteiräson
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Stuttgarter Zeitung Online, 13.01.2025:
Reichsbürger um Prinz Reuß / "Ich bin ein Cowboy-Freak"
13.01.2025 - 13.28 Uhr
Wie zerstritten waren die mutmaßlichen Putschisten um Prinz Reuß am Ende? Vor dem Stuttgarter Gericht beschuldigt ein Angeklagter die Führungsköpfe der Gruppe. Er sei indoktriniert worden.
Einer der Angeklagten im Stuttgarter "Reichsbürger"-Prozess hat sich von den Führungsköpfen der Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß distanziert. "Es ist gut, dass die Behörden eingeschritten sind - wer weiß, was die wirklich geplant haben", sagte der 42-Jährige bei einer Vernehmung, deren Protokoll nun vor dem Oberlandesgericht verlesen wurde.
Er sei völlig indoktriniert worden in der Gruppe, sagte er dem Protokoll zufolge. Er habe an einen Angriff Russlands auf Deutschland, an einen Blackout geglaubt, daran, dass eine internationale Allianz die deutsche Regierung stürzen werde. Die führenden Köpfe hätten Eindruck gemacht auf ihn. "Zum Schluss haben wir nicht mehr gewusst, wie wir eigentlich heißen." Er habe in der Corona-Zeit zudem das Vertrauen in die staatlichen Behörden verloren.
Angeklagter kam mit CO2-Pistole zu einem Treffen
Seinen Worten zufolge habe er lediglich beim zivilen Wiederaufbau nach dem Umsturz helfen wollen, Gewalt habe er nie im Sinn gehabt. Als er gehört habe, dass ein Angriff auf den Bundestag geplant werde, habe es ihn "regelrecht auf den Arsch gesetzt". Der Angeklagte räumte ein, bei zwei bis drei Treffen der Gruppe gewesen zu sein, teils im Bundeswehr-Outfit. Warum er mit CO2-Pistole dort aufgekreuzt sei, fragten die Ermittler. "Weil es mein Hobby ist. Ich bin ein Cowboy-Freak." Ab September 2022 habe er aber niemandem mehr geglaubt und die Gruppe verlassen wollen.
Der mutmaßlichen "Reichsbürger"-Terror-Gruppe wird vorgeworfen, einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant und dabei bewusst Tote in Kauf genommen zu haben. Die mutmaßlichen Verschwörer stehen an drei verschiedenen Orten vor Gericht: München, Frankfurt am Main und Stuttgart.
Gruppe soll Machtübernahme mit Gewalt geplant haben
Bei dem Verfahren in Stuttgart geht es um den militärischen Teil der mutmaßlichen Terror-Gruppe, der die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchsetzen sollte. Ein Ende des Mammut-Verfahrens ist nicht in Sicht. Bis zum Urteil gilt für die Angeklagten die Unschuldsvermutung.
Dem 42-Jährigen wirft der Generalbundesanwalt vor, im Führungsstab des "militärischen Arms" der Gruppe um Reuß gewesen sein, innerhalb des Stabs für die "Untereinheit für taktische Luftunterstützungsaufgaben" zuständig. "Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik und ihre Gesetze nicht an. Die Szene ist sehr heterogen, ein Teil wird dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet.
Bildunterschrift: Der Prozess von Heinrich XIII. Prinz Reuß und seinen mutmaßlichen Mitverschwörern findet in Stuttgart statt (Archivbild).
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Belltower.News , 13.01.2025:
AfD-Parteitag und IB-Partei / Die JA ist am Ende
Die AfD hat auf ihrem Parteitag das Ende der "Jungen Alternativen" beschlossen. Eine neue Jugendorganisation soll her, die sich besser kontrollieren lässt. Die, die sich nicht einverleiben lassen wollen, könnten eine neue Heimat in der neuen Partei der Identitären Bewegung finden.
Von Kira Ayyadi
Am Wochenende fand im sächsischen Riesa der AfD-Parteitag statt. Dort entschied die in weiten Teilen rechtsextreme Partei mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit, dass die derzeitige Nachwuchsorganisation der AfD, die Junge Alternative (JA), durch eine neue Organisation ersetzt werden solle. 72 Prozent der Delegierten stimmten für diesen Antrag. Der bisherige JA-Bundesvorsitzende Hannes Gnauck warb etwa dafür. Ab dem 1. April soll die JA demnach keine Jugendorganisation der AfD mehr sein. Noch im August 2024 verneinte Gnauck in einer Pressemitteilung die Pläne der AfD, die JA abzugliedern: "Die Berichte sind falsch. Der Parteivorstand hat in dieser Angelegenheit keinerlei Absichten erklärt."
Rechtsextrem und außer Kontrolle
Die JA agierte bisher recht unabhängig. Mitglieder, bis auf den Vorstand, müssen nicht Mitglied in der AfD sein. Das soll in der zukünftigen Jugendorganisation anders sein. Jedes JA-Mitglied im Alter von 16 bis 36 soll außerdem auch verpflichtend Mitglied in der AfD werden. Die AfD erhofft sich, so stärkeren Einfluss auf ihre Jugendorganisation ausüben zu können, etwa durch Sanktionen bei Fehlverhalten. Bisher hatte die AfD wenig Eingriffsmöglichkeiten in die JA, die ein eigenständiger Verein ist.
Eine Jugendorganisation soll her, die stärker von den AfD-Spitzen in Bund und Ländern kontrolliert werden kann. Die nun angenommene Satzungsänderung schreibt fest, dass ihre Tätigkeit "der Ordnung und den Grundsätzen der Partei nicht widersprechen" dürfe. Expertinnen, Experten sehen als Motivation auch, dass die AfD-Jugend, wenn sie kein eigenständiger Verein mehr ist, besser vor einem möglichen Verbot geschützt wäre.
"Junge Patrioten" als mögliche Nachfolgeorganisation
Aktuell beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz die JA als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung". Die gleiche Einstufung gilt auch für die Landesverbände in Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, wogegen sich AfD und JA in einem noch laufenden Eilverfahren wehren. Die Partei selbst wird bundesweit als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt. Noch immer besteht die Möglichkeit eines AfD-Verbots.
Der JA-Bundesvorstand hat den Landesverbänden empfohlen, sich bis Ende März aufzulösen. In einem kommenden Bundeskonvent soll die Nachfolgeorganisation sich selbst einen neuen Namen geben. Einen Vorschlag gibt es bereits: "Junge Patrioten".
Der Geldhahn wird abgedreht
Die gesichert rechtsextreme JA wird von nun an nicht mehr von Partei-Privilegien profitieren und auch keine finanzielle Unterstützung der Mutterpartei erhalten. Allein der AfD-Bundesvorstand soll zuletzt pro Jahr 40.000 Euro überwiesen haben, bestätigte Bundesschatzmeister Carsten Hütter gegenüber t-online. Auch viele Landesverbände pumpten viel Geld in die JA.
Nach t-online-Informationen aus JA-Kreisen soll es 500 bis 600 JA-Fördermitglieder aus der AfD geben. Fördermitglieder müssen mindestens 150 Euro pro Jahr an die Jugendorganisation zahlen. Das sind weitere 75.000 Euro im Jahr. t-online kommt so auf eine Summe von jährlich mindestens 150.000 Euro, die von der AfD an den Verein mit knapp 2.400 Mitglieder geflossen sind.
Wie geht es mit der JA weiter? Am 1. Februar hält die Gruppierung einen eigenen Konvent ab. Hier wolle man über die Zukunft entscheiden. Welche Möglichkeiten bleiben? Die JA könnte sich dem Willen der Mutterpartei fügen und in ihr aufgehen oder als eigenständiger Verein weiter rechtsextreme Vorfeldarbeit leisten.
Die Partei der Identitären Bewegung als Sammelbecken für die JA?
Die Unzufriedenen könnten eine Heimat in der neu gegründeten Partei der "Identitären Bewegung" (IB) finden, die allerdings wegen Formfehlern nicht bei der kommenden Bundestagswahl antreten darf. Das Bundeswahlgesetz sieht vor, dass mindestens drei Mitglieder des Vorstands den Zulassungsantrag im Vorfeld unterschreiben müssen. Der "Identitären Bewegung" fehlten offenbar alle Unterschriften, berichtet RND.
Auch wenn sie es gerne immer wieder von sich behauptet, so war die IB nie eine Graswurzel-Bewegung. Sie wurde von den Vordenkern der so genannten Neuen Rechten konstruiert, um das junge Vorfeld zu politisieren. Möglich also, dass die jetzige Parteigründung ein Sammelbecken für Unzufriedene und zu Radikale schafft. Zudem gibt es etliche persönliche Überschneidungen zwischen der JA und der IB. Inhaltlich gibt es bei beiden Vereinen nur wenige Unterschiede.
Mit dem nun beschlossenen Ende der JA will sich die AfD vermutlich weiter professionalisieren. Selbst langjährige Unterstützerinnen, Unterstützer der JA begehren nicht auf, sondern appellieren an die Mitglieder, sich doch der AfD zu fügen. "Das ist kein Ende, sondern ein Neubeginn", schreibt etwa Benedikt Kaiser, Ideologe der Neuen Rechten und Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jürgen Pohl. Die jungen Zielgruppen, die bisher recht erfolgreich durch die JA angesprochen wurden, sind für die AfD enorm wichtig. Auch der rechtsextreme Vordenker Götz Kubitschek denkt über die Vor- und Nachteile der JA-Auflösung nach. In seinem Blog schreibt er: "Könnte das dem gut tun, was außerhalb der Partei liegt - dem Vorfeld, der Szene, dem Rückraum, der Landschaft aus Verlagen, aktivistischen Projekten, Influencern und subversiven Szenetreffs? Ich hoffe stets, aber ich glaube nicht."
Bildunterschrift: Die AfD trennt sich von JA und beschließt Gründung einer neuer Jugendorganisation.
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tagesschau.de, 13.01.2025:
Bundestagswahlkampf in Baden-Württemberg / AfD verteilt "Abschiebetickets"
13.01.2025 - 18.23 Uhr
Die AfD Karlsruhe sorgt mit einer Wahlkampf-Aktion für Diskussionen. Offenbar sind bei Menschen mit Migrationshintergrund "Abschiebetickets" in die Briefkästen geworfen worden. Nun ermittelt die Kriminalpolizei.
Eine Wahlkampf-Aktion der AfD Karlsruhe sorgt seit dem Wochenende für Wirbel. In Karlsruhe sollen Menschen mit Migrationshintergrund Flugtickets mit der Aufschrift "Abschiebetickets" im Briefkasten gefunden haben. Diese Flyer sind auf der Internetseite der AfD Karlsruhe zu finden und waren offenbar auf dem Bundesparteitag in Riesa in Sachsen am Wochenende bei regionalen Parteimitgliedern aufgetaucht. Die Kriminalpolizei teilte dem SWR mit, dass sie Ermittlungen aufgenommen habe.
"Abschiebetickets" führen mit QR-Code zur AfD Karlsruhe
Die in Karlsruhe aufgetauchten Flyer sind mit einem QR-Code versehen, der auf die Internetseite der AfD Karlsruhe verlinkt ist. Ob sie gezielt an Menschen mit Migrationsgeschichte verteilt wurden und wie viele Betroffene es überhaupt gibt, bleibt unklar.
Die Ettlinger Grünen-Politikerin Beate Hoeft hatte auf Instagram auf die Flyer hingewiesen und steht eigenen Angaben zufolge auch in Kontakt mit einer betroffenen Familie.
Social-Media-Beitrag auf Instagram: "Abschiebetickets" der AfD in Briefkästen
In einer Pressemitteilung verweist die AfD Karlsruhe auf das eigene Parteiprogramm. Im Gespräch mit dem SWR hatte der AfD-Stadtrat Oliver Schnell zuvor angemerkt, dass in der Diskussion um das "Abschiebeticket" bisher nur die Vorderseite besprochen wurde und nicht die Rückseite mit den seiner Meinung nach gesetzeskonformen politischen Forderungen.
Der Karlsruher AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Bernhard hat die Verteil-Aktion bestätigt. Es seien 20.000 bis 30.000 Flyer gedruckt worden. Demnach würden sie an Wahlkampfständen verteilt und in Briefkästen geworfen. Es würde aber nicht gezielt nach ausländisch klingenden Namen an Briefkästen gesucht. Bernhard sprach gegenüber dem SWR von einer Wahlwerbung für alle.
Karlsruhes Oberbürgermeister kritisiert AfD-Wahlkampfaktion scharf
Der Oberbürgermeister von Karlsruhe, Frank Mentrup (SPD), übte scharfe Kritik an der Wahlkampf-Aktion der Karlsruher AfD. Gegenüber dem SWR sagte er, dass mit der Aktion eine Grenze überschritten werde und sie den Zusammenhalt in der Gesellschaft gefährde.
"Auf dieses Angstrauschen, das im vergangenen Jahr lauter geworden ist, ( ... ) dann im Briefkasten solche Zettel zu finden, verstärkt noch mal ein Unsicherheits- und Angstgefühl."
Frank Mentrup (SPD), Oberbürgermeister Karlsruhe
Die Aktion könne Angst auslösen und das sollte nicht Teil des Wahlkampfs sein, so Mentrup weiter.
Kriminalpolizei ermittelt wegen Volksverhetzung
Gegenüber dem SWR teilte die Polizei mit, dass sie auf den Social Media-Post hingewiesen wurde. Daraufhin habe die Kriminalpolizei die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung aufgenommen. Anzeigen seien bislang noch nicht eingegangen (Stand Montagnachmittag).
AfD-Kreisverband Göppingen warb auch mit "Abschiebeticket" für Parteiprogramm
In Göppingen machte der AfD-Kreisverband ebenfalls Werbung mit den Flugticket-Flyern. Auf der Social Media-Plattform Facebook war ein entsprechender Post vom vergangenen Samstag zu finden, der am Montag gelöscht wurde.
Vom Co-Vorsitzenden des AfD-Landesverbands Baden-Württemberg, Markus Frohnmaier, heißt es auf SWR-Anfrage, dass er "die kreativen Aktionen der Kreisverbände unterstütze". Es sei ein wichtiges Anliegen, dass die fast eine Million Syrer in Deutschland nach dem Fall des Assad-Regimes rückgeführt würden. Das sei die Umsetzung geltenden Rechts.
Linke Karlsruhe will Anzeige erstatten und fordert Ausgrenzung der AfD
Der Karlsruher Bundestagskandidat der Partei Die Linke, Marcel Bauer, kritisiert die Aktion der AfD Karlsruhe scharf. Die Aktion müsse Konsequenzen haben. Er kündigt an, Anzeige erstatten zu wollen.
"Die AfD betreibt mit faschistischen Methoden Volksverhetzung. Diese Bedrohung gegen unsere Mitbürgerinnen, Mitbürger muss Konsequenzen haben."
Marcel Bauer, Bundestagskandidat Die Linke Karlsruhe
Der normalisierende Umgang mit dieser menschenverachtenden Partei müsse ein Ende finden. Die Linke Karlsruhe stelle sich dem entschieden entgegen und wolle es nicht zulassen, dass die AfD ein Klima der Angst schaffe, so Bauer weiter.
Bildunterschrift: Auf der Internetseite der AfD Karlsruhe hat die Partei das Ticket als Werbematerial zur Bundestagswahl veröffentlicht.
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Mitteldeutscher Rundfunk, 13.01.2025:
Nach Parteitag in Riesa / Thüringer Verfassungsschutzchef: AfD hat jede Scheu verloren
13.01.2025 - 13.03 Uhr
Der Thüringer Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer hat deutliche Kritik an der AfD geübt. Der Parteitag in Riesa habe gezeigt, dass jede Scheu gefallen sei. Zudem sei es bedauerlich, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz ein aktuelles Gutachten zur AfD erst nach der Bundestagswahl vorlegen wolle.
Von MDR Aktuell
Die AfD hat sich nach Einschätzung des Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer auf ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende in Riesa weiter radikalisiert. "Die Partei hat jetzt auf dem Bundesparteitag gezeigt, dass jede Scheu gefallen ist, sich noch hinter irgendwelchen Worten zu verstecken", sagte Kramer im Deutschlandfunk. Man zeige den völkischen Nationalismus und auch die Verfassungsfeindlichkeit deutlich, so Kramer. Diese sei auch von den Verfassungsschutzämtern herausgearbeitet worden.
Als Beispiel führte Kramer den Wahlwerbespruch "Alice für Deutschland" für die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel an. Dieser spiele mit der Losung "Alles für Deutschland" der Sturmabteilung (SA) der NSDAP.
Kramer: Neue Jugendorganisation kein Zeichen einer Mäßigung
Auch die Gründung einer neuen AfD-Jugendorganisation ist Kramer zufolge kein Zeichen einer Mäßigung. "Im Gegenteil, all diese Kräfte werden in der Partei aufgehen", betonte er. Der Verfassungsschützer argumentierte, die Partei versuche im Grunde nur, die Jugendorganisation vor einem Verbot zu schützen.
Kritik am Bundesamt für Verfassungsschutz
Kramer kritisierte, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz ein Gutachten mit einer aktuellen Einschätzung zur AfD nicht mehr vor der Bundestagswahl am 23. Februar vorlegen will. Es sei "höchst bedauerlich", dass sich das Bundesamt auf eine Neutralitätspflicht berufe und eine Mäßigung im Wahlkampf in den Vordergrund stelle. Er halte das für verkehrt sowie für eine falsche Interpretation der aktuellen Rechtslage.
Angesprochen auf ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD antwortete Kramer, eine wehrhafte Demokratie müsse auch zeigen, dass sie es ernst meine mit den eigenen Regeln. "Wenn eine Partei als verfassungsfeindlich eingestuft ist, dann sind weitere Schritte möglich, wenn offensichtlich die politische Auseinandersetzung nicht dazu führt, dass hier die Feinde wieder zurückgedrängt werden."
Das Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitet an einem Bericht, ob die AfD bundesweit von einem Verdachtsfall hochgestuft und zu einer gesichert rechtsextremistischen Partei erklärt wird.
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die tageszeitung, 13.01.2025:
"Remigration" ist jetzt Parteiräson
Radikal wie selten tritt Alice Weidel in ihrer ersten Rede als Spitzenkandidatin der AfD auf / Dass die Jugendorganisation JA nun enger an die Partei gebunden werden soll, empört Nachwuchs-Rechtsextreme
Aus Riesa Gareth Joswig
"Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration", ruft Weidel und bekommt lauten Applaus. Der bisher innerhalb der AfD umstrittene Begriff "Remigration", ein Euphemismus für völkische Vertreibungsfantasien, stand nicht im Programmentwurf für die Bundestagswahl - jetzt ruft die frisch gewählte Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl ihn von der Bühne. Das hatten so offen sonst nur die radikalsten Politiker ihrer Partei getan, etwa der Landesvorsitzende von Thüringen, Björn Höcke. Er hatte 2019 in seinem Buch ein "großangelegtes Remigrationsprojekt" mit "wohltemperierter Grausamkeit" gefordert, im Dezember 2023 befand Höcke, dass man in Deutschland gut mit 20 bis 30 Prozent weniger Menschen leben könne. Mit der Verfassung vereinbar sind solche Vertreibungsfantasien nicht.
Als Weidel den Begriff benutzt, brandet Applaus auf. Die jubelnden AfD-Mitglieder antworten mehrfach auf ihre Rede mit dem Sprechchor "Alice für Deutschland", dem abgewandelten SA-Slogan "Alles für Deutschland". Für dessen Verwendung verurteilte ein Gericht den Rechtsextremisten Höcke bisher zwei Mal. Beim Gerichtsprozess in Halle musste Höcke für den ursprünglichen SA-Spruch 16.900 Euro zahlen, hier beim Bundesparteitag in Riesa hat die Partei "Alice für Deutschland" auf blaue Herzen drucken lassen, welche die Delegierten jubelnd in die Höhe halten. So geht Normalisierung.
Weidel wurde ohne Gegenstimmen zur Kanzlerkandidatin gewählt. Wohl auch, weil sie per Akklamation gewählt wurde. Die AfD-Delegierten wählten Weidel mittels Aufstehen und blieben danach laut jubelnd stehen.
Die Delegierten waren um ein einheitliches Signal bemüht, auch wenn es innerparteilich durchaus viel Kritik an Weidel gibt - die 46-jährige Ökonomin gilt als faul und opportunistisch; als eine, die gerne vorne steht, aber die Drecksarbeit anderen überlässt. Deutlich wurde das hier nur in den Fußnoten der etwas eigentümlichen Nominierungsrede ihres Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla, der bei ihrer Nominierung gar nicht genug betonen konnte, dass er es gewesen war, der Weidel seit Wochen den Rücken frei halte und sie vorgeschlagen hatte. Innerparteilich gilt es als offenes Geheimnis, dass Chrupalla selbst gerne 2029 Ministerpräsident der AfD in Sachsen werden will - bis dahin will die Partei die Brandmauer der CDU schleifen.
Umso wichtiger war es wohl, dass der große Gegenprotest auch hier in der Veranstaltungshalle spürbar war. Der Parteitag begann erst mit über zwei Stunden Verzögerung. In ihrer Rede nannte Weidel Gegendemonstrantinnen, Gegendemonstranten "rot lackierte Nazis". Sie sei von einem gewaltbereiten linken Mob bedroht worden, behauptete sie. Dabei wurde sie nur wenige Minuten von einer Sitzblockade aufgehalten, die ruppig geräumt wurde. Und klar, sie bedankte sich abermals beim Tech-Milliardär Elon Musk. Nicht nur für das Gespräch zwei Tage zuvor auf dessen Plattform X, sondern auch dafür, dass Musk den Parteitag live ebendort streamte - der nächste disruptive Eingriff des Unternehmers in den deutschen Wahlkampf, um die autoritär-nationalradikale Partei zu stärken.
In ihrer Rede griff Weidel vor allem die CDU an: Die werde ihr Programm nicht mit den Grünen durchsetzen können. "Das ist Betrug am Wähler", schimpfte sie - auch wenn die CDU-Wähler mit einer deutlichen Mehrheit eine Koalition mit der AfD ablehnen und die Union voraussichtlich auch mit der SPD regieren könnte. Unions-Chef Friedrich Merz hatte zuletzt am Samstagmorgen bekräftigt, niemals mit der AfD koalieren zu wollen -sonst würde man "die Seele der CDU verkaufen".
Doch Fakten spielten in Weidels Rede keine Rolle: Sie behauptete, die CDU habe sich in Thüringen mit Kommunisten gemein gemacht, und verschickte die nächste Grußbotschaft an die Völkischen: "Der echte Wahlsieger ist Björn Höcke - da sitzt er!"
Weidel sprach aggressiv und argumentierte rassistisch. Zwischenzeitlich bekam man den Eindruck, dass sie sogar erneuerbare Energien hasst, als sie wild gestikulierend schrie: "Wenn wir am Ruder sind: Wir reißen alle Windkraftwerke nieder! Nieder mit diesen Windmühlen der Schande!" Wissenschaftsfeindlichkeit gab es obendrauf auch: "Wir schließen alle Gender-Studies und schmeißen die Professoren raus." Die Kinder müssten endlich "wieder was Vernünftiges" lernen, forderte Weidel.
Der Geschichtsunterricht jedenfalls würde sich unter der AfD gewaltig ändern: Revisionismus war auf dem Parteitag allgegenwärtig. Weidel hatte zwei Tage zuvor in dem eher unsouveränen und unterwürfigen X-Talk mit Elon Musk plötzlich angefangen, den Nationalsozialismus umzudeuten: "Hitler war Kommunist", sagte sie kontrafaktisch und hatte damit für viel Empörung und Kopfschütteln sogar in der eigenen Partei gesorgt. Von vielen Parteifreunden wurde sie beim Parteitag aber in Schutz genommen: Hitler sei zwar kein Kommunist, sagten gleich mehrere hochrangige Funktionäre, aber ein Sozialist sei er halt schon -was natürlich genauso wenig stimmt.
Diese Stimmung hatte auch die Chancen für einen geschichtsrevisionistischen Höcke-Antrag erhöht. Der würde gerne künftig straffrei SA-Parolen rufen. Dafür hatte Höcke sogar einen Antrag auf die Tagesordnung gesetzt, der die Strafgesetzbuch-Paragrafen Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen abschaffen oder verändern wollte; viele Abgeordnete, mit denen die taz sprach, waren dafür. Die Position wurde allerdings später am Abend nicht mehr ins Programm aufgenommen - und als Kompromiss in den Bundesfachausschuss überwiesen.
Die Gemüter bewegte das Thema trotzdem: Ein hochrangiger Funktionär echauffierte sich im Beisein mehrerer Journalisten, darunter solcher der taz, dass Volksverhetzung angeblich immer weiter ausgeweitet werde. Er sagte, er sei kein Holocaust-Leugner, aber Meinungen zu verbieten gehe nicht. Auf die Rückfrage, ob es aus seiner Sicht dann auch okay wäre zu sagen, dass beim Holocaust nur drei Millionen Juden ermordet wurden, sagte er: "Ja, man muss darüber diskutieren dürfen. Ich weiß aus eigener Anschauung nicht genau, was passiert ist, sie wissen auch nicht genau, was passiert ist. Wenn ich es nicht genau weiß, warum soll ich dann nicht darüber diskutieren?"
Auf den Einwand hin, dass man natürlich wisse, wie viele Menschen im Holocaust ermordet wurden, insistierte der Funktionär, es aus persönlicher Anschauung nicht zu wissen, und steigerte sich in einen Wutausbruch hinein: "Das ist doch 80 Jahre her! Was interessiert uns das heute überhaupt noch?" Das interessiere nur Linke, die immer von "Schuld, Schuld, Schuld" reden wollten, so der Funktionär: "Mich interessiert das heute einen Scheißdreck."
Das Wahlprogramm bleibt insgesamt weiter eines, das für Umverteilung von unten nach oben steht, das gesellschaftliche Probleme und Ungleichheiten vor allem rassistisch auf dem Rücken von Nichtdeutschen aushandeln will. Außerdem wurde in Riesa neben migrationspolitischen Verschärfungen auch ein queerfeindliches Bild von Familie deutlich: Die soll nur aus "Vater, Mutter, Kind" bestehen dürfen. Eine Wehrpflicht steht gegen den ursprünglichen Willen Chrupallas nun doch im Programm. Die Forderung nach einem EU-Austritt, vor dem vor allem Ökonomen warnen, wurde wegen der schlechten Außenwirkung etwas abgeschwächt.
Höcke musste aber am Sonntag zusammen mit Teilen der extrem rechten Parteijugend Junge Alternative (JA) auch eine Niederlage einstecken. Er hatte sich dafür ausgesprochen, die vom Vorstand geplante Abspaltung und Neugründung der Parteijugend nach einem Juso-Modell Modell noch einmal zu verschieben und sich mit dem Thema nicht zu befassen. Bisher ist die JA als externer Verein organisiert, künftig soll sie Teil der Mutterpartei werden. Alle AfD-Mitglieder unter 36 Jahren wären dann automatisch JA-Mitglied. Das scheiterte krachend: Der Bundesvorstand setzte sich bei der Satzungsänderung mit einer Zweidrittelmehrheit durch, auch dank der Unterstützung ehemaliger JA-Vorsitzender, die sich auf der Bühne demonstrativ hinter den derzeitigen JA-Vorsitzenden Hannes Gnauck und dessen Reform stellten. Von der Reform verspricht sich der Bundesvorstand bessere Durchgriffs- und Kontrollmöglichkeiten der Jugendorganisation. Gut möglich, dass sich nun ein Teil der Parteijugend abspaltet.
Die radikale JA-Vorsitzende aus Brandenburg Anna Leisten verließ nach der verlorenen Abstimmung enttäuscht den Saal. Die Debatte war abgewürgt worden, bevor sie überhaupt ans Saal-Mikro treten konnte. Ein Sieg ist das vor allem für die radikalen Netzwerker rund um den Strippenzieher Sebastian Münzenmaier, der auch die Kandidatur von Weidel unterstützte.
Die radikalsten Teile der Jungen Alternative waren unterdessen wütend: Die Junge Alternative Schleswig-Holstein schrieb auf X: "Die Boomer haben der Jugend den Dolch in den Rücken gerammt." Den "rechtswoken Irrlichtern" wie dem JA-Vorstand Dennis Hohloch empfehle man, "Schleswig-Holstein auch nach der Neugründung der JA besser zu meiden".
Bildunterschrift: Viel Schatten, kein Licht: AfD-Chefin Alice Weidel redet sich auf dem Bundesparteitag gegen alles Mögliche in Rage.
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