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Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt , 21.12.2024 :

AfD lässt Beschluss zu Schöffen rechtlich prüfen

Bewerber nicht auf Liste für Verwaltungsgericht

Bielefeld (MiS). Der Rat hat am Donnerstag die Liste mit 15 Bewerbern für das Schöffenamt am Verwaltungsgericht Minden in einer nicht öffentlichen Sitzung bestätigt. Der 16. Bewerber, ein Kandidat der AfD, befindet sich nicht darauf.

Maximilian Kneller, Sprecher des AfD-Kreisverbandes und Mitglied des Rates, kündigte an, dass seine Partei die Entscheidung rechtlich prüfen lassen werde.

Wegen des AfD-Bewerbers war die Liste bereits in der November-Sitzung des Rates in Gänze abgelehnt worden. Das Verwaltungsgericht Minden schaltete daraufhin die Bezirksregierung Detmold als Kommunalaufsicht ein. Es wurde eine Frist bis 13. Dezember gesetzt, bis zu der die ehrenamtlichen Richter aus Bielefeld für das Verwaltungsgericht feststehen sollten. Der Hauptausschuss des Rates traf deshalb eine Dringlichkeitsentscheidung. Es wurde diesmal einzeln über die Bewerber abgestimmt. Dabei fiel der AfD-Kandidat erneut durch. Formal musste diese Liste nun vom Rat noch einmal bestätigt werden - mit dem gleichen Ergebnis.

Eigentlich ist die Stadt Bielefeld verpflichtet, eine Gruppe ehrenamtlicher Richter zu benennen, die repräsentativ für die Mehrheitsverhältnisse im Rat steht. Die AfD stellt zwei Ratsmitglieder, bildet eine so genannte Ratsgruppe. Damit hätte sie Anspruch auf eine solche Position.

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Westfalen-Blatt / Bielefelder Zeitung, 26.11.2024:

Schöffenliste scheitert an AfD-Bewerber

Bielefeld als größte Stadt in OWL stellt keine ehrenamtlichen Richter am Verwaltungsgericht

Von Stephan Rechlin

Bielefeld (WB). Das Verwaltungsgericht Minden wird in den kommenden fünf Jahren ohne einen Schöffen aus Bielefeld auskommen müssen. Der Rat hat eine Liste mit 13 Kandidaten komplett abgelehnt, weil ein Bewerber darunter der AfD nahe stehen soll.

Bewerber für das Schöffenamt werden nicht einzeln, sondern nur als Teil einer Vorschlagsliste gewählt. Im vergangenen Jahr beschloss der Rat auf diese Weise eine Liste mit 1.330 geeigneten Kandidaten für die Schöffen-Tätigkeiten an Land-, Amts- und Jugendgerichten.

Für die Annahme der Liste ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Rat erforderlich. Die kam diesmal nicht zustande - in geheimer Wahl votierten 22 Ratsmitglieder für die Liste, 26 dagegen. Grund dafür ist dem Vernehmen nach der Einwand gegen einen Bewerber gewesen, der mutmaßlich der AfD angehören soll.

Die Stadtverwaltung sammelt die Bewerbungen und überprüft, ob die Kandidaten den gesetzlichen Anforderungen für das Schöffenamt entsprechen. Dazu gehören die deutsche Staatsangehörigkeit und zusätzlich die Beherrschung der deutschen Sprache, ein Mindestalter von 25 und ein Höchstalter von 69 Jahren. Bewerber müssen in Bielefeld gemeldet sein. Zudem sind einige Berufsgruppen ausgeschlossen: Polizisten und Strafvollzugsbedienstete etwa, ebenso Richter, Anwälte und Staatsanwälte. Auch Straftäter oder Angeklagte kommen nicht in Frage.

Extremistische Gesinnungen der Bewerber werden in Bielefeld dagegen nicht überprüft. Unter anderem der Bundesverband der ehrenamtlichen Richter in Deutschland wünscht sich aber, dass die Gemeindeverwaltungen bei Bewerbern im Vorfeld "genauer hinschauen" und dafür bundesweite Standards an die Hand bekommen.

Damit Extremisten nicht als Schöffen über Schuld und Strafmaß mitentscheiden dürfen, hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im vergangenen Jahr ein neues Richtergesetz auf den Weg gebracht. Bislang sind vom Schöffenamt nur Menschen ausgeschlossen, die "gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen" oder wegen einer Tätigkeit für die DDR-Staatssicherheit als nicht geeignet gelten. Laut Gesetzesvorlage darf künftig zusätzlich nicht zum ehrenamtlichen Richter berufen werden, "wer keine Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt". Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet.

"Eine glaubhafte Prüfung, ob der einer AfD-Zugehörigkeit verdächtige Bewerber tatsächlich keine Gewähr dafür bietet, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten, hat es nicht gegeben", sagt ein Ratsmitglied, das nicht genannt werden möchte, weil im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung darüber abgestimmt wurde. Obwohl die Stadt zumindest die Ergebnisse nichtöffentlicher Beratungen mitteilen möchte, lehnt das Presseamt jede Auskunft zu diesem Wahlvorgang ab.

Mit der Ablehnung der kompletten Liste wurde auch die Bereitschaft von zwölf weiteren Bielefeldern, sich ehrenamtlich als Schöffen für das Verwaltungsgericht Minden zu engagieren, von der Mehrheit ignoriert. "Die AfD vertritt im Bielefelder Rat die Interessen von 3,4 Prozent der wahlberechtigten Bielefelder, das entspricht 4.630 Wählern. Wie wollen wir denn mit der Partei umgehen, wenn sie ihr Ergebnis im kommenden Jahr verdoppelt, was Gott bewahre?" fragt das Ratsmitglied.

Als ehrenamtliche Richter stehen Schöffen in der Verantwortung, einen Teil ihrer Zeit in Gerichten zu verbringen und sorgsam "im Namen des Volkes" zu entscheiden. Schöffen können im Gericht nicht nur über schuldig oder nicht schuldig mitentscheiden, sie haben auch eine eigene Stimme beim Strafmaß - gemeinsam und gleichberechtigt mit ausgebildeten hauptamtlichen Richterinnen und Richtern.

Bildunterschrift: Im Verwaltungsgericht Minden werden in den kommenden fünf Jahren keine ehrenamtlichen Richter aus Bielefeld mitberaten.

Kommentar

Kein Extremist, ob links oder rechts, soll über Schuld und Strafmaß eines angeklagten Bürgers entscheiden dürfen. Mit diesem Anspruch hat der damalige Bundesjustizminister Marco Buschmann eine Reform des Richterrechts auf den Weg gebracht. Beschlossen ist noch nichts.

In Bielefeld führt dieser Anspruch zum Spagat zwischen Wachsamkeit und Phobie. Ist es noch verhältnismäßig, eine Liste von 13 geeigneten Kandidaten für das Schöffenamt abzulehnen, nur weil einer von ihnen mutmaßlich der als rechtsextrem eingestuften AfD angehört? Sämtliche Kandidaten werden ohnehin noch einmal vom Gericht selbst geprüft, bevor sie in Prozessen eingesetzt werden. Und auch dort bestimmen sie über Urteil und Strafmaß nur mit, niemals jedoch allein.

Durch Zuspruch und Wahlerfolge droht die AfD in den kommenden Jahren eher noch zu wachsen. Das Phänomen, ihr nahe stehende Bewerber auf Wahllisten zu finden, wird in Zukunft eher noch zu- statt abnehmen. Der Bielefelder Weg wäre, dann eben sämtliche Wahllisten abzuschaffen.

Es ist zutiefst bedauerlich, wegen eines staatsrechtlich wackeligen Kandidaten auch alle zwölf anderen Bewerber ablehnen zu müssen.

Schöffen werden dringend gebraucht, geeignete Bewerber sind selten. Falls doch noch über das neue Richtergesetz abgestimmt werden sollte, wäre eine differenziertere und transparentere Wahl der Bewerber dringend erforderlich.

Stephan Rechlin

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Am 19. Dezember 2024 wurde ein Bewerber für das Schöffenamt am Verwaltungsgericht Minden, Kandidat der völkisch-nationalistischen "Alternative für Deutschland", "AfD", vom Rat der Stadt Bielefeld abgelehnt.

Am 14. November 2024 lehnte der Rat der Stadt Bielefeld eine Liste mit 13 Bewerbungen aus Bielefeld für das Schöffenamt am Verwaltungsgericht Minden ab, weil ein Kandidat darunter der "AfD" nahe stehen soll.

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21./22.12.2024

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