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6 Artikel , 13.12.2024 :

Pressespiegel überregional

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Übersicht:


die tageszeitung Online, 13.12.2024:
Bundestagspolizei / Reichsbürger in Uniform

Endstation Rechts., 13.12.2024:
AfD-Verbotsdebatte: Die Lehren aus den NPD-Verfahren

Zeit Online, 13.12.2024:
Junge Alternative / AfD-Jugend legt sich mit Mutterpartei an

Rundfunk Berlin-Brandenburg, 13.12.2024:
Uckermark / AfD-Kreistagsabgeordneter wegen Volksverhetzung verurteilt

t-online.de, 13.12.2024:
Landtag / Deshalb sitzt die AfD plötzlich in der Bürgerschaft

Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, 13.12.2024:
Justizministerin sieht antidemokratische Strömungen in AfD

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die tageszeitung Online, 13.12.2024:

Bundestagspolizei / Reichsbürger in Uniform

13.12.2024 - 12.39 Uhr

Für die Bundestagspolizei soll noch vor den Wahlen ein Gesetz beschlossen werden. taz-Recherchen zeigen: Es gibt wieder rechte Verdachtsfälle.

Von Kersten Augustin

Vor beinahe vier Jahren stürmte ein rechter Mob, aufgehetzt vom abgewählten Präsidenten Donald Trump, das Kapitol in den USA. Abgeordnete mussten sich verstecken, Polizisten schossen auf Eindringlinge. Wenige Monate zuvor hatten hierzulande Corona-Leugner versucht, den Bundestag zu stürmen, und waren knapp gescheitert. Seitdem wird auch in Deutschland immer wieder die Frage diskutiert: Wer schützt eigentlich das Parlament, wenn es darauf ankommt?

Die einfache Antwort: Die Bundestagspolizei. 200 Polizisten, die der Bundestagspräsidentin unterstehen und das Parlament und seine Abgeordneten schützen sollen.

Vier Jahre später ist der Kapitol-Stürmer Trump wieder zum Präsidenten gewählt. Und in Deutschland soll die Polizei des Bundestags bekommen, was seit Jahren von Politikerinnen, Politikern diverser Parteien gefordert wird. Ein eigenes Polizei-Gesetz. Es ist eines der wenigen Vorhaben, das der Bundestag vor seiner Auflösung noch beschließen könnte.

Bisher ist die Bundestagspolizei über den Artikel 40 des Grundgesetzes und die Hausordnung geregelt. "Das ist sehr abstrakt", hatte die Präsidentin des Bundestags, Bärbel Bas, im Oktober im taz-Interview gesagt. Sie verstehe den Wunsch der Polizistinnen, Polizisten, mehr Rechtssicherheit zu bekommen. Auch Betroffene von polizeilichen Maßnahmen würden davon profitieren. "Es geht darum, die Befugnisse endlich auf eine klare gesetzliche Rechtsgrundlage zu stellen." Bas will das Gesetz unbedingt vor den Wahlen. Es soll auch ihr politisches Erbe sein. Denn dass die Sozialdemokratin im Amt bleibt, ist nach aktuellen Umfragen unwahrscheinlich.

"Nichts wird unter den Tisch gekehrt"

Doch taz-Recherchen zeigen nun, dass es bei der Bundestagspolizei erneut mehrere mutmaßlich rechte und rechtsextreme Vorfälle in den eigenen Reihen gegeben hat. Diese stehen nicht in Zusammenhang mit dem geplanten Gesetz. Und doch stellt sich die Frage, ob es richtig ist, die Befugnisse der Polizei mit einem eigenen Gesetz zu stärken.

Schon 2021 berichtete die taz über rechtsextreme Vorfälle bei der Bundestagspolizei. Wir berichteten, dass ein Beamter im Pausenraum im Bundestagsgebäude den Hitlergruß gezeigt haben soll und ein weiterer in einer Reichsbürger-Partei aktiv war. Beamte erzählten von Chat-Gruppen und rassistischen Aussagen. In der Folge wurden mehrere Beamte suspendiert und Disziplinarverfahren angestrengt, alle 200 Beamte wurden einzeln befragt, auch dazu, wer mit der taz gesprochen habe.

Im taz-Interview hatte Bärbel Bas betont, dass die Vorfälle aufgearbeitet wurden. "Mir ist wichtig, dass nichts unter den Tisch gekehrt wird." Doch der Umgang mit den neuen Vorfällen lässt daran Zweifel aufkommen.

Zwei der mutmaßlichen Vorfälle, die der taz geschildert wurden, stehen in Zusammenhang mit einer Version des Lieds "L’amour toujours", das zu einem Meme der rechten Popkultur geworden ist. Aufmerksamkeit bekam es, nachdem ein Video aus Sylt viral ging, bei dem Feiernde zur Melodie des Songs den Hitlergruß andeuteten und "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" sangen.

Wie die taz aus Kreisen der Bundestagspolizei erfuhr, soll eine Beamtin einem Kollegen bei dessen Abschied eine Widmung in ein Geschenk geschrieben haben, ihr Lieblingslied sei: "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus". Ein Vorgesetzter soll diese Widmung gesehen haben. Ein anderer Beamter soll das Lied im Pausenraum in provozierender Absicht laut über sein Handy abgespielt haben.

Bei einem dritten mutmaßlichen Vorfall soll ein Polizist durch einen Kollegen rassistisch diskriminiert worden sein. Trotz eines Gesprächs mit Vorgesetzten und dem Antidiskriminierungsbeauftragten soll der Vorfall keine Konsequenzen gehabt haben.

Darüber hinaus soll ein Beamter mehrfach durch Reichsbürger-Aussagen aufgefallen sein: Deutschland sei keine Demokratie, sondern eine GmbH.

Bas sieht keinen Zusammenhang zum Gesetz

Auf Anfrage der taz bestätigte eine Sprecherin des Bundestags, dass es seit Januar mehrere "Sachverhalte" gegeben habe. Sie bestätigte zudem, dass in einem Fall ein Disziplinarverfahren begonnen worden sei. In einem weiteren erfolgte eine "dienstliche Missbilligung", kein Disziplinarverfahren. Ein dritter Fall habe "keine disziplinarrechtliche Relevanz" gehabt, man habe ein "Sensibilisierungsgespräch" geführt. Auf welchen der von der taz geschilderten Fälle sich welche Maßnahme bezog, sagte die Sprecherin nicht. Aus Gründen des Datenschutzes könne man sich nicht detaillierter äußern. Im Fall des Beamten, der mit Reichsbürger-Aussagen aufgefallen sein soll, sagte die Sprecherin, dass im Rahmen eines Disziplinarverfahrens ermittelt werde. Aus Kreisen der Bundestagspolizei heißt es, dass einige der genannten Maßnahmen erst nach Anfrage der taz ins Rollen kamen.

Nachdem die taz sie mit den neuen Vorfällen konfrontiert hat, betonte die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, dass allen Verdachtsfällen konsequent nachgegangen werde: "Als Hausleitung machen wir klar, dass bestimmte Verhaltensweisen nicht akzeptiert werden." Mit dem geplanten Polizei-Gesetz will Bas die mutmaßlichen Verdachtsfälle nicht in Verbindung bringen: "Das parlamentarische Verfahren zum Bundestagspolizeigesetz steht in keinem Zusammenhang zu Verdachtsfällen, die sich gegen Angehörige der Bundestagspolizei richten."

Die Polizei des Bundestags ist nicht die einzige Polizeibehörde, bei der es im Zusammenhang mit dem Sylt-Meme mutmaßlich zu rechten Vorfällen gekommen ist. Im Bundestag, wo die Beamtinnen, Beamten an sensibler Stelle arbeiten, sind die Vorfälle aber besonders heikel.

Die Parlamentspolizei hat historisch eine besondere Rolle: Sie untersteht der Präsidentin des Bundestags. Sie ist die oberste Dienstherrin und übt das Hausrecht aus. Das soll die Unabhängigkeit des Verfassungsorgans stärken. Im Alltag sind die Beamtinnen, Beamten jedoch nicht mehr als ein besser bezahlter Sicherheitsdienst. Im Vergleich zur Polizei-Arbeit in einem normalen Revier ist im Parlament wenig los, das führt bei vielen zu Frust und Langeweile.

Am kommenden Donnerstag wird sich der Bundestag in erster Lesung mit dem Gesetz befassen. Eigentlich war der Antrag fraktionsübergreifend geplant, schließlich geht es um die Sicherheit des Parlaments - und damit auch der Abgeordneten. Nach dem Ende der Ampel aber musste alles ganz schnell gehen. Wenn das Gesetz vor den Wahlen beschlossen werden soll, ist die kommende Woche die letzte Chance.

Was macht die Union?

Der Gesetzentwurf liegt der taz vor: Die Arbeit der Polizei solle "erleichtert und die Rechtsklarheit erhöht werden", heißt es darin. Inhaltlich orientiert sich der Entwurf an anderen Polizei-Gesetzen. Etwas strittig war zwischen den Parteien die Frage, wie weit die Befugnisse der Beamtinnen, Beamten außerhalb der Bundestagsgebäude gehen sollen, wenn etwa Straftaten auf der Straße geschehen oder eine Gefahr aus einem angrenzenden Haus droht. Nach taz-Informationen hat man sich hier mit der Union geeinigt. Die Zuständigkeit soll nur vorsichtig über die Gebäude des Bundestags hinaus ausgeweitet werden, die Polizistinnen, Polizisten des Bundestags sollen nur in dringenden Fällen eingreifen und müssen umgehend die Landespolizei informieren.

Politisch brisant ist allerdings die Entscheidung, mit dem Gesetz auch die Sicherheitsüberprüfung von Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern der Abgeordneten zu verschärfen, wenn diese einen Hausausweis beantragen. Mit dem können sie im Bundestag ein und aus gehen. Bisher werden Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter nur durch die Polizei-Register überprüft. Verfassungsfeinde, die bisher nicht straffällig geworden sind, konnten durchs Raster fallen. Zuletzt berichtete der BR über 100 rechtsextreme Mitarbeiter, die von AfD-Bundestagsabgeordneten beschäftigt werden. In Zukunft sollen Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern auch durch den Verfassungsschutz überprüft werden können und ihnen gegebenenfalls der Hausausweis verwehrt werden. Manche, die mit dem Gesetz befasst sind, sprechen vom "Anti-AfD-Paragrafen".

Ob das Gesetz durchgeht, ist ungewiss. Einige Abgeordnete hatten gehofft, im Zuge der Debatte über das Gesetz auch die Arbeitsbedingungen für die Beamtinnen, Beamten im Bundestag verbessern zu können. Diese klagen, als "Polizisten zweiter Klasse" wahrgenommen zu werden und für Hausmeister- und Schlüsseldienste verwendet zu werden. Weil der Bundestag teils Schwierigkeiten hat, genug Personal zu finden, werde es ihnen schwer gemacht, sich weg zu bewerben.

Um die Fristen einzuhalten, wird der Gesetzentwurf nur von SPD und Grünen eingebracht, obwohl Wünsche der Union durchaus berücksichtigt wurden. Doch dort will man sich nicht festlegen. Michael Breilmann, zuständiger Berichterstatter der Unionsfraktion, sagte auf taz-Anfrage, man sei "grundsätzlich offen" für ein Bundestagspolizeigesetz. Der Schutz des Parlaments sei ein wichtiges Anliegen. Doch für "Rechtsverschärfungen" sieht Breilmann "keine Einigungsfähigkeit". Dies bezieht sich offenbar auf die strengere Sicherheitsüberprüfung. "Die Freiheit des Abgeordnetenmandats ist ein hohes Gut, und das gilt es zu schützen." Man wolle nichts übers Knie brechen. Gut möglich also, dass es bis zu einem Gesetz noch einmal vier Jahre dauert.

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Endstation Rechts., 13.12.2024:

AfD-Verbotsdebatte: Die Lehren aus den NPD-Verfahren

2017 aktualisierte das Bundesverfassungsgericht die Voraussetzungen für das Verbot von Parteien an mehreren Stellen. Die größte Aufmerksamkeit erhielt dabei die "Potentialität", weil an ihrem Fehlen dann das Verbot der NPD scheiterte. Ein "Update" gab es aber auch in einem weiteren Merkmal, das momentan die vielleicht größte Unsicherheit auf dem Weg zu einem möglichen AfD-Verbot darstellt.

Thomas Witzgall

Aufgegeben wurde das früher verlangte aggressiv kämpferische Vorgehen. Die Richter am Bundesverfassungsgericht haben es weder im Urteil 2017 zum Nicht-Verbot noch in der Entscheidung 2024, mit dem der Partei die staatliche Parteienfinanzierung genommen wurde, in der für Urteile üblichen Weise definiert und ausgeführt.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki hatte sich in einem Interview gegen ein AfD-Verbot gestellt, weil dieses aus seiner Sicht "gnadenlos scheitern" würde, weil von einem aggressiv-kämpferischen Vorgehen der AfD gegen die Demokratie nicht gesprochen werden könne. Wer heute noch diesen Parameter fordert, beweist damit nur, dass er die neue Rechtsprechung ignoriert oder unsubstantiierte Behauptungen aufstellt.

Beschäftigung mit dem neuen Merkmal besonders nötig

An die Stelle ist das "planmäßige Vorgehen" getreten. Es ist vielleicht auch die größte Schwachstelle in der Stellungnahme der Hochschulprofessoren, in der neulich gegenüber dem Innen- und Rechtsausschuss des Bundestags die Chancen auf ein AfD-Verbot als durchaus gegeben betrachtet wurden. Das planmäßige Vorgehen wird hier auf nur vier Zeilen einfach als gegeben unterstellt, ohne es zu konkretisieren.

Während die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung Anhaltspunkte liefert, wo die AfD gegen die Menschenwürde-Garantie, sowie des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips verstößt, können für das planmäßige Vorgehen nur die beiden NPD-Urteile von 2017 und 2024 herangezogen werden. Eine Schwierigkeit ist, dass die NPD den damaligen Antragstellern den Gefallen getan hat, mit der "Vier-Säulen-Strategie" einen Plan aufzustellen, auszuformulieren und sich formal zu eigen zu machen. Wegen der weiteren Gültigkeit konnte auch 2024 beim Entzug der Finanzierung für die nun noch mal wesentlich kleinere und desorganisiertere Rest-NPD von einem Vorgehen nach Plan gesprochen werden.

Diesen Gefallen wird die AfD sicherlich nicht in der Form wiederholen, zumal nicht, wenn ein Verbot offen diskutiert wird. Andererseits dürfen die Hürden auch nicht unrealistisch hoch angesetzt werden. Es ist fraglich, ob das Bundesverfassungsgericht eine Partei weiterbestehen ließe, die deutlich verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, aber nie einen Plan, wie sie damit an die Macht kommen will, verabschiedet hat.

Das NPD-Urteil von 2017 macht es nicht gerade leicht, weil hier immer zwischen Prävention und schärfstem Schwert hin- und her schwankt.

"Darauf ausgehen" in den Tatbestandsüberlegungen des Gerichts

Das Verfassungsgericht verlangt eine qualifizierte Vorbereitung im Hinblick auf die gegen die innersten Prinzipien gerichteten Ziele, was weiter als zielorientierter Zusammenhang zwischen eigener Handlung und dem Beseitigen bzw. Beeinträchtigen nicht gerade konkret ausformuliert wird. Strafrechtliches Handeln ist hier nicht gefordert.

Ohne eine verabschiedete Strategie braucht es ein Substrat für einen Plan, etwa über einen längeren Zeitraum und bei verschiedenen Gelegenheiten zu beobachtende Muster, die entweder intern tatsächlich beschlossen oder über den Einzelfall hinaus handlungsleitend erscheinen und somit verallgemeinerbar sind.

Die Richter verlangen zudem eine gewisse Grundtendenz. Verstöße einzelner bei sonst loyaler Haltung der Partei könnten nicht zu einem Verbot führen, sondern wäre polizei- und strafrechtlich zu begegnen.

Qualifizierte Vorbereitung

Was bisher kaum in der Debatte um ein mögliches AfD-Verbot angekommen ist, ist der Umstand, dass es bereits ein Handeln im Sinne der verfassungsfeindlichen Ziele gibt und von einem reinen Bekennen nicht mehr ausgegangen werden kann. Die Verwaltungsgerichte werfen der AfD zwei Großverstöße gegen die Menschenwürde-Garantie vor. Deutschen mit Migrationshintergrund würde nur ein minderer Status zuerkannt und besonders Muslime würden herabwürdigend behandelt und ihnen grundlegende Rechte nicht zuerkannt.

So hat die bayerische AfD-Fraktion bereits 2019 in ihrem allerersten eingebrachten Gesetzentwurf ein in der Bauordnung verankertes Minarett-Verbot gefordert. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Forderung der NPD Berlin nach Abriss aller Minarette als eigene Randnummer als Beleg ins Urteil aufgenommen. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in diesem Jahr nochmal den Verstoß gegen die Menschenwürde und nicht nur gegen die Religionsfreiheit konkretisiert. Der Gesetzentwurf ist ausformuliert, hätte beschlossen werden können und liegt für den Fall einer Regierungsbeteiligung zur Umsetzung bereit. 2024 wurde dieser Gesetzentwurf erneut eingebracht.

Auch im anderen Fall gibt es vorbereitende Handlungen. Zwar war die NPD konkreter und deutlicher in der Forderung, dass Ausländer, wozu auch eingebürgerte Deutsche zählten, kein Bleiberecht zugesprochen würde. So sollten sie in eine gesonderte Sozialversicherung einzahlen und keinen Grund erwerben können. Kinder mit Migrationshintergrund sollten jenseits ihrer sprachlichen Qualifikation in eigenen Klassen beschult werden. Alles Maßnahmen, um sie schnell und möglichst unkompliziert außer Landes schaffen zu können. Die AfD stellt hier dagegen Personen mit Migrationshintergrund permanent unter Bewährung, bereit, sie bei jeder Gelegenheit zu delegitimieren. Letztlich läuft es wie bei der NPD darauf hinaus, Personen außerhalb der "deutschen Volksgemeinschaft" ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, wie es eben die Staatsbürgerschaft bildet, abzuerkennen.

So fokussiert sich die AfD jenseits des konkreten Unrechtsgehalts von Taten fast ausschließlich auf Straftaten von Migranten mit und ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Ausnahme bilden nur Vergehen politischer Gegner. In einer Art Gehirnwäsche werden gerade diese Taten in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Wer an schwere Straftaten denkt, soll automatisch an solche mit migrantischen Tätern denken. So interessierte sich die AfD etwa überhaupt nicht für die zwei Tötungsdelikte von Impfgegnern in Bayern 2023, eines vollendet, das andere kombiniert mit einer schweren Sexualstraftat.

Auch hier gibt es eine Parallele zum NPD-Urteil. Als Beleg für die Ungleichbehandlung von eingebürgerten Deutschen durch die heutige "Heimat" sahen die Richter 2017 die Forderung, nach einer eigenen Kategorie für "eingebürgerte Ausländer" in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Auch hier war es die bayerische AfD-Fraktion, die in eine ähnliche Richtung ging. Sie forderte in zwei Anträgen, Mehrfachstaatsangehörigkeiten in der PKS auszuweisen, womit es für eine Teilmenge der Deutschen mit Migrationshintergrund nicht mehr weit zu so einer Sonderkategorie wäre. In der Begründung wurde dann klar, dass die AfD hier einfach nur die rechtsextreme Parole vom "kriminelleren Ausländer" bediente und letztlich alle Eingebürgerten meinte. Der "Remigrationspolitische Sprecher" Christoph Maier, zugleich Bezirksvorsitzender in Schwaben, hat jüngst die Angabe des Migrationshintergrundes "in allen amtlichen Statistiken" gefordert, womit faktisch eine Sonderkategorie entstehen würde. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Hess, bei den kommenden Wahlen hinter Alice Weidel und Markus Frohnmaier Nummer drei auf der Landesliste in Baden-Württemberg, forderte 2021 ähnliches.

Auch davor schon hatten AfD-Abgeordnete in Anfragen versucht, sich hier Zahlenmaterial zu beschaffen und als Alternative zu Staatsangehörigkeit nach dem Migrationshintergrund gefragt. In Ermangelung von Antworten wurden teilweise abstrus andere Items herangezogen wie Speisevorschriften von Tatverdächtigen und Strafgefangenen. Beliebt waren auch hier die Vornamen. Der rechtspolitische Sprecher der bayerischen AfD-Fraktion, Rene Dierkes, wechselte kürzlich auf "Geburtsort im Ausland", was ihm die Staatsregierung tatsächlich auch beantwortete. Allerdings ist die Abfrage ungenau, weil sie auch wohl nicht mitgemeinte Personen wie den in Polen geborenen Daniel Halemba umfasst.

Eine fehlende Integration, die bei Reichsbürgern und Neonazis auch nicht thematisiert wird, ließe sich mit diesen Statistiken, gerade mit Blick auf die Alltagskriminalität, nicht pauschal ableiten. Äußerungen von hochkarätigen AfD-Funktionären über den Journalisten Deniz Yücel oder die Wissenschaftlerin Naika Foroutan zeigen zudem, dass es nicht mal Straftaten braucht, um Personen die gleichberechtigte oder gänzliche Zugehörigkeit zum deutschen Staatsvolk abzusprechen.

Letztlich ist die extreme Rechte in der Lage, über ihre zentralen Ideologie-Elemente Rassismus und Nationalismus in Verbindung mit den Reinheitsvorstellungen eines Carl Schmitts die physische Existenz eines jeden Gegners in Frage zustellen, weil dieser im Zweifel mit Macht immer als zu "ausländisch" oder zu "unpatriotisch" (siehe Parole "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!") hingestellt werden kann.

Über das reine Bekennen hinaus gehen auch auf die Straße getragene Kampagnen wie etwa die Antwort der AfD-Fraktion Bayern auf die Aktion "Sichere Häfen". Hier griff die Fraktion Geflüchtete in ihre Menschenwürde an, in dem sie pauschal als Kriminelle hingestellt wurden. Ziel sollten "sichere Städte" sein, was über "Ausgangssperren für Ankerzentren" erreicht werden sollte. Eine ähnliche Forderung aus dem "Deutschlandplan" der Jungen Alternative hatte schon das Oberverwaltungsgericht NRW in der Entscheidung zur AfD-Jugend moniert. Die aggressive Plakat-Parole "Hol Dir dein Land zurück!" kann durchaus auch so verstanden werden, dass hier eine weiße, nicht-migrantische, nicht-muslimische Bevölkerung angesprochen werden soll, angebliche Vorrechte zu verteidigen.

Die Gedankenspiele der AfD kreisen aber nicht nur um straffällig gewordene Migranten ohne Bleiberecht. 2019 trug der Abgeordnete Christoph Maier im Bayerischen Landtag ein "Drei-Säulen-Konzept der AfD" vor. Neben dem oft schlagwortartig geforderten Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild und der Rückführung aller nicht aufenthaltsberechtigten Personen sollte der Freistaat alle Integrationsmaßnahmen für bestimmte Migrantengruppen einstellen und in Anreize zur freiwilligen Rückkehr umwandeln. Das sollte sicherstellen, dass "Bayern bayerisch bleibt" und den "indigenen Deutschen" ein "Recht auf Identität und Heimat" zubilligen. Maier sprach dabei Muslimen zwar nicht pauschal, aber doch überwiegend "den Willen und das Vermögen" ab, sich "in eine Kultur zu integrieren". Um kriminelle Auffälligkeit ging es hier nicht. Ausbildungsangebote für die Gruppe sollte es nicht mit Blick auf den deutschen Arbeitsmarkt, sondern auf "die Heimatländer" geben, besonders "handwerklich praktischer Art".

Gerade diese Überlegungen erinnern dann doch stark an die Gedankenspiele, die die NPD ausformuliert hatte.

Gelebte Strategien

Darüber hinaus gibt es formulierte Strategien, die zwar nicht beschlossen wurden, aber nach denen gehandelt wird. Zu nennen wären hier die "Schutzschild-Strategie" und das Konzept der "Mosaik-Rechten". Sie ähneln den Konzepten, die die NPD in der "Vier-Säulen-Strategie" formuliert hatte, sind also in den Augen der Bundesverfassungsrichter als einschlägige Vorbereitungshandlungen anzusehen.

Der heutige Europa-Abgeordnete und frühere bayerische Landesvorsitzende Petr Bystron hatte im inzwischen als gesichert rechtsextrem eingestuften Blog PI NEWS 2017 die "Schutzschildstrategie" formuliert. Bystron sprach sich gegen die Aufnahme von IB-Mitgliedern in die AfD aus, billigte ihnen aber erkennbar ähnliche Ziele, aber andere Aufgaben zu. "Getrennt marschieren, gemeinsam zuschlagen", so eine der Zwischenüberschriften. Die Aufgabe der Partei sollte dabei sein, aus dem Parlament heraus die aktivistische Szene, explizit wurde hier auch Pegida genannt, mit den dort zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen. Da greift Bystron etwa Elemente des Kampfes um die Straße und des Kampfes um den organisierten Willen der NPD auf.

Bei der rassistischen Straßen-Bewegung war es übrigens relativ unbeachtet längst Usus, worüber nach den Correctiv-Berichten zum Treffen in Potsdam vor Gericht erbittert gestritten wird: Aufenthaltsbeendende Maßnahmen auch gegen deutsche Staatsbürger. Bei X finden sich bei einer Suche nach "Pegida" und "abschieben" noch zahlreiche Videos, in denen die Menge die Vertreibung von deutschen Politikern fordert oder bei ihrem Demozug auf Personen reagiert, die sie allein auf Grund der Hautfarbe oder Erscheinung als Ausländer ansieht. So heizte etwa Michael Stürzenberger die Menge an, die Entlassung von Hans-Georg Maaßen und das Aufrücken des in der Türkei geborenen Sinan Selen in die Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz sei "Volksverrat". Die Zuhörer antworteten mit einem klaren "abschieben! abschieben!". In einem Video aus dem Jahr 2021 gab es die gleichen Rufe gegen die SPD-Vorsitzende von Schleswig-Holstein, Serpil Midyatlı. Redner war hier der AfD-Bundestagsabgeordnete Detlef Spangenberg.

Stürzenberger war die als demokratiefeindlich gewertete Parole "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen" so wichtig, dass sie bei seinen Pegida-Veranstaltungen als Front-Transparent, etwa bei Pegida in Nürnberg, diente. Bei der Gedenkveranstaltung für den getöteten Polizisten in Mannheim riefen AfD-Anhänger die Parole der ankommenden Gegendemonstration entgegen.

Aus der AfD heraus wurden aber auch eigene Gründungen versucht. Als Pegida im Westen Deutschlands immer mehr einschlief, wurde als Reaktion auf eine Gewalttat eines Geflüchteten an seiner Ex-Freundin das Bündnis "Kandel ist überall" ins Leben gerufen. Zumindest nach der Großdemonstration mit 6.000 Teilnehmenden wurde die Hoffnung laut, "Kandel ist überall" könnte das Pendant zu Pegida im Westen werden. Das Manifest enthielt im Lichte der verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung etliche einschlägige verfassungsfeindliche Forderungen wie dem Verbot von Moscheen oder der Forderung, der Staat müsse wegen "unüberwindlicher kultureller Unterschiede" vor einem Teil seiner eigenen Bevölkerung, jenen mit Wurzeln außerhalb Europas, warnen. An der Spitze agierte die AfD-Landtags- und Bundestagsabgeordnete Christina Baum. Die heutige Nürnberger Landtagsabgeordnete Elena Roon trug das Front-Transparent, die Pressesprecherin arbeitet für die unterfränkische Abgeordnete Ramona Storm. Im bayerischen Landtagswahlkampf 2018 kam es zu mindestens zwei "Kandel-Veranstaltungen" mit AfD-Kandidaten. Die Initiative ist allerdings größtenteils inaktiv geworden.

Die AfD ging auch, trotz anderweitiger anfänglicher Forderungen, auf die Querdenker-Szene zu, die im Zuge des Endes der Corona-Maßnahmen mit ähnlichem Personal zu anderen Themen "gehoppt" sind. Die Szene hatte mit den dezidiert erhobenen Vergleichen der Maßnahmen mit Elementen der Vernichtungspolitik der Nazis eine deutlich demokratiefeindliche Komponente, was etwa in "gelben Sternen" oder Demonstrationen zum "Nürnberger Kodex" kulminierte. Mittlerweile ist die AfD der Bezugspunkt von Querdenkern und Impfgegnern geworden. Der "Kampf um den organisierten Willen" aus dem NPD-Konzept hatte als Ziel, ein "umfassende nationale Oppoisitionsbewegung" zu schaffen und selbst die Führung zu übernehmen.

In Bayern zeigt sich "der Schutz" dieses Jahr etwa in Anfragen an die Staatsregierung, in denen Ermittlungen nach Vorfällen mit dem umgedichteten Gigi D’Agostino-Lied in Frage gestellt werden. Anzeigenerstatter oder Personen, die das dokumentieren, werden hier schnell mal als Denunzianten diffamiert. Bei einer Strategie-Konferenz der Jungen Alternative äußerte der AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Halemba mit Blick auf Medienberichte nach dem AfD-Parteitag, solche Aktionen könne man getrost "dem Vorfeld überlassen" und Sylt sei ein "metapolitischer Erfolg" gewesen.

In diese Richtung schlägt auch die "Mosaik-Rechte" von Benedikt Kaiser, der selbst wohl kein Parteimitglied ist, aus dem Dunstkreis von Götz Kubitschek stammt, aber inzwischen für den AfD-Bundestagsabgeordneten Jürgen Pohl arbeiten soll. Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz sieht darin ein arbeitsteiliges Vorgehen im Sinne einer Entgrenzung der neurechten Szene. Soll heißen: Nicht die radikalen Teile sollen eingebunden und gemäßigt werden, den extremen Kreisen soll im Gegenteil der Weg in die breite Masse der Bevölkerung geöffnet werden.Eine Methode dazu, wie es Kaiser selbst in der "Sezession" schrieb, sei, wenn Kader der Jugendbewegung ins Parlament wechseln, um dort die ehedem rein metapolitischen Belange ihres Milieus in realpolitische Töne zu übertragen. Von diesem Zusammenwirken gibt es mittlerweile eine ganze Reihe an Beispielen. Erst kürzlich wurde bekannt, dass der langjährige führende Aktivist der Identitären Bewegung, Daniel Fiß, als Referent für den Fraktionsvorsitzenden der AfD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern tätig ist. Ein anderer recht erfolgreicher Strippenzieher, Sebastian Münzenmeier, Bundestagsabgeordneter aus Rheinland-Pfalz, beschäftigt John Hoewer, aus dem Vorstand von "EinProzent". Recherchen des Bayerischen Rundfunk ergaben zu Beginn dieses Jahres eine beachtliche Anzahl an Mitarbeitern allein im Bundestag. Bekannt sind weiter der verurteilte Gewalttäter Mario Müller oder Personen aus dem Umfeld des verurteilten Franco Albrecht. Nach den Recherchen gab es aus der AfD Kampagnen gegen einen der recherchierenden Journalisten, von Maßnahmen gegen die genannten Personen ist dagegen nichts bekannt.

Hinzu kommen weitere Aktionen, mit denen die AfD mit ihren Mitteln "das Vorfeld" fördert. Fraktionen schalten Werbung in den Magazinen der Szene oder rufen zu Abos auf. Der schwäbische Landtagsabgeordnete und JA-Landesvorsitzende Franz Schmid gab im Wahlkampf eine "Ehrenerklärung" ab, im Falle seiner Wahl Geld in die Szene zu stecken. Erklärtes Ziel ist ein dem "Castell-Aurora"-Hausprojekt der Identitären Bewegung in Österreich vergleichbares Objekt, weshalb er als einziger Abgeordneter vom Landesamt beobachtet wird. Ordnungsmaßnahmen gegen Schmid sind nicht bekannt, er wurde im Januar neu in den Landesvorstand gewählt. In das Objekt in Österreich flossen bereits Spenden von AfD-Bundestagsabgeordneten.

Als für die gesamte AfD und die meisten Verbände handlungsleitende Motiv kann auch das explizite Nichtvorgehen gegen die Personen gesehen werden, die in den Urteilen der Verwaltungsgerichte als Begründung für die Beobachtung genannt werden. Das beginnt bei der designierten Kanzlerkandidatin Alice Weidel, über mehrere sehr deutliche Aussagen des Ehrenvorsitzenden Gaulands bis hin zu Großteilen des sächsischen Landesverbandes. Auch die Geschichte der Parteifunktionäre, die sich gegen Höcke wandten, dürfte hier herangezogen werden. Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht forderte ein explizites Distanzieren in enger zeitlicher Nähe von problematischen Aussagen führender Parteifunktionäre. Unkenntnis wurde nur bei einfacheren Funktionsträgern akzeptiert, aber auch hier begann die Uhr ab Kenntnis der Aussagen zu ticken, etwa Zugang der Schriftsätze und nicht erst ab dem Zeitpunkt, an dem ein Gericht eine Aussage unanfechtbar als problematisch erkennt. Damit bleibt die Partei mittlerweile selbst hinter dem halbherzigen Vorgehen 2021 gegen den damaligen JA-Bundesvorsitzen Marvin T. Neumann zurück. Der wurde wegen rassistischer Aussagen zum Rück- und Austritt gezwungen, erhielt aber keine zwei Monate danach einen bezahlten Posten als Sprecher der AfD-Landtagsfraktion in Brandenburg.

Diese sture Festhalten an Personen, zumal, wenn sie eine bestimmte Bekanntheit erreicht haben oder erfolgreich bei Wahlen waren, ist letztlich auch ein der NPD-Strategie "Kampf um die Köpfe" verwandtes Element. Dabei ging es nicht um eine Intellektualisierung im Sinne eines Kampfes um die besten Köpfe, sondern die Verbindung der Inhalte mit be- und anerkannten Köpfen. Die Partei vermeidet so innere Unruhe, Verunsicherung bei den eigenen Anhängern und Wählern, größere Teile der eigenen Handlungen öffentlich Infrage stellen zu müssen, sowie die Kosten, neue untadelige Kader aufzubauen und bekannt zu machen.

Angesichts des Umgangs der AfD mit derartigen Vorfällen gerade in der Spitze kann keine Rede davon sein, dass es nur um Einzelfälle bei sonst loyaler Haltung zu den im Parteienverbotsartikel genannten Schutzgütern geht. Erst recht wird dieser Aussage der Boden entzogen, wenn ganze Landesverbände und Landtagsfraktionen hier auffällig werden.

Bildunterschrift: Im Falle eines Verbotsverfahrens gegen die AfD müsste das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden.

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Zeit Online, 13.12.2024:

Junge Alternative / AfD-Jugend legt sich mit Mutterpartei an

13.12.2024 - 14.34 Uhr

Die Junge Alternative wehrt sich gegen ihre Auflösung durch die Mutterpartei mit einem eigenen Konzept. Ihr Bundesvorsitzender ist in der eigenen Truppe völlig isoliert.

Von Christian Parth und Tilman Steffen

Der Bundeskonvent der Jungen Alternative (JA) geht in dem von der AfD-Führung angestrebten Reformprozess auf Konfrontation zur Mutterpartei. Das Führungsgremium der AfD-Jugend beschloss am Donnerstagabend in einer dreistündigen digitalen Sitzung ein Papier, nach dem die Junge Alternative als eigenständige Körperschaft erhalten bleiben soll. Der Verein soll auch seine bisherige rechtliche Autonomie behalten, die Mitglieder der JA weiter zu dem Verein gehören. Die Parteiführung der AfD will genau dies verhindern.

Das Zeit Online vorliegende JA-Papier beschloss der Konvent mit Zweidrittelmehrheit. Nach Angaben von Teilnehmenden erklärten aber im Nachgang alle Landesverbände der JA ihre Unterstützung. Das Papier ist als Antrag an den AfD-Bundesparteitag am 11. / 12. Januar im sächsischen Riesa gerichtet, als Gegenantrag zu einem Konzept der Parteiführung. Die will die seit Monaten diskutierte Eingliederung der JA in die Partei vollziehen. Dabei soll die JA ihre Eigenständigkeit verlieren. Sämtliche Mitglieder der JA sollen der Partei angehören müssen und falls noch nicht, einen Antrag auf Aufnahme stellen. Bisher haben maximal zwei Drittel der Parteijugend auch ein Parteibuch.

Die neue, parteiinterne Jugendorganisation könnte sich einen eigenen Vorstand wählen und Landesverbände gründen. Die bisherige JA würde ihre 2015 beschlossene Anerkennung der JA durch die Mutterpartei verlieren.

Autonom oder unselbstständig?

Der JA-Bundeskonvent lehnt das ab. Damit steht auf dem Parteitag eine möglicherweise hitzige Diskussion an, die in der vollkommenen Spaltung der Parteijugend enden kann. Differenzen mit der Parteiführung hat die JA vor allem hinsichtlich der Autonomie. Die JA schreibt in ihrem Gegenantrag zwar auch, dass ihre Mitglieder "zugleich Mitglieder der AfD sein oder dies anstreben" sollen. Aber lediglich "die Mehrheit der Mitglieder der JA muss zugleich der AfD angehören". Die Parteiführung will dagegen, dass eine JA-Mitgliedschaft an eine Parteimitgliedschaft geknüpft ist. Zur JA gehören sollen demnach "alle Parteimitglieder bis zur Vollendung des 36. Lebensjahres". Erreichen will sie damit, dass sie Mitglieder auch disziplinarisch belangen kann, sollten sie gegen die Grundsätze der Partei verstoßen, etwa durch besonders extremistisches Auftreten.

Die JA erklärt sich in ihrem Gegenantrag zwar "der AfD rechenschaftspflichtig", besteht aber darüber hinaus auf "Satzungs-, Programm-, Finanz- und Personalautonomie". Die Parteiführung sieht das anders. Sie schrieb in ihrem Antrag, die JA solle "offizielle Jugendorganisation der AfD und ein rechtlich unselbständiger Teil von ihr" sein.

Wohl um die Parteiführung zu überzeugen, sichert die JA zu, dass "Tätigkeit und Satzung ( ... ) den Grundsätzen der AfD und ihrer Satzung nicht widersprechen" dürfen. Rechtlichen Durchgriff räumt sie der Partei aber nicht ein.

Der JA-Bundesvorsitzende Hannes Gnauck, der auch zum Bundesvorstand der Partei gehört, ist innerhalb der JA offenkundig weitgehend isoliert. In der Sitzung des JA-Konvents am Donnerstag ergriff er nicht das Wort, wie er auch selbst bestätigte. "Ich bin absolut überzeugt von dem Entwurf des AfD-Bundesvorstandes", sagte Gnauck Zeit Online. "Das ist die zweckmäßigste Lösung." Auch sämtliche ehemaligen Vorsitzenden der vergangenen zehn Jahre, Carlo Clemens, Damian Lohr und Sven Tritschler unterstützen den Antrag der Parteiführung. Unter den Landesverbänden der AfD findet er ebenfalls große Unterstützung.

Die "bad bank" der JA

Offenkundig geht der Bundeskonvent der JA auch davon aus, dass ihr Name erhalten bleibt. Im Gegenantrag wird er ausdrücklich benutzt. Die Partei ließ das in ihrem Schriftstück offen. Als neuer Name war zuletzt "Junge Patrioten" im Gespräch. Auch das bisherige Logo der JA, das dem Logo der 1989 verbotenen Organisation "Nationale Sammlung" nicht unähnlich ist, sollte geändert werden.

Sollte die AfD der JA nicht entgegenkommen, wird innerhalb der Partei damit gerechnet, dass es zwei konkurrierende Organisationen geben könnte, die die Vertretung der AfD-Jugend für sich beanspruchen. Teile der JA aus Bayern, NRW, Thüringen oder Brandenburg könnten den bisherigen Verein am Leben erhalten, sich einen neuen Vorstand wählen und einfach weitermachen. Die Partei könne den bisherigen Verein nicht zur Auflösung zwingen, sagt Gnauck. Sozusagen "als bad bank" - als Sammelbecken für die unkooperativen Kräfte der Ur-JA - könnte er weiterexistieren.

Am Nachmittag verschickte die JA-Führung ihren am Donnerstag beschlossenen Gegenentwurf an die Mitglieder und Förderer der Organisation, um Unterstützungsunterschriften für den JA-Antrag zu sammeln, "der die in Rede stehenden Interessen hinreichend würdigt", wie es in dem Begleitschreiben heißt.

Mit der Neustrukturierung möchte die AfD sich eines ihrer größten Probleme entledigen. Denn die 2015 offiziell von der AfD anerkannte Partei-Jugendorganisation ist nach Ansicht einflussreicher Kräfte in der AfD zu radikal. Sie fürchten, dass die Jugendorganisation bei einem eventuell drohenden Verbotsverfahren zur Belastung werden könnte. JA-Funktionäre und -Mitglieder treten zuweilen extremistisch auf, der Verfassungsschutz führt die JA als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung". Immer wieder warf auch die AfD selbst dem parteinahen Verein Grenzüberschreitungen vor. Am Abend der brandenburgischen Landtagswahl-Party im September beispielsweise hatten JA-Leute in menschenverachtender Weise einen "Remigrations"-Song gegrölt.

Bildunterschrift: Bald integriert? Auf einer Kundgebung von AfD und Junger Alternative in Mannheim.

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Rundfunk Berlin-Brandenburg, 13.12.2024:

Uckermark / AfD-Kreistagsabgeordneter wegen Volksverhetzung verurteilt

13.12.2024 - 16.55 Uhr

Der uckermärkische AfD-Kreistagsabgeordnete Tony Riller ist am Freitag vom Amtsgericht in Prenzlau wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Riller in einer Rede in Prenzau Bootsflüchtlinge als Mörder bezeichnet hatte.

Volksverhetzung bei Kundgebung gegen Asylunterkunft

Riller hatte sich bei einer Demonstration im April 2023 in Prenzlau gegen eine geplante Asylunterkunft geäußert. Ein Syrer habe ihm erzählt, dass Syrer Kinder und Säuglinge ins Meer werfen würden, wenn ein Boot voll sei, soll Riller nach Informationen eines anwesenden rbb-Reporters gesagt haben.

Direkt nach seiner Rede gingen Polizeibeamte zu dem Politiker und teilten ihm mit, dass sie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hatten, wie ein rbb-Reporter vor Ort beobachtete. Die Pressestelle der Polizei bestätigte seinerzeit, dass eine Anzeige mit dem von den Polizisten wahrgenommenen Inhalt der Rede erstattet wurde. Die Rede wurde filmisch aufgenommen. Die Strafrichterin in Prenzlau bewertete das Video als Stützhilfe für die Zeugen und nicht als Beweismittel.

Unklar ist bisher, ob Riller nach seiner Verurteilung in Berufung gehen will. Der 32-Jährige wurde bei der Kommunalwahl im vergangenen Juni als Kreistagsabgeordneter in der Uckermark gewählt.

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t-online.de, 13.12.2024:

Landtag / Deshalb sitzt die AfD plötzlich in der Bürgerschaft

13.12.2024 - 09.50 Uhr

Die AfD ist nun doch in der Bremischen Bürgerschaft vertreten. Grund dafür ist ein Wechsel.

Eigentlich war die AfD in Bremen nicht bei der Wahl zugelassen - nun hat die Partei es dennoch in die Bremischen Bürgerschaft geschafft. Der bisher fraktionslose Abgeordnete Sven Lichtenfeld wechselt nach eigenen Angaben zur AfD.

Bei der Bürgerschaftswahl 2023 war Lichtenfeld für Bürger in Wut (inzwischen Bündnis Deutschland) angetreten und ins Parlament gewählt worden. Die Fraktion trennte sich schnell von ihm, da dem Hafenarbeiter Kontakte ins rechtsextreme Milieu nachgesagt werden. Der Abgeordnete selbst streitet dies ab.

Wahl 2023: Streit führte zur Zurückweisung

Die AfD war bisher nicht in der Bürgerschaft vertreten, weil sie gar nicht erst zur Wahl im Mai 2023 zugelassen worden war. Die Partei war damals so zerstritten, dass gleich zwei Landesvorstände Vorschläge mit Bewerbern eingereicht hatten. Erlaubt ist aber nur eine Liste pro Partei.

Deshalb wies der Landeswahlausschuss sämtliche Wahlvorschläge der AfD zurück. Mehrere AfD-Mitglieder gingen gegen den Ausschluss bei der Wahl gerichtlich vor - allerdings ohne Erfolg.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, 13.12.2024:

Justizministerin sieht antidemokratische Strömungen in AfD

13.12.2024 - 05.30 Uhr

Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann ist zurückhaltend mit Blick auf ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD. "Es gibt nach meiner Wahrnehmung sicherlich Strömungen innerhalb der AfD, die als antidemokratisch einzustufen sind", sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. "Ich kann allerdings aus eigener Anschauung nicht beurteilen, ob derzeit bereits genügend Material vorliegt, um die AfD oder auch einzelne AfD-Landesverbände zu verbieten."

Die Meinungsfreiheit werde im Grundgesetz zu Recht sehr großgeschrieben, betonte Wahlmann. Sogar die öffentliche Ablehnung der Demokratie sei nicht ohne Weiteres strafbar. Das Grundgesetz enthalte als Lehre aus der Vergangenheit aber bewusst auch Mechanismen zum Schutz der Demokratie - auch, dass Parteien unter bestimmten Voraussetzungen verboten werden können. "Wenn die Voraussetzungen für ein Partei-Verbotsverfahren vorliegen, sollte man auch zu diesem Mittel greifen", sagte die Ministerin.

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