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Mindener Tageblatt , 09.12.2024 :

Zwangsarbeit in der Grube

Der Berg gibt seine letzten Geheimnisse preis: Im Frühjahr 2025 beginnen in Kleinenbremen Führungen zu Orten, wo im Zweiten Weltkrieg eine unterirdische Fabrik entstehen sollte

Stefan Lyrath

Porta Westfalica-Kleinenbremen. Im Besucher-Bergwerk laufen die Vorbereitungen für erste Führungen in einen Teil jener Bereiche der stillgelegten Erzgrube, wo im Zweiten Weltkrieg unter der Tarnbezeichnung "Elritze" eine unterirdische Fabrik des Flugzeugherstellers Focke-Wulf entstehen sollte. Losgehen soll es im März oder April 2025.

Vorher sind jedoch noch Umbauten unter Tage nötig, die voraussichtlich im Februar beginnen. Zusammen mit der Volkshochschule hat es vor wenigen Wochen bereits einen Testlauf für 42 Teilnehmer gegeben. "Die Leute waren begeistert", berichtet Markus Miller, stellvertretender Leiter des Kleinenbremer Bergbau-Museums und an jenem 1. November als Bergwerksführer im Einsatz.

An Themen aus der NS-Zeit herrscht offenbar großes Interesse, wie die lange Warteliste für Führungen des Portaner Gedenkstätten-Vereins in die frühere Untertage-Verlagerung "Dachs" im Jakobsberg zeigt. Vorsorglich bietet auch das Besucher-Bergwerk und Museum in Kleinenbremen Interessenten deshalb an, sich bereits jetzt für "Elritze"-Führungen anzumelden - entweder telefonisch unter (05722) 90223 oder per Mail an info@bb-mk.de.

Allein rund 700 polnische Kriegsgefangene haben im Zweiten Weltkrieg in Stollen der Eisenerzgrube "Wohlverwahrt", die heute zum Besucher-Bergwerk gehören, Zwangsarbeit für die Rüstungsproduktion der Nazis geleistet. Von diesen Zahlen geht der Historiker Antonius Schanderwitz aus, der in Kleinenbremen geforscht und über die Ergebnisse seiner Arbeit mehrere Vorträge gehalten hat.

Geschäftsführer rechnet mit Kosten bis zu 10.000 Euro für Umbauten

Die Arbeiten für die Rüstungsproduktion begannen demnach im Sommer 1944. Schlimm waren die Arbeitsbedingungen in den dunklen Stollen. Im Licht von Funzeln mussten die Gefangenen bei Temperaturen um zehn Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 95 Prozent schuften.

"Wecken war um 5.50 Uhr, um 6 Uhr begann in den Lagern Fülme und Nammen der Fußmarsch nach Kleinenbremen. Zurück ging es um 19 Uhr. Es gab kaum Möglichkeiten, sich zu waschen, kaum passende Kleidung, und auch die Schuhe passten meistens nicht. Die Verpflegung wurde immer schlechter", erklärt Markus Miller. Die "Elritze" unterstand der Organisation Todt (OT), einer paramilitärisch organisierten Bautruppe der Nazis. In Betrieb ging die Fabrik nicht mehr. Über Todesfälle ist nichts bekannt.

"Ich erwarte großes Interesse an den Führungen", sagt Dr. Tanja Hasselberg, die Geschäftsführerin von Besucher-Bergwerk und Museum. "Dies war bereits bei mehreren Vorträgen sowie einer gemeinsamen Tagung von deutschen und polnischen Wissenschaftlern zu sehen." Apropos Deutsche und Polen: "Wir versuchen, eine gemeinsame Geschichte zu schreiben", so Hasselberg.

Zur Zeit ist der komplett erhaltene alte Bahnhof unter Tage geschlossen, weil für eine Artenschutz-Prüfung die im Berg lebenden Fledermäuse gezählt werden. Für die etwa einstündigen Führungen soll er wieder zugänglich gemacht und integriert werden. Geplant sind außerdem ein Zugang zum ersten Plateau neben dem Schrägaufzug, eine Absperrung, die Sicherung des Deckgebirges, eine Beleuchtung und eventuell der Einbau eines Beamers, um den Besuchergruppen während der Führung Bilder zeigen zu können.

Bereits bekannt ist den Teilnehmern anderer Führungen der so genannte Schrägaufzug, den die Alliierten gegen Kriegsende gesprengt haben. Das Geröll liegt dort heute noch hinter einer Absperrung. Möglicherweise wird ein Teil geräumt. Für alle Umbauarbeiten zusammen rechnet Geschäftsführerin Tanja Hasselberg mit Kosten zwischen 8.000 und 10.000 Euro.

Nach ihrer Fertigstellung sollte die riesige Anlage aus vier Bereichen bestehen, die zusammen fast 50.000 Quadratmeter umfasst hätten. Bei den Führungen wird nur ein kleiner Bereich der "Elritze" gezeigt, insgesamt einige Hundert Quadratmeter. Der weitaus größte Teil der Anlagen liegt nämlich nicht in Stollen, die zum Besucher-Bergwerk gehören.

Die Bergwerksführer werden speziell geschult. Was sich damals abgespielt hat, ist gut dokumentiert. Zurückgreifen können Besucher-Bergwerk und Museum bei der Vorbereitung auf Forschungsergebnisse der Gedenkstätte Porta Westfalica, des Zentralen Museums der Kriegsgefangenen in Polen sowie der Gedenkstätte Stalag 326 Senne in Schloß Holte-Stukenbrock. Mit allen dreien besteht eine Kooperation.

Bildunterschrift: Dr. Tanja Hasselberg und Markus Miller vom Besucher-Bergwerk vor den Resten des früheren Schrägaufzugs. Die Trümmer stammen von Sprengungen der Alliierten. Links oben liegt ein Plateau, zu dem für die "Elritze"-Führungen ein Zugang geschaffen werden soll.


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2025 sind im "Besucher-Bergwerk und Museum Kleinenbremen" Führungen in der Erzgrube, wo allein rund 700 polnische Kriegsgefangene Zwangsarbeit für die NS-Rüstungsproduktion leisten mussten, angestrebt.

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www.bergwerk-kleinenbremen.de

www.gedenkstaette-porta.de


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