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5 Artikel , 05.12.2024 :

Pressespiegel überregional

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Übersicht:


t-online.de, 05.12.2024:
Trotz Kritik von der Parteispitze / AfD-Abgeordnete schon wieder in Russland

Welt Online, 05.12.2024:
Belarus-Sanktionen / Die verdächtigen Lieferungen des sächsischen AfD-Abgeordneten

die tageszeitung Online, 05.12.2024:
AfD-Streit um die Junge Alternative / Offene Feldschlacht in der Höcke-Jugend

Kölner Stadt-Anzeiger Online, 05.12.2024:
Junge Alternative / Auch NRW-AfD spricht sich für Gründung einer neuen Parteijugend aus

Neue Westfälische, 05.12.2024:
AfD-Nachwuchs soll "Junge Patrioten" heißen

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t-online.de, 05.12.2024:

Trotz Kritik von der Parteispitze / AfD-Abgeordnete schon wieder in Russland

05.12.2024 - 18.01 Uhr

Von Jonas Mueller-Töwe, Annika Leister

Gerade erst haben die Russland-Trips ihrer Abgeordneten erheblichen Ärger in der AfD ausgelöst. Nun sind schon wieder drei AfD-Politiker dort unterwegs.

AfD-Spitzenfunktionäre versuchen ihre Abgeordneten zu disziplinieren: Reisen nach Russland sind derzeit nicht erwünscht. Im Wahlkampf möchten die Vorstände der Partei-Verbände und -Fraktionen nicht zu viel Aufmerksamkeit auf die Kreml-Kontakte lenken. Die Rechnung scheint aber nicht aufzugehen: Schon wieder weilen laut Informationen von t-online mindestens drei bayerische Landtagsabgeordnete zu politischen Gesprächen in Russland.

"Tragen den Dialog nach Russland"

Ulrich Singer, Andreas Jurca und Lena Roon besuchen demnach das Yalta International Economic Forum (YIEF), das seit Jahren die internationale Anerkennung der ukrainischen Krim als russisches Gebiet fördern soll. In diesem Jahr findet es im russischen Ufa statt. Von dort liegen t-online Fotos von Singer auf dem Podium vor.

Laut Website des Forums sagte er dort: "Auf Grund der Sanktionen ist die wirtschaftliche Lage in unserem Land sehr schlecht." Es sei notwendig, die Sanktionen aufzuheben und mit dem Aufbau freundschaftlicher Beziehungen zu beginnen. Als t-online ihn per WhatsApp kontaktierte, reagierte er umgehend.

"Wir tragen auch mit dieser Reise den Dialog nach Russland, anstelle von Raketen", schrieb Singer auf Anfrage von t-online und schickte verschiedene Schnappschüsse aus dem Stadtleben von Ufa. Es sei sehr aufschlussreich, die russischen Regionen zu sehen. "Diese erleben aus ihrer Perspektive goldene Zeiten." Er bestätigte, dass Jurca und Roon ihn auf der Reise begleiten.

Das Trio war bereits im März gemeinsam nach Russland gereist - als Wahlbeobachter für Russlands Präsidentschaftswahl. Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren hingegen nicht zugelassen. Jurca und Roon traten während der Reise unter anderem bei dem russischen Propagandasender RT DE auf und lobten Transparenz bei der Wahl.

Krah reiste heimlich nach Sotschi

Erst am Wochenende hatte t-online berichtet, dass Singer und der Bundestagsabgeordnete Rainer Rothfuß im November ins russische Sotschi geflogen waren, wo sie Ex-Präsident Dimitri Medwedew trafen. Vermittelt hatten die Reise zwei Vertraute des Putin treuen Oligarchen Viktor Medwetschuk. Der Europa-Abgeordnete Maximilian Krah war ebenfalls für ein Abendessen mit ihnen angereist - ihn verbindet mit dem ukrainischen Ehepaar eine Affäre um Spionage und Schmiergelder.

In der Fraktionssitzung im Bundestag am Dienstag soll es daraufhin hoch hergegangen sein: "Selten wurde bei uns jemand so deutlich in einer Fraktionssitzung abgestraft", schilderte eine von mehreren Quellen t-online, wie Rothfuß sich von Kollegen und besonders von der Fraktionsspitze scharfe Kritik eingehandelt hatte. Schon zuvor hatten der bayerische Landesvorsitzende Stephan Protschka und die bayerische Fraktionsvorsitzende Kathrin Ebner-Steiner sich von der Reise distanziert.

Mit Krahs heimlicher Reise zum Abendessen mit den Medwedtschuk-Vertrauten will sich noch der Bundesvorstand befassen. Anders als bei Singer und Rothfuß war er über Krahs Pläne nicht vorab informiert worden.

Bildunterschrift: Ulrich Singer (2. v. l.) auf dem Podium im russischen Ufa: Zwei weitere AfD-Abgeordnete aus Bayern begleiten ihn.

Bildunterschrift: Der AfD-Abgeordnete Ulrich Singer (2. v. l.) auf dem Podium in Ufa: Immer wieder begleiten ihn AfD-Parteifreunde nach Russland.

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Welt Online, 05.12.2024:

Belarus-Sanktionen / Die verdächtigen Lieferungen des sächsischen AfD-Abgeordneten

05.12.2024 - 11.26 Uhr

Von Dirk Banse, Ekaterina Bodyagina, Uwe Müller

Papiere mehrerer Zollbehörden belasten den Politiker und Landwirt Jörg Dornau schwer. Aus ihnen geht hervor, dass mit einem Embargo belegte Maschinen über Kasachstan nach Belarus gelangt sind. Sollte Dornau schuldig sein, droht ihm eine Gefängnisstrafe.

Als Jörg Dornau im Juli 2021 an das Rednerpult des sächsischen Landtages tritt, ist er erkennbar auf Streit aus. Der AfD-Politiker, ein bulliger Landwirt aus dem Leipziger Südraum, regt sich über "die ständige Einmischung westlicher Moralapostel" auf. Immer wieder erhebt er mahnend den Zeigefinger und warnt davor, die Staatsführung in Belarus zu dämonisieren. Ihr brutales Vorgehen gegen die eigene Bevölkerung will das Parlament verurteilen. Dornau stellt klar, warum er gegen den Antrag stimmen wird. Die Kritik sei scheinheilig, er plädiere für Dialog. Man dürfe die wirtschaftlichen Chancen, die das Land biete, nicht verpassen: "Sanktionen nützen niemandem."

Die Abgeordneten der anderen Fraktionen sind entsetzt. Sie werfen Dornau vor, die Zustände im Reich des Diktators Alexander Lukaschenko schön zu reden. Valentin Lippmann von den Grünen spricht von einer "schändlichen Mischung aus Propaganda und Märchenstunde". Er frage sich, ob Dornau als heimlicher Pressesprecher des Minsker Machthabers tätig sei. Was keiner im Saal ahnt: Die scharfe Polemik von Dornau gegen Sanktionen ist nicht ganz uneigennützig, denn er verfolgt in Belarus geschäftliche Interessen.

Der AfD-Mann hatte zehn Monate vor seiner Rede in der Region Lida, im Westen des Landes, mit Hilfe eines engen Vertrauten Lukaschenkos einen riesigen Agrarbetrieb gegründet. Die Firma ist auf den Anbau von Zwiebeln spezialisiert und heißt Zybulka-Bel. Das verschweigt er dem Landtag, obwohl das Abgeordnetengesetz vorschreibt, solche Tätigkeiten offen zu legen. Um das Projekt zum Erfolg zu führen, ist Dornau allerdings auf westliche Technik angewiesen. Da wären Einfuhrverbote schädlich. Deshalb ist er besorgt, dass Brüssel ein Sanktionspaket nach dem anderen schnürt.

Ein Desaster stellt für Dornau die EU-Verordnung 2022/355 dar, die Anfang März 2022 in Kraft tritt. Denn sie untersagt ihm, genau jene Maschinen, die er für seine Zwiebel-Farm benötigt, nach Belarus einzuführen. Offenbar ist Dornau nicht gewillt, dieses Verbot zu akzeptieren. Doch welche Auswege bleiben, um der misslichen Situation zu entkommen? Wie es aussieht, trifft Dornau eine Entscheidung, die für ihn noch fatale Folgen haben könnte.

"Welt" liegen interne Unterlagen zu Dornaus Geschäftsgebaren vor. Brisant in dem Konvolut sind vor allem Dokumente, die von Zollverwaltungen in englischer und russischer Sprache verfasst worden sind. Aus ihnen ergibt sich der Verdacht, dass Dornau die von der EU gegen Belarus verhängten Sanktionen bewusst umgangen hat.

Dornau droht eine Gefängnisstrafe

Ausweislich der Papiere ließ Dornau mit einem Embargo belegte Maschinen und Zubehör zunächst von Polen nach Kasachstan bringen. Das ist legal. Doch von dort gelangte die Ware laut den Deklarationen direkt zu seiner Firma Zybulka-Bel. Der Fachbegriff für ein solches Vorgehen: Umgehungslieferung über einen Drittstaat. Das ist strafbar.

Bei solchen Verstößen gegen Rechtsakte der EU greift Deutschland konsequent durch. Nach Paragraf 18, Absatz 1 des Außenwirtschaftsgesetzes werden entsprechende Delikte mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren geahndet. Bis zu einer möglichen Verurteilung gilt allerdings die Unschuldsvermutung. Erklären muss sich Dornau aber in jedem Fall.

Für die AfD-Spitze in Sachsen und auch im Bund ist es nicht das erste Mal, dass sie sich mit Verfehlungen von Dornau beschäftigen muss. Nachdem "Welt am Sonntag" im April enthüllt hatte, dass Dornau sein Geschäft in Belarus nicht wie vorgeschrieben offengelegt hatte, leitete der Landtagspräsident ein Verfahren ein. Dornau musste vor dem Präsidium erscheinen und unangenehme Fragen beantworten. Im August wurde er zu einem Ordnungsgeld in Rekordhöhe verdonnert, dem dreifachen seiner monatlichen Grundentschädigung, 20.862 Euro. So etwas hat es bislang weder in der Geschichte des sächsischen Landtages noch in der der AfD gegeben.

Der nächste Skandal ließ nicht lange auf sich warten. Im September enthüllte das belarussische Portal "Reform.news", dass Dornau in seinem Agrarbetrieb politische Gefangene als billige Arbeitskräfte einsetzt. Dazu liegt "Welt" ein von dem AfD-Politiker unterschriebenes Papier "über abgeschlossene Arbeiten bei Zybulka-Bel" vor. Demnach wurden in der zweiten Februarhälfte 2024 täglich zwischen 13 bis 22 Häftlinge eingesetzt. Pro Person und Tag musste Dornau 30 belarussische Rubel (nach damaligem Wechselkurs etwa 8,50 Euro) abführen. Und zwar an die Abteilung für innere Angelegenheiten des Exekutivkomitees des Bezirk Lida - sie ist nicht nur für Strafanstalten, sondern auch für die Staatssicherheit zuständig.

Im aktuellen Fall ist die Indizienkette bereits sehr dicht. Aus den Zollpapieren geht hervor, dass der heute 54-jährige Unternehmer im August 2022 über seine sächsische Firma "Landprojekt Dornau" Produkte der Hersteller Manitou und Radstal beim Zoll im polnischen Bialystok angemeldet hatte.

Laut "Export confirmation (IE599)", ausgestellt von einer Zollagentin, handelte es sich um einen Teleskoplader mit Be- und Entladeeinrichtung, einen Gabelträger sowie um eine Paletten- und Steinschaufel. Das Gewicht der Geräte laut Formular: 8,7 Tonnen. Der Bestimmungsort: Die 4.860 Kilometer entfernte Millionenmetropole Almaty, die frühere Hauptstadt Kasachstans.

Als Empfänger dort ist die Firma "The Trust Service" angegeben. Wer zu ihr recherchiert, stößt auf einen Großhandelsbetrieb für Maschinen und Geräte. Noch im selben Monat wurde die Ware weitertransportiert, fast auf dem gleichen Weg zurück, bis kurz vor die polnische Grenze in das 4.670 Kilometer entfernte Dorf Gudy im belarussischen Bezirk Lida, zur Adresse von Dornaus Zwiebel-Farm. So steht es auf Russisch in einer "Warendeklaration" sowie in einem "Beiblatt zur Zollanmeldung", erstellt von einer "Spezialistin für Zollerklärungen".

Doch fallen die Güter, die in den Dokumenten verzeichnet sind, überhaupt unter das Sanktionsregime? "Welt" hat in Eschborn beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle nachgefragt und diese Antwort erhalten: "Nach fachtechnischer Prüfung" handle es sich bei angefragten Gütern um solche, die seit dem 02.03.2022 "einem Exportverbot nach Belarus" unterlägen.

Die Generalzolldirektion in Bonn teilt mit, dass sie den konkreten Vorgang nicht kommentieren könne. Bei tatsächlichen Anhaltspunkten auf Sanktionsverstöße, etwa Umgehungslieferungen über Drittstaaten, "geht der Zollfahndungsdienst in allen Einzelfällen entschieden nach". Bei strafrechtlich relevanten Zuwiderhandlungen werde die zuständige Staatsanwaltschaft unterrichtet, die über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens entscheide, erklärt ein Sprecher.

Nach dem Wohnortprinzip müsste die Staatsanwaltschaft Leipzig den Fall übernehmen. Dort ist Dornau schon einschlägig bekannt. Nachdem kürzlich darüber berichtet worden war, dass Dornau politische Gefangene auf seiner Zwiebel-Farm beschäftigt haben soll, hat die Behörde einen Prüfvorgang angelegt. In diesem Zusammenhang werden Dornau diverse Delikte nach dem Strafgesetzbuch vorgeworfen. Es geht etwa um die Paragrafen 232 ("Menschenhandel"), 232b ("Zwangsarbeit") und 233 ("Ausbeutung der Arbeitskraft").

Vor der Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens wäre es jedoch zunächst erforderlich, die Immunität des Abgeordneten Dornau aufzuheben. Die Staatsanwaltschaft Leipzig erklärt dazu: "Derzeit ist noch nicht absehbar, mit welchem Ergebnis das Prüfverfahren abgeschlossen wird." Deshalb könne auch nicht gesagt werden, ob eine Aufhebung der Immunität beantragt werde.

"Welt" hat Jörg Dornau einen umfangreichen Fragenkatalog übermittelt. Eine Antwort erfolgte nicht.

Bildunterschrift: Jörg Dornau (l.): AfD-Politiker in Sachsen, Zwiebel-Züchter in Belarus.

Bildunterschrift: Wichtiges Beweismittel: Diese Deklaration zeigt, dass die Embargo-Ware über Kasachstan zu Dornaus belarussischer Zwiebel-Farm gelangt ist.

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die tageszeitung Online, 05.12.2024:

AfD-Streit um die Junge Alternative / Offene Feldschlacht in der Höcke-Jugend

05.12.2024 - 14.49 Uhr

Aus der Jungen Alternative (JA) sollen die Jungen Patrioten (JP) werden. Der Vorschlag des AfD-Bundesvorstands stößt auf erheblichen Widerstand.

Von Gareth Joswig

Berlin (taz). Ist das noch Parteistreit oder schon eine offene Feldschlacht um die extrem rechte AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA)? Die JA-Chefin Brandenburg Anna Leisten, die sich selbst auf ihrem Instagram-Profil als "eiserne Soldatin" vorstellt und beim Wehrsport gerne durch den Matsch robbt, hat zum Angriff gegen die AfD-Spitze geblasen. Diese plant im Einvernehmen mit dem JA-Bundeschef Hannes Gnauck die Auflösung oder Abspaltung der bisherigen Parteijugend.

"Eine Auflösung unserer Organisation ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig falsch, und wir haben andere wichtige Aufgaben zu meistern", postete Leisten, die als Beisitzerin auch im Vorstand der Bundes-JA sitzt. Sie kündigte Widerstand gegen den JA-Chef Gnauck an: Sie freue sich auf den Bundeskongress in Apolda im Februar, schreibt Leisten auf X, weil man dort "einen neuen Bundesvorstand wählen" werde.

Für noch mehr Feldschlacht sorgten ihre Kollegen aus dem JA-Vorstand: Der stellvertretende Bundesvorsitzende Sven Kachelmann aus Bayern forderte: "Wer seine Partei so abschießen will, sollte sein Amt räumen." Und wenn man schon mal dabei ist: "Jetzt heißt es Stahlhelm auf und ab in den Schützengraben. Unsere JA nehmen sie uns nicht", schrieb JA-Vize-Chef Nils Hartwig laut Table Media in einem internen Chat.

Krach war also programmiert bei einer Sitzung der JA am Mittwochabend: Das digitale Treffen dauerte nach taz-Infos über zwei Stunden und verlief kontrovers. Vor allem die JA-Landesverbände in Bayern, Brandenburg, Thüringen und NRW sperren sich gegen die vom AfD-Bundesvorstand beschlossene Satzungsänderung, die weiten Teilen der Jugendorganisation über die Medien bekannt wurde.

JA gründet eigene Satzungskommission

JA-Chef Hannes Gnauck sagte der taz, dass es bei der Sitzung am Mittwoch weder für noch gegen den Vorschlag des Bundesvorstands eine Mehrheit gegeben habe. Im Ergebnis habe man eine Satzungskommission gegründet, um Änderungen am Vorschlag zu erarbeiten. Gnauck sagte: "Der Vorschlag des Bundesvorstands ist ja nicht in Stein gemeißelt."

Allerdings räumt Gnauck einen Kritikpunkt ein: Es sei sehr unglücklich gewesen, dass die Satzungsänderung zuerst den Medien vorlag, bevor die JA informiert worden sei - "aber das manche jetzt vorgeben, angesichts der Änderungen aus allen Wolken zu fallen, ist schlicht nicht ehrlich - das wir an einem Konzept wie dem Juso-Modell arbeiten, war lange bekannt".

Die AfD will am Samstag bei der Nominierung ihrer designierten Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Alice Weidel, in einer Klausur mit den Landessprechern auch über die Zukunft der Parteijugend diskutieren. Mittlerweile ist bekannt, dass der neu zu gründende Verband "Junge Patrioten" (JP) heißen soll. Die bisherigen Pläne sehen vor, dass jedes AfD-Mitglied unter 36 Jahren automatisch JP-Mitglied wird und die Parteijugend ein "rechtlich unselbständiger Teil" der Partei werden soll. Ähnlich ist es auch bei anderen Parteien, etwa bei den Jusos in der SPD geregelt.

Der Bundesvorstand will besser disziplinarisch durchgreifen können und gleichzeitig die Jugendorganisation und ihre Mitglieder vor einem drohenden Verbot schützen können. Von Deradikalisierung oder Mäßigung ist nicht die Rede. Die JA ist zwar als Parteijugend anerkannt, agiert bisher aber als formal unabhängiger Verein. Der AfD-Bundesvorstand hat keinen Zugriff auf die Mitglieder, die bis ins rechtsterroristische Spektrum reichen. Der neue, zur Partei gehörende Jugendverband wäre durch das Parteiengesetz zudem juristisch besser geschützt, man könnte ihn nicht wie einen einfachen Verein verbieten. Die dafür notwendige Satzungsänderung müsste auf dem Parteitag in Riesa Mitte Januar mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden - ob die bis dahin steht: unklar.

"Junge Patrioten" hätten 6.500 Mitglieder

Bisher soll die JA rund 2.500 Mitglieder und 500 Förderer haben, die Hälfte der JA-Mitglieder sollen auch AfD-Mitglieder sein. Die neue Jugendorganisation hätte laut AfD rund 6.500 Mitglieder. Die Bundesspitze plant, bis zum 31. Mai 2025 sämtliche Mitglieder unter 36 zur "ersten bundesweiten Mitgliederversammlung der Jungen Patrioten" einzuladen, um ein "Jugend-Statut" zu beschließen und einen Vorstand zu wählen. Mit Genehmigung des Jugend-Statuts durch den AfD-Vorstand verlöre die JA die Anerkennung als Jugendorganisation der AfD, wie der taz vorliegende interne Dokumente zur Satzungsänderung zeigen.

Geht es nach dem Willen der AfD-Spitze, hat sich die JA bis dahin auf ihrem Bundeskongress in Apolda am 1. Februar selbst aufgelöst - dafür bräuchte es allerdings eine Mehrheit von über 90 Prozent - und die scheint angesichts des erheblichen Gegenwinds unwahrscheinlich.

Auch auf der rechtslastigen Social-Media-Plattform X gab es Spott für die Änderungspläne von rechtsextremen Online-Aktivistinnen, -Aktivisten: Einer teilte das Zeichen der DDR-Kinderorganisation der Jungen Pioniere, die ebenfalls mit JP abgekürzt wurden, und schrieb dazu "Seid bereit!".

Das Neonazi-Vorfeld in Sachsen warnte ebenfalls vor den Plänen der AfD-Spitze: So schrieb Michael Brück von den Freien Sachsen auf seinem Telegram-Kanal: "Für die JA gilt die unsägliche Unvereinbarkeitsliste der AfD bisher nicht, sie kann selbst entscheiden, wer mitmacht. Deshalb ist die JA ein wichtiger Vernetzungsakteur im patriotischen Milieu." Er halte die Eingliederung für "eine perfekte Möglichkeit für das angepasste AfD-Führungspersonal, unbequeme JAler auszusortieren".

Spaltung der JA steht bevor

Innerhalb der JA-Führung gibt es allerdings auch Fürsprecher für eine Neugründung, wie etwa den als schwulenfeindlich, ultralibertär und radikal bekannten EU-Abgeordneten und JA-Vize-Sprecher Tomasz Froelich. Der schrieb auf X, dass für ihn mit stärkerer Parteibindung keine "Abstrich von unseren Positionen" einhergehe, sondern ein "stärkerer Schutz vor Repressionen". Eine stärkere Anbindung sei daher "ein Erfolg, keine Kriegserklärung", schrieb er: "Trotzreaktionen sind unangebracht."

Langfristig läuft es wohl auf eine Parallelstruktur heraus. Der rechtsextreme Kopf der Identitären, Martin Sellner, forderte: "Wenn sich diese Eingliederung / Auflösung noch verhindern lässt, sollte sie aus meiner Sicht verhindert werden. Das Risiko einer zahnlosen Parteijugend, die ihrer Aufgabe noch nachkommen kann, ist einfach zu groß." Sonst würde die AfD zu "parlamentspatriotisch" - und es komme nicht zur "Remigration" - also der Vertreibung derjenigen, die nach rassistischen Kriterien nicht in das völkische Weltbild passen.

Falls die Eingliederung unter dem Label Junge Patrioten nicht zu verhindern sei, plädiert Sellner dafür, die JA als freien Verein fortzuführen - als eine Art Aktionskomitee im Stile der amerikanischen "Super PACs", wie er es formulierte. Man solle radikale Kampagnen und Aktionen für die Partei organisieren, die den Diskurs weiter nach rechts verschieben, aber getrennt bleiben, dann könne die AfD "plausibel" abstreiten, dass die Ultraradikalen zur Partei gehörten, aber "zugleich indirekt unterstützt werden".

Sellners Vorschläge stoßen durchaus auf Anklang im Partei-Vorfeld. Es ist also wahrscheinlich, dass sich die bisherige Jugendorganisation schlicht spaltet - vor allem, weil es 90 Prozent der Stimmen beim JA-Bundeskongress bräuchte, um die JA aufzulösen. Wo die Brandenburger JA-Chefin Anna Leisten steht, ist klar: Sie teilte Sellners Vorschlag auf X.

Bildunterschrift: Anna Leisten bei einer Kundgebung der Rechtsextremen.

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Kölner Stadt-Anzeiger Online, 05.12.2024:

Junge Alternative / Auch NRW-AfD spricht sich für Gründung einer neuen Parteijugend aus

05.12.2024 - 07.00 Uhr

Von Lena Heising

In Nordrhein-Westfalen gilt das Verhältnis zwischen AfD-Spitze und Parteijugend als besonders angespannt. Bereits seit einem Jahr ruht in NRW die Finanzierung der Jungen Alternative.

Die AfD in NRW unterstützt den Vorstoß des Bundesvorstands, die "Junge Alternative" (JA) als Parteijugend zu ersetzen. Das teilte die Partei auf Anfrage dieser Zeitung mit. "Gerade jetzt, wo wir bei jungen Menschen immer mehr Zuspruch finden, brauchen wir eine starke, professionelle und breit aufgestellte Jugendorganisation", sagt ein Sprecher. "Es wäre eine Win-Win-Situation für Partei und Jugendorganisation."

Der Bundesvorstand entschied am Montagabend über eine Satzungsänderung, nach der eine neue Jugendorganisation gegründet werden soll. Geplant ist ein Modell wie bei den Jusos und der SPD: AfD-Mitglieder unter 36 werden automatisch auch Teil der Jugendorganisation. Gleichzeitig müssen alle Mitglieder der Jugendorganisation auch Parteimitglied werden. Der Landesverband NRW zählte bei den Gesprächen zu den Befürwortern einer neuen Jugendorganisation.

Die "Junge Alternative" ist als Verein eigenständig und nicht offizieller Teil der AfD. Dadurch kann die AfD die JA nicht zwangsauflösen, doch sie kann ihr die Funktion als Parteijugend aberkennen.

Finanzierung der JA ruht in NRW

Die Partei scheint sich damit die Kontrolle über die eigene Jugend zurückholen zu wollen, die selbst der AfD zu weit nach rechts abzudriften scheint. Während die AfD beispielsweise den Begriff "Remigration" aus ihrem vorläufigen Parteiprogramm entfernte, druckte ihn die Junge Alternative auf Banner. Das so genannte "Vorfeld" der JA, in dem sich völkische Gruppierungen tummeln, wird für die Parteispitze zum wachsenden Problem - auch bezogen auf eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz.

Der Inlandsgeheimdienst stuft den Bundesverband "Junge Alternative" als "gesichert rechtsextrem" ein, in Nordrhein-Westfalen gilt die JA als rechtsextremer Verdachtsfall. "Es liegen verdichtete Anhaltspunkte dafür vor, dass die "Junge Alternative" nicht nach demokratischen Spielregeln spielt, sondern das eigene rechtsextremistische Regelwerk vorzieht", begründete Innenminister Herbert Reul (CDU) die Einstufung im Dezember 2023. Der AfD-Landesverband NRW wird nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.

Das Verhältnis zwischen AfD-Spitze und JA gilt in NRW als besonders angespannt. Kurz nachdem die Junge Alternative in NRW als Verdachtsfall eingestuft wurde, stellte der Landesverband die Finanzierung der Parteijugend ein. Während Landeschef Martin Vincentz nach außen das Bild einer gemäßigten Partei verbreiten will, hält ein Großteil der JA dem rechtsradikalen Abgeordneten Matthias Helferich die Treue. Dieser hält nichts von einem gemäßigten Kurs. Nach seiner Wahl in den Bundestag 2021 flog er aus der AfD-Fraktion, weil er sich in geleakten Chats als "das freundliche Gesicht des NS" bezeichnete. Im Mai erhob der Landesvorstand neue Vorwürfe gegen Helferich und leitete ein Parteiausschlussverfahren ein.

Parteiausschlussverfahren gegen Mitglieder des JA-Vorstandes in NRW

Weniger als die Hälfte der JA-Mitglieder in NRW sind auch in der AfD, heißt es aus Parteikreisen. Umgekehrt sind mehr als zwei Drittel der AfD-Mitglieder unter 35 Jahren nicht Mitglied der "Jungen Alternative". Gegen zwei Mitglieder des JA-Vorstands in NRW laufen oder liefen Parteiausschlussverfahren. Nils Hartwig wurde bereits erstinstanzlich aus der Partei ausgeschlossen. Trotzdem wählte die Junge Alternative NRW ihn im Oktober zum stellvertretenden Vorsitzenden, dazu ist er Vize im Bundesverband. Gegen den Beisitzer Elia Sievers läuft ein Ausschlussverfahren, weil er im Streit auf X (ehemals Twitter) die Abschiebung der jesidischen Ehefrau eines AfD-Politikers gefordert haben soll, die deutsche Staatsbürgerin ist.

Um der JA tatsächlich den Status als Parteijugend abzuerkennen, braucht die AfD-Spitze auf dem Parteitag im Januar eine Zweidrittelmehrheit. Dann entscheidet sich, ob die AfD eine neue Jugendorganisation aufbaut, oder die derzeitige durch Reformen enger an sich bindet.

Bildunterschrift: Ein Mitglied der "Jungen Alternative" (JA), Jugendorganisation der AfD, trägt auf einer Wahlkampfveranstaltung eine Fahne mit dem Logo der Organisation.

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Neue Westfälische, 05.12.2024:

AfD-Nachwuchs soll "Junge Patrioten" heißen

Der vom Bundesvorstand geplante Neustart der Jugendorganisation trifft dort zum Teil auf heftigen Widerstand

Jan Sternberg

Berlin. In Chats der AfD kursiert zur Zeit ein Bild, das in der Rechtspartei nicht alle witzig finden. Es zeigt das blaue Halstuch der Jungen Pioniere der DDR, dazu das Logo mit den stilisierten Buchstaben "JP" und der Losung "Seid bereit!". Die neue AfD-Jugendorganisation wird sich die Initialen mit der sozialistischen Kinder-Massenorganisation teilen, und daran zu erinnern, trifft in der Partei auf gewissen Missmut.

"Junge Patrioten" (JP) soll der Nachfolger der Jungen Alternative (JA) als offizieller Jugendverband der Partei heißen. Das wurde dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) aus führenden Parteikreisen bestätigt.

Der Name soll am Samstag beschlossen werden. Bundes- und Landesvorstände der AfD kommen dann in Berlin zusammen, um Parteichefin Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin zu küren.

Alle Parteimitglieder zwischen 16 und 35 Jahren sollen automatisch Teil der neuen JP werden, so sieht es eine Satzungsänderung vor. Jugendliche zwischen 14 und 16 können der JP beitreten und müssten nach Vollendung des 16. Lebensjahres auch in die Partei eintreten. Der Vorsitzende des Jugendverbands soll automatisch dem AfD-Parteivorstand angehören, aber kein Stimmrecht haben.

Die Satzungsänderung muss auf dem AfD-Parteitag im Januar im sächsischen Riesa mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Der JA-Vize und AfD-Europa-Abgeordnete Tomasz Froelich kündigte auf dem Sozialen Netzwerk X eine weitere Debatte an: "Wichtig ist, dass die JA sich nun konstruktiv in die Debatte um ihre eigene Zukunft einbringt und den Einfluss, den sie anstrebt, in den kommenden Tagen und Wochen entsprechend artikuliert." Der Satzungsentwurf des Bundesvorstands sei "noch nicht in Stein gemeißelt", schrieb Froelich. "Über die künftige Rolle und die Stimmrechte des JA-Vorsitzenden im AfD-BuVo, über die finanziellen Mittel für Jugendarbeit, über den Namen der Jugendorganisation, über das Ausmaß ihrer Autonomie - über all das lässt sich noch diskutieren."

Damit will Froelich den JA-Chef und das AfD-Bundesvorstandsmitglied Hannes Gnauck gegen teils heftige Kritik verteidigen. In AfD-Chat-Gruppen wird die geplante Satzungsänderung bereits als "verräterischer und charakterloser Anschlag auf die eigene Parteijugend" bezeichnet. JA-Chef Gnauck, der die Neugliederung mit in den Bundesvorstand eingebracht hat, wird zum Rücktritt aufgefordert. Andere kündigen an, auf dem Bundeskongress der JA am 1. Februar einen neuen Vorstand zu wählen.

Nach dem Fahrplan der Satzungsänderung wäre der JA-Bundeskongress eher der Zeitpunkt, an dem die Selbstauflösung beraten werden sollte, damit bis zum 31. Mai die JP an den Start gehen kann.

Bildunterschrift: Steht innerhalb der Jungen Alternative in der Kritik: Hannes Gnauck, AfD-Bundestagsabgeordneter und JA-Vorsitzender.

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