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Westfalen-Blatt / Herforder Kreisblatt ,
04.12.2024 :
Das schreibt Schober über Zeit als SS-Soldat
In seinen Memoiren erinnert sich der Ehrenbürger (1917 - 2003) ans Militär - "Wir dachten, wir sollten erschossen werden"
Von Bernd Bexte
Herford (HK). Die Nachricht, dass der frühere Bürgermeister und spätere Ehrenbürger Herfords, Kurt Schober (1917 - 2003), bei der Waffen-SS war, hat für Aufsehen gesorgt. Aber wie sah er selbst diese Zeit? Seine Memoiren geben darüber Aufschluss.
"Mitte November erhielt ich vom Wehrbezirkskommando Herford den Befehl zu einer körperlichen Eignungsprüfung mit anschließendem Wehrdienst zu kommen. Es ging nun alles ganz schnell", beginnt der Absatz in Schobers unveröffentlichter Autobiografie, die sich mit den Ereignissen im Herbst 1944 befasst. Seine verschriftliche Erinnerungen befinden sich in seinem Nachlass, der 2016 dem Kommunalarchiv übereignet wurde. Der damalige Archivar Christoph Laue hat ihn gesichtet und darin die aufschlussreichen Schilderungen aus der Endphase des Zweiten Weltkrieges entdeckt.
Dass Schober zur Waffen-SS eingezogen wurde, verschweigt er darin. Aus seiner Entnazifizierungsakte im Landesarchiv NRW geht dies aber zweifelsfrei hervor. Im obligatorischen Fragebogen hat er dies selbst angegeben. In einem Aufsatz im neuen Historischen Jahrbuch des Kreises Herford ist dies jetzt erstmals öffentlich gemacht worden.
"Nur vier Wochen ausgebildet"
Sein eigener Blick auf diese Zeit dürfte eine nicht unerhebliche Rolle bei der Bewertung dieses Kapitels der Schoberschen Biografie spielen, die die Stadt angekündigt hat (siehe Info-Kasten). In seiner Entnazifizierungsakte, die Schober als "unbelastet" ausweist, ist von einer Zwangsrekrutierung zur Waffen-SS die Rede. Der Herforder, aufgewachsen auf Tonga in der Südsee, war zu diesem Zeitpunkt staatenlos.
"Ich wurde für tauglich befunden und am 1. Dezember zu einer Infanterieeinheit nach Spreenhagen östlich von Berlin eingezogen. Wir, lauter Westfalen, darunter viele Bergleute aus dem Ruhrgebiet, wurden nur vier Wochen ausgebildet und dann Anfang Januar gegen die Sowjetarmee geschickt", schreibt Schober weiter. Dass es sich bei der Einheit um das 1. Panzergrenadier-Ausbildungs- und Ersatzbataillon der Waffen-SS handelt, bleibt unerwähnt.
"Unter großen Verlusten" habe sich die Einheit nach Landsberg an der Warthe (heute Gorzow in Polen, seit 1995 freundschaftlich mit Herford verbunden) zurückziehen müssen.
"Rest einer zersprengten Einheit"
"Dort kamen wir am 29. 1. an. Die Stadt war noch völlig unversehrt, und wir machten den Versuch, im Osten an der Friedeberger Chaussee Verteidigungsgräben auszuheben. Am Abend des nächsten Tages hörten wir, dass die Russen vom Süden her schon in die Stadt eingedrungen seien. Wir erhielten den Befehl, Landsberg nördlich zu umgehen und zur Oder zu marschieren und zu versuchen, an ihrem Westufer neue Stellungen zu beziehen. Vier Tage und vier Nächte zogen wir, wenig Schlaf findend, durch die Wälder nördlich der Warthe" schildert der damals 27-Jährige das Kriegsgeschehen.
Auf der Landstraße habe er Panzer der Sowjets gen Westen ziehen sehen. Die mit Eisschollen bedeckte Oder habe Hochwasser geführt. "An eine Überquerung war gar nicht zu denken. Erschöpft fielen wir, der Rest einer in den Wäldern zersprengten Einheit, in einer Scheune in einen tiefen Schlaf."
Die Stimme eines polnischen Landarbeiters habe ihn dann geweckt: Die Scheune sei von Soldaten der Roten Armee umstellt. "Uns gegenüber stand eine Einheit sowjetischer Soldaten, die ihre Gewehre auf uns gerichtet hatten. Wir dachten in diesem Augenblick, wir sollten erschossen werden."
Doch so kam es nicht. "Als sie vor uns standen, griffen sie nach unseren linken Armen und nahmen uns unsere Uhren weg. Wir gaben sie leichten Herzens hin." Schober kam später in russische Kriegsgefangenschaft ins 2.500 Kilometer entfernte Astrachan an der Wolgamündung, von wo er aber schon im August entlassen wurde und nach Herford zurückkehrte - am 6. September 1945, seinem 28. Geburtstag.
Bildunterschrift: Dieses Foto zeigt ein Sturmgeschütz und Soldaten der Waffen-SS im Dezember 1944 in der Slowakei. Zu dieser Zeit war der spätere Bürgermeister und Ehrenbürger Herfords, Kurt Schober, Panzergrenadier der Waffen-SS.
Bildunterschrift: In seiner Entnazifizierungsakte hat Kurt Schober angegeben, vom 1. Dezember 1944 bis zur Gefangennahme am 4. Februar 1945 Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein.
So will die Stadt den Fall aufarbeiten
Auch wenn die Ehrenbürgerschaft offiziell mit dem Tod geendet hat: Kann ein ehemaliger SS-Soldat weiterhin in der Ahnengalerie der großen Herforder einen Platz finden? Bürgermeister Tim Kähler hatte gegenüber dem Herforder Kreisblatt angekündigt, den Fall Schober aufarbeiten zu lassen. Mittlerweile gibt es Konkreteres: "Der Verwaltungsvorstand hat Archivarin Jennifer Kröger beauftragt, einen Vorschlag zu machen, welche Uni, welches Institut oder welcher Wissenschaftler in dieser Sache eine fundierte Expertise erstellen könnte." Das dürfe "ruhig ein paar Euro kosten". Schließlich sei man dies Schober und seiner Familie schuldig. "Und vorher werde ich nicht den Stab über ihn brechen." Entscheidend sei, was Schober in der Waffen-SS getan habe.
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Vom 1. Dezember 1944 bis 4. Februar 1945 diente Kurt Schober - späterer Bürgermeister wie Ehrenbürger von Herford - im Alter von 27 in dem 1. Panzergrenadier-Ausbildungs- und Ersatzbataillon der Waffen-SS.
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www.archive.nrw.de/kommunalarchiv-herford
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