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Internationales Autonomes Feministisches Referat für FrauenLesbenTransGender der Universität Bielefeld , 09.04.2005 :

LesbenTransQueers und Asyl / Redebeitrag zur Auftaktveranstaltung der Kampagne "(Z)entrale (A)usländer (B)ehörde abschaffen!"

LesbenTransQueers und Asyl

In 90 Staaten weltweit steht Homosexualität unter Strafe. Wir nennen hier nur einige: Homosexualität ist strafbar in Algerien, Angola, Kamerun, auf den Kapverden, in Libyen, Marokko, im Senegal, in Tunesien, Bangladesh, im Libanon, auf Barbados, in Nicaragua, auf Puerto Rico.

Homosexualität steht unter Strafe in Botswana, Ghana, Gambia, Kenia, Mozambique, Namibia, Nigeria, auf den Seychellen, in Sierra Leone, Tanzania, Uganda, Zimbabwe, in Indien, Malaysia, Nepal, Singapur, auf Sri Lanka, in Usbekistan, auf Jamaica und in weiteren 40 Staaten dieser Erde.

Die Todesstrafe steht auf Homosexualität im Sudan, in Afghanistan, in Pakistan, in Tschetschenien, im Iran, in Saudi-Arabien, in den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Jemen.

In 90 Staaten weltweit werden Lesben und Schwule, Transgender, Transsexuelle, Intersexuelle und Transvestiten verfolgt, in Gefängnisse gesperrt, vergewaltigt, gefoltert und auch ermordet - einzig, weil sie lesbisch oder schwul leben, einzig, weil sie das Geschlecht wechseln oder sich zwischen den Geschlechtern verorten.

FrauenLeseben Transgender sind aber auch in vielen Ländern bedroht und verfolgt, in denen Homosexualität nicht ausdrücklich unter Strafe steht.

Aus vielen dieser Länder sehen sich Lesben gezwungen zu fliehen, um staatlicher und nicht-staatlicher Verfolgung zu entkommen, um sich vor Überfällen, Knast und Folter zu schützen. Lesbisch, schwul oder transsexuell, aber auch nicht – monogam zu leben, stellt die herrschende Geschlechterrolle und die gesellschaftlichen Normen und Werte der Mehrheitsgesellschaft in Frage. Lesben leben bzw. lieben in emotionaler Unabhängigkeit von Männern und gefährden so, bereits durch ihre Existenz, das herrschende patriarchale System.

Dieses sieht vor, dass Frauen, Männer zu lieben haben , dass es nur zwei Geschlechter gibt, d.h. die zu Frauen gemachten Menschen für immer Frauen bleiben müssen. Diese Logik dient der Aufrechterhaltung der geschlechtsspezifischen ungleichen Machtverteilung. Sexualisierte Gewaltverhältnisse werden dadurch ermöglicht und von oftmals gar nicht als solche gesehen. Aus diesem Grund gilt die Flucht vor sexualisierter Gewalt immer noch als Privatangelegenheit und wird bislang im neuen Zuwanderungsbeschränkungsgesetz zwar formal als Fluchtgrund anerkannt, in der Realität jedoch nicht.

LesbenTransFrauen fliehen auch vor Denunziation, Vergewaltigung, unsichtbar gemacht werden, medizinischen Zwangsbehandlungen, Zwangspsychiatrisierung, Zwangsverheiratung Genitalverstümmelung an Frauen und Intersexuellen, Hass, Missachtung, Demütigungen, weil sie sich nicht in die vorgeschriebenen Frauenrollen bzw. Geschlechterrollen pressen lassen wollen.

Oft müssen sie ihre Flucht oder Migration alleine organisieren, also ohne die Unterstützung ihrer Herkunftsfamilie und ihres Umfeldes und ohne die Unterstützung von Leuten hier. Denn nicht selten werden sie verstoßen, wenn sie ihre lesbisch- queere Lebensweise offen legen. Sie werden auch häufig von keiner politischen Organisationen unterstützt, da diese sie in ihrer bedrohte Situation entweder gar nicht ernstnehmen oder - im schlimmsten Falle - selbst homophob bzw. transphob reagieren.

Nicht heterosexuell lebende Menschen sind auch hier in den Flüchtlingsheimen und im Alltag oft isoliert und können häufig nicht offen leben. Zusätzlich zu der homphopen Grundhaltung führen extremen Abhängigkeitsverhältnisse in der BRD in den Institutionen, Knästen und Behörden führen zu Übergriffen, die nicht öffentlich bekannt werden.

Menschen die hierher kommen treffen auf eine Gesellschaft, die durch Zwangszweigeschlechtlichkeit, Heteronormativität und Trans.- bzw- Homophobie geprägt ist. Das äußert sich z.B. auch in der Nicht- Thematisierung dieser Ausgrenzungsmechanismen in linken Zusammenhängen und in extremer Form in der Verhören und Entscheidungen, die in den ZABs gefällt und durchgeführt werden. So begründetet beispielsweise das BAFL (Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) in Würzburg die Ablehnung eines Asylantrags einer Transsexuellen die in ihrem Herkunftsland sexualisierter Gewalt durch Polizisten ausgesetzt war folgendermaßen: "Insbesondere kann dem Antragsteller nicht geglaubt werden das er von vier Polizisten vergewaltigt worden sei. So ist es absolut unvorstellbar, das ausgerechnet die vier Polizisten, die er angezeigt hat, homosexuell veranlagt sein könnten. Dies ist in Südamerika geradezu unmöglich."
Auch die schwul- lesbische Community in der BRD orientiert sich eher an einer Integration in die Dominanzgesellschaft, als das sie den rassistischen Normalzustand verändern will.

Lesben und andere Queers, die hier aufgrund ihrer Verfolgung Asyl beantragt haben, müssen außerdem mit einem psychiatrischen Gutachten nachweisen, dass ihre Homosexualität keine "bloße Neigung" ist. In mehrstündigen Gesprächen mit einem Psychiater müssen sie beweisen, dass es sich bei ihrer Lebensweise um eine "irreversible Prägung" handelt. Diese Zwangs-Gutachten sind demütigend und entwürdigend und gehören abgeschafft!

So wie die deutsche Mehrheitsgesellschaft sprechen auch Richter und Richterinnen lesbisch, schwul, transsexuell lebende Menschen systematisch die Glaubwürdigkeit ab, betrachten sie als krank, als genetisch abweichend oder als Opfer eines unabwendbaren Schicksals.

Nicht heterosexuell zu leben ist keine Veranlagung und auch keine Prägung. Die sexuelle Identität jeder Person ist immer persönlich und gesellschaftlich bedingt. Identität ist nie feststehend, nie biologisch oder genetisch bedingt, nie natürlich, sie ist immer veränderbar.

Transsexuell oder lesbisch zu leben, ist eine Wahlmöglichkeit die Allen offen steht und überall auf der Welt gelebt wird.

Asyl für alle, die sich nicht den Normen der heterosexuellen Dominanzkultur unterwerfen!

Nicht Flüchlinge, sondern Fluchtursachen bekämpfen!
Offene Grenzen für alle!


flref@uni-bielefeld.de

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