Welt am Sonntag ,
08.09.2024 :
Zum Abriss freizugeben?
Ein Gartenhaus in Detmold entpuppt sich als ehemalige Synagoge aus dem 17. Jahrhundert / Doch der Eigentümer, ein Anwalt der rechten Szene, zieht gegen die Bewertung der Denkmalschützer vor Gericht
Es sind nur wenige Schritte von den herausgeputzten Fachwerkhäusern der Detmolder Altstadt bis zur Bruchmauerstraße. Dort, in einem Hinterhof, steht das Haus mit der Nummer 37. Von der Holzverschalung blättert die Farbe, ein paar Bretter sind bereits abgefallen, am Sockel wuchert das Unkraut. Eine Tafel weist auf Kamera-Überwachung hin. Außerdem hängt vor der Fassade ein Banner mit dem Hinweis auf eine Webseite. Die wird vom Eigentümer des Hauses betrieben und soll dem Besucher der Seite vor allem klarmachen, dass es sich bei diesem Gebäude um ein einfaches altes Haus handelt, dessen Abriss kein Verlust wäre. Und damit sind wir mitten in einem Rechtsstreit, der am 19. September vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster verhandelt wird - in einem Streit, in dem es letztlich darum geht, ob Hendrik Schnelle, ein in der rechten Szene vernetzter Rechtsanwalt, es schafft, einen frühen Beleg für jüdisches Leben in Detmold verschwinden zu lassen. Doch der Reihe nach.
Von Andreas Fasel
Bereits vor 14 Jahren stellte der Eigentümer erstmals einen Antrag auf Abbruch des Gebäudes, damals noch als ein um 1770 erbautes Gartenhaus in die Denkmalliste der Stadt Detmold eingetragen. Daraufhin beschäftigten sich die Denkmalbehörden gründlich mit dem Haus. Am Ende dieser Untersuchungen war die Überraschung groß. Auf Grund einer Altersbestimmung der verwendeten Holzbalken schlossen die Forscher auf das Baujahr 1633, zudem fanden sie am und im Haus Hinweise auf eine ursprüngliche Nutzung als jüdisches Bethaus: die Ausrichtung nach Osten mitsamt einer rituell vorgeschriebenen Fensteröffnung, eine Vorrichtung für die Aufbewahrung der Thorarollen und den Standort des Vorlesepultes. Außerdem ließ sich eine in jüdischen Bethäusern übliche Empore für die Frauen der Gemeinde nachweisen.
Für die Bauforscher des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) Fred Kaspar und Peter Barthold ist unzweifelhaft, dass es sich bei dem Haus in der Bruchmauerstraße 37 um eine so genannte Hofsynagoge handle, wie sie für diese Zeit typisch gewesen sei: als bescheidener Fachwerkbau im Hinterhof eines Wohnhauses errichtet, ohne dass die Nutzung nach außen sichtbar werden durfte. Das Haus sei mithin die älteste erhaltene freistehende Hofsynagoge Nordwestdeutschlands und "ein zentrales Zeugnis der jüdischen Bevölkerung in Detmold für die Zeit vor der Mitte des 18. Jahrhunderts", so schreiben Kaspar und Barthold in einem Aufsatz von 2017.
Doch für Hendrik Schnelle ist all das nichts weiter als "Wunschdenken heutiger Zeitgenossen" und eine "Märchengeschichte", wie er auf seiner Webseite schreibt. Er hält weiterhin daran fest, dass das Haus die "abbruchreife Ruine" eines alten Gartenhäuschens sei - und "unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt erhaltenswert".
Schnelles Familie hat das Hinterhof-Gebäude vor Jahrzehnten gekauft. Er selbst betreibt seit 2009 in einem Nachbarhaus eine Rechtsanwaltskanzlei, für die er nun Parkplätze bauen möchte. Eine Anfrage für eine gemeinsame Begehung der Hofsynagoge lehnt er ab, auch stehe er nicht für ein Gespräch mit "Welt am Sonntag" zur Verfügung - und verweist auf seine Webseite.
Der Fall zieht Kreise
Dort sind alle Argumente und Einwendungen nachzulesen, mit denen Schnelle juristisch gegen die neue Denkmal-Bewertung vorgeht, um den Abbruch durchzusetzen. Im Wesentlichen stützt sich Schnelle auf rekonstruierte Stadtpläne des 17. Jahrhunderts, in denen das Gebäude nicht eingezeichnet ist. Außerdem führt er Urkunden an, denen zufolge der Graf zur Lippe den Juden erstmals im Jahr 1666 die Erlaubnis erteilte, ihre Feste zu feiern. Folglich könne es in den Jahren davor keine Juden in Detmold und mithin keine Synagoge gegeben haben. Beim Verwaltungsgericht in Minden blieb Schnelle damit erfolglos. Er reichte Berufung ein, nun liegt die Entscheidung beim Oberverwaltungsgericht Münster.
Und der Fall, der zunächst nur eine lokale Denkmal-Posse zu sein schien, zieht immer weitere Kreise. Das überregionale Interesse erklärt sich nicht allein aus der Hartleibigkeit, mit der Hendrik Schnelle den Abriss seines Hauses durchsetzen will. Vielmehr steht der Verdacht im Raum, dass er den Befund der Forscher, wonach sich auf dem Grundstück seiner Familie eine ehemalige Synagoge befindet, aus anderen Gründen abstreitet.
Informationen über Schnelle sind nicht schwer zu beschaffen: Er sei ein breit vernetzter Szene-Anwalt der extremen Rechten, so die Auskunft der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Ostwestfalen-Lippe. Zu seinen Mandanten gehören einige bekannte Rechtsradikale - etwa der Neonazi Robin Schmiemann aus dem Umfeld der NSU-Terroristin Beate Zschäpe.
Zwar ist ist es die Aufgabe von Rechtsanwälten, auch Mandanten zu verteidigen, deren Gesinnung sie nicht teilen. Doch gibt es Hinweise, dass Schnelle selbst ihrem ideologischen Spektrum angehört. 2002 wurde er selbst wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt - weil laut Landgericht Detmold erwiesen war, dass Schnelle gegenüber einer Jungsozialistin erklärt hatte, man müsse "alle Schwulen vergasen wie damals die Juden". In einer früheren Stellungnahme gegenüber "Welt am Sonntag" sprach Schnelle von einem "Fehlurteil". Und beteuerte, er sei "politisch so neutral wie die Schweiz".
Einer, der Hendrik Schnelles Agieren genau beobachtet, ist Oliver Arnhold. Der promovierte Theologe und Studiendirektor ist einer der Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GfCJZ) in Lippe, die im Februar zusammen mit anderen Gruppen und der Lippischen Landeskirche ein Aktionsbündnis für den Erhalt der Hofsynagoge gegründet hat. Eine der ersten Aktionen war das Erstellen der Webseite hofsynagogedetmold.de, um im Netz den Behauptungen Schnelles etwas entgegenzusetzen.
Arnhold organisiert auch Austausch-Programme mit Israel. Als seine Schüler zur Vorbereitung eines solchen Austauschs das verfallende Haus in der Bruchmauerstraße besucht hätten, so berichtet Arnhold, "da sagte eine Schülerin, es sei ihr peinlich, wenn die Gäste aus Israel zu sehen bekämen, wie in unserer Stadt mit Spuren jüdischer Geschichte umgegangen wird". Daraufhin erarbeiteten die Schüler eine Open-Air-Ausstellung zu jüdischen Spuren in Detmold - und zeigten sie an der Bruchsteinmauer gegenüber der ehemaligen Synagoge. "Und als Reaktion auf die Eröffnung im April 2022 brachte Schnelle das Banner an, mit dem er für seine Webseite und den dort enthaltenen Fake News wirbt", berichtet Arnhold.
Die Sache mit dem Banner, sagt Arnhold, sei nur eine von vielen Provokationen, mit denen Schnelle öffentlichkeitswirksam verbreite, dass er nicht viel von jenem "respektvollen Umgang" mit der Hofsynagoge hält, den die GfCJZ und ihre prominenten Unterstützer wie beispielsweise Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordern. Im November 2023 veranstaltete Schnelle im Gebäude eine Halloween-Feier und klebte Horrorfratzen in die Fenster. Kurz darauf ließ er darin eine Lichtinstallation in den Farben der Palästina-Flagge aufbauen und erklärte in einer Mitteilung, nicht der Angriff der Hamas auf Israel sei der Anlass, sondern eine Abstimmung in der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur humanitären Not im Gazastreifen.
Die Stadt wartet ab
Hendrik Schnelle weiß also zu taktieren. Und nicht jeder Versuch, ihn in die Schranken zu weisen, ist geglückt. Als beispielsweise die Detmolder Denkmalbehörde von ihm verlangte, sein Banner am Haus abzunehmen, ging er gerichtlich gegen die Anordnung vor - und bekam Recht. Nun scheint bei der Stadt die Devise zu gelten, erst einmal abzuwarten, was die Gerichtsverhandlung am 19. September bringt.
"Ich wünsche mir hier eine Stätte der Begegnung für Menschen aller Religionen"
Matitjahu Kellig, Jüdische Gemeinde Herford-Detmold
Und dann? Wird es je "eine historische Begegnungsstätte für alle Menschen aller Religionen" in der alten Hofsynagoge geben, wie sie sich Matitjahu Kellig, der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold, wünscht? Wird es Hendrik Schnelle, wie von ihm angekündigt, tatsächlich schaffen, bis vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen, sollte das Oberverwaltungsgericht das Abbruch-Verbot bestätigen? Und: Wie lange wird das marode Haus überhaupt noch durchhalten?
Bildunterschrift: Am Haus in der Bruchmauerstraße 37 stellten Forscher typische Baumerkmale einer sogenannten Hofsynagoge fest.
_______________________________________________
Welt am Sonntag, 01.01.2023:
Der Anwalt und die Synagoge
In Detmold steht das älteste jüdische Gotteshaus Norddeutschlands. Der wegen Volksverhetzung verurteilte Besitzer will das einzigartige Zeugnis jüdischen Lebens abreißen, um Parkplätze anzulegen.
Ein paar Meter vor dem Gebäude bleibt Matitjahu Kellig stehen. Es war einmal eine Hofsynagoge, vor langer Zeit. Heute ist es eine Abstellkammer. Die Holzfassade ist verwittert, vor den Fenstern hängt Draht, an der Außenwand wuchert Efeu. Und obwohl Kellig als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Detmold in gewisser Weise Rechtsnachfolger der Gemeinde ist, die dort im 17. und 18. Jahrhundert betete, will Kellig dem Haus nicht zu nahe kommen. Es gehört dem Rechtsanwalt Hendrik Schnelle und steht auf dessen Privatgelände. "Das ist ein Neonazi", sagt Kellig.
Von Frederik Schindler aus Detmold
Anwalt Schnelle wiederum hält die älteste Synagoge Norddeutschlands für einen "Schandfleck im Stadtbild", wie er einem Lokalreporter im zurückliegenden Jahr mitteilte. Er will das denkmalgeschützte Gebäude abreißen und durch Parkplätze für seine Kanzlei ersetzen. Dort bereitet Schnelle immer wieder Verteidigungsschriften für Rechtsradikale vor. Zu seinen Mandanten gehörte etwa der Neonazi Robin Schmiemann, der mit einer Brieffreundschaft zur NSU-Terroristin Beate Zschäpe für Aufmerksamkeit sorgte.
"Hendrik Schnelle ist ein breit vernetzter Szene-Anwalt der extremen Rechten", sagt Dario Schach von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Ostwestfalen-Lippe. Tatsächlich ist Schnelles Mandanten-Liste aus diesem Spektrum lang: Neben Schmiemann ist da etwa der im Zusammenhang mit einer NPD-Demonstration verurteilte Neonazi Lennard S.; Dan B., Führungsfigur der "Autonomen Nationalisten Bückeburg", sowie der "Heimattreue Deutsche Jugend"-Aktivist Andreas H. Auch Michael Stürzenberger, der vom bayerischen Verfassungsschutz als "zentrale Person der verfassungsschutzrelevanten islamfeindlichen Szene" beobachtet wird, ließ sich von Schnelle vertreten.
Zwar ist es die Aufgabe von Rechtsanwälten, ihre Mandanten unabhängig von deren Gesinnung zu verteidigen. Rechtsextreme lassen sich allerdings wie auch etwa Islamisten häufig von so genannten Szene-Anwälten vertreten, die selbst aus deren ideologischen Spektrum kommen. Dazu gibt es mehrere Indizien. So werden auf der Homepage eines selbst ernannten "wissenschaftlichen Instituts", das Schnelle als Rechtsanwalt führt, eindeutige Inhalte verlinkt, etwa von einer Zeitschrift des Instituts für Staatspolitik, das vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Und: Schnelle wurde im Jahr 2002 selbst wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht Detmold sah es damals als erwiesen an, dass Schnelle gegenüber einer Jungsozialistin erklärt hat, man müsse "alle Schwulen vergasen wie damals die Juden". Zudem habe er in einer Gaststätte geäußert, dass die "weiße Rasse mehr wert als die Schwarzen" sei, und in einem Fitnessstudio, dass man "alle Ausländer abknallen" müsse. Bei den letzten beiden Äußerungen fehlte es an der für die Annahme der Volksverhetzung erforderlichen Öffentlichkeit. Heute spricht Schnelle "Welt am Sonntag" gegenüber von einem "Fehlurteil". Ein Treffen in seiner Kanzlei sagt er kurz vor dem Termin wieder ab. Einige Fragen beantwortet er knapp per Mail. Die Gesamtheit seiner Mandanten sei ein "Spiegelbild der Gesellschaft", schreibt Schnelle: "Ich bin politisch so neutral wie die Schweiz."
Auf einer eigens eingerichteten Homepage zum "Detmolder Denkmalstreit" schreckt er allerdings nicht davor zurück, sich mit einer schwulenfeindlichen und den Nationalsozialismus relativierenden Karikatur zu verteidigen - und sich indirekt selbst mit den Opfern des Nationalsozialismus zu vergleichen. So zeigt die Zeichnung einen SA-Mann im Jahr 1933 vor der Synagoge mit einer Sprechblase: "Enteignet den Eigentümer der Synagoge!" Daneben die Synagoge im Jahr 2022. An der Stelle des SA-Manns steht Grünen- Politiker Volker Beck, der im pinkfarbenen Kleid ebenfalls nach Enteignung ruft. Tatsächlich hat Volker Beck als Geschäftsführer des gegen Antisemitismus kämpfenden Tikvah Instituts die Enteignung des Gebäudes gefordert, um den Abriss zu verhindern.
Dass das Gebäude eine Synagoge aus dem Jahr 1633 ist, bezeichnet Schnelle als "Wunschdenken heutiger Zeitgenossen". Auch die Mutter des Rechtsanwalts, Erika Schnelle, die in der Detmolder Fußgängerzone eine Buchhandlung betreibt, bestreitet, dass es sich um eine Synagoge handelt. Das Gebäude sei nach dem Tod ihres Mannes in ihren Besitz gekommen, der habe es von seinem Vater geerbt, erzählt sie an einem Abend kurz vor Ladenschluss. "Ich habe es vor 35 Jahren mal eigenhändig gestrichen", sagt sie. "Das war keine Synagoge." Die wissenschaftlichen Belege? "Das glaube ich nicht", sagt sie. Und auch den Verdacht, ihr Sohn könnte rechtsradikal sein, weist sie zurück: "Er ist Strafverteidiger", sagt sie, "kein Rechtsextremist".
Bärbel Sunderbrink, Leiterin des Detmolder Stadtarchivs, kennt alle historischen Quellen zu dem Gebäude. Vor ihr liegen ein Gutachten und ein Urkataster, ein jahrhundertealtes Verzeichnis von Grundstücken. Das Gutachten, in dem die Jahresringe der für den Synagogen-Bau verwendeten Bäume datiert wurden, stammt aus dem Jahr 2011: Aus jenem Jahr, in dem Erika Schnelle als damalige Eigentümerin den Abriss des Denkmals beantragt hat.
Bis dahin hielt die Stadt das Gebäude für ein um 1770 errichtetes Gartenhaus, so wurde es im Jahr 1988 in die Denkmalliste Detmolds eingetragen. Das niedersächsische Denkmalschutzgesetz war da gerade mal zehn Jahre alt, die Begutachtung der Gebäude mit historischem Baubestand eher oberflächlich. Bevor man 2011 einen Abbruch genehmigt hätte, wollte es die Stadt deshalb lieber genauer wissen. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe untersuchte den Baubestand, konnte nachweisen, dass das Holz 1632 geschlagen und im Jahr darauf verbaut worden war.
Dass das Gebäude als Synagoge errichtet wurde, belegten Historiker an Hand der Einrichtung. Bärbel Sunderbrink zeigt auf die Rekonstruktionszeichnungen des Grundrisses und sagt: "Hier ist das Zwischengeschoss mit der Frauenempore, dort der Schrein mit der Tora." Das Fenster zeigt in Richtung Osten - Jerusalem. So ist es im Talmud vorgeschrieben. Auch der Standort der Bima, von dem die Tora vorgelesen wird, konnte rekonstruiert werden.
Bis 1742 ist die Nutzung als Synagoge gesichert, danach wurde das Gebäude zu einem Wohnhaus umgebaut. Belegt ist ein Streit zwischen der Jüdischen Gemeinde und dem Stadtmusikanten Julius Spangenberg aus dem Jahr 1723. Dem Musikus gehörte das Gebäude, im Vorgängerbau ließ er Theater-Gruppen ihre Kulissen lagern. Den Juden war es daher nicht möglich, die Synagoge zu betreten, ohne ihre Kleidung zu beschädigen -sie beschwerten sich. "Über diesen Konflikt wissen wir ganz sicher, dass es in diesem Haus eine Synagoge gab", sagt Sunderbrink.
Die heutige Jüdische Gemeinde Detmolds ist sehr klein, hat zusammen mit dem benachbarten Herford gerade einmal 80 Mitglieder. "In 15 Jahren sind wir alle tot", sagt der Vorsitzende Matitjahu Kellig in einem Café nahe der Synagoge. Kellig wurde 1949 in Schwäbisch Hall geboren, als Kind deutscher Juden. Zu Hause stand ein Klavier, und sobald er die Finger darauf legen konnte, spielte er. Er studierte in Stuttgart und München Musik, trug lange Haare, ging auf Demonstrationen. "Gegen alles", erinnert er sich. "Aber trotzdem habe ich viel Klavier gespielt." Später zog Kellig in einen Kibbuz nach Israel, tourte als Pianist durch 70 Länder. Seit mehr als 30 Jahren lebt er in Detmold.
An die Politik hat er eine klare Forderung: "Alle Paragrafen müssen gesucht und gefunden werden, damit Schnelle dazu gebracht wird, das Gebäude zu erhalten." Zuletzt lehnte das Verwaltungsgericht Minden im Mai 2022 eine Klage von Schnelle auf Abbruchgenehmigung ab. "Das Vorhaben verstößt gegen Vorschriften des Denkmalrechts", heißt es in dem Urteil. Als "einzigartiges Zeugnis jüdischer Geschichte in Nordwestdeutschland" gelte es, das Denkmal zu erhalten.
Derzeit muss das Oberverwaltungsgericht Münster über die Zulassung der Revision entscheiden. Die Stadt hat angeboten, das Gebäude abzukaufen. "Das Grundstück wird nicht verkauft", schreibt Hendrik Schnelle per Mail. Er hat bereits angekündigt, dass er zur Not vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen will.
Bildunterschrift: Bis zu einem Gutachten 2011 galt die Synagoge als profanes Gartenhaus.
Bildunterschrift: Matitjahu Kellig, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, kämpft für den Erhalt des historischen Gotteshauses. "Der ist ein Neonazi", sagt er über den Besitzer der früheren Synagoge.
_______________________________________________
Am 19. September 2024 verhandelt das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW eine Klage vom Szene-Anwalt Hendrik Schnelle auf Erteilung einer baurechtlichen Abbruchgenehmigung für die Hofsynagoge in Detmold.
Am 19. Mai 2022 bezeichnete Szene-Anwalt Hendrik Schnelle in einer "Pressemitteilung", die freistehende Hofsynagoge (aus dem Jahr 1633) in der Bruchmauerstraße 37 in Detmold als "Schandfleck im Stadtbild".
Am 18. Mai 2022 wies das Verwaltungsgericht Minden eine Klage des Szene-Anwalts Hendrik Schnelle, auf Erteilung der Abbruchgenehmigung für die Hofsynagoge (1633) in der Bruchmauerstraße 37, Detmold, ab.
_______________________________________________
www.jg-hf-dt.de
|