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Die Glocke , 08.09.2003 :

Von der Pflicht, nie zu vergessen

Schloß Holte-Stukenbrock (hgk). Als Elfjähriger wurde er aus Russland zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Gemeinsam mit Kriegsgefangenen aus dem Stukenbrocker Stalag 326 arbeitete er in einer Textilfabrik in Brackwede. Am Samstag brachte Dr. Naumow seinen Enkel zur Gedenkveranstaltung des Arbeitskreises" Blumen für Stukenbrock" mit, und legte mit ihm gemeinsam Blumen nieder.

"Es ist unsere Pflicht, der neuen Generation ein gutes Erbe zu hinterlassen", betonte Dr. Naumow. Es freue ihn, dass sich in den vergangenen Jahren so viele Kontakte zwischen Deutschen und Russen entwickelt hätten. Naumow ist Zeitzeuge. 1945, nach der Befreiung des Stalag, war er Gast bei der Übergabe des Obelisken.

Hauptredner Prof. Dr. Norman Paech aus Hamburg ging wegen des Irak-Krieges hart mit der Politik der USA und Englands ins Gericht. Für ihn sind die beiden Staaten Mächte, die den mittleren Osten, von der Türkei bis Afghanistan, zur Kolonie machen zu wollen. "Der Irak ist die vorletzte Etappe auf dem Weg nach Teheran."

Wenn die USA davon redeten, die arabische Welt demokratisieren zu wollen, entpuppe sich das als banale Sicherung der Energiequellen. Es sei völlig falsch, den Krieg wieder auf den vordersten Platz der Mittel zu rücken. "Wer hat denn die Diktatoren, wie Zauberlehrlinge, herangezogen?", fragte Paech. Nur die UNO sei wirklich in der Lage, für echten Frieden in der Krisenregion zu sorgen.

NRW-Verkehrsminister Dr. Axel Horstmann mahnte als Vertreter des Landes, die Bedingungen, unter denen Kriege entstünden, zur Debatte zu stellen und offen zu legen. "Eine Schwester des Krieges ist die Lüge", sagte Horstmann. Oft gehe es um Ressourcen. Auch bei Konflikten in Afrika spielten westliche Länder durchaus eine Rolle.

Regierungspräsident Andreas Wiebe forderte die Stadt Schloß Holte-Stukenbrock und den Kreis Gütersloh auf, die Arbeit der Stalag-Dokumentationsstätte endlich besser zu fördern. Leider seien hier immer noch Ressentiments spürbar. Nur spreche man sie nicht mehr so offen wie früher aus.

Rund 200 Besucher der Mahn- und Gedenkveranstaltung des Arbeitskreises "Blumen für Stukenbrock" erlebten diesmal Ana Maria Diaz aus dem chilenischen Santiago als Sängerin und Gitarristin.

In einem Camp hatten sich zuvor auch 20 junge Leute aus Dormagen drei Tage mit der Lagergeschichte beschäftigt. Werner Höner, Vorsitzender des Arbeitskreises, zeigte sich dankbar für jeden gespendeten Euro, den er Überlebenden des Stalag überweisen kann. Ein Höner-Dankeschön galt zudem der Stadt Schloß Holte-Stuken- brock. Sie habe die Gedenkstätte nach einem Wirbelsturm im Juli schnell wieder hergerichtet.

Unter den Gästen aus dem Ausland waren diesmal Vertreter der Botschaften Weißrusslands, Polens, Italiens und Russlands.


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