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Vlothoer Zeitung / Westfalen-Blatt , 26.11.2003 :

Collegium Humanum durchsucht, Zeitschrift beschlagnahmt - Vorwurf: "Vernichtung der Juden geleugnet"

Vlotho (VZ). Die Staatsanwaltschaft Bielefeld und der Staatsschutz haben gestern Vormittag die Räumlichkeiten des Vereins Collegium Humanum und die Privatwohnung von Ursula Haverbeck-Wetzel auf dem Winterberg und die Vlothoer Druckerei Deppe an der Herforder Straße durchsucht. 20 Exemplare der vom Collegium Humanum herausgegebenen September-/Oktober-Ausgabe der Zeitschrift "Stimme des Gewissens" wurden beschlagnahmt. Ursula Haverbeck-Wetzel wird beschuldigt, in einem in dieser Zeitschrift abgedruckten Artikel die Vernichtung der europäischen Juden durch die Machthaber des Dritten Reiches zu leugnen.

Das Amtsgericht Bielefeld hatte die Beschlagnahme dieser Ausgabe wegen des Verdachts der Volksverhetzung angeordnet. Nach Aussage von Staatsanwalt Hermann Simonsen ist diese Ausgabe der Vereinszeitschrift in einer Auflage von vermutlich 2500 Exemplaren bereits verbreitet worden: "Bei den Durchsuchungen haben wir nur noch 20 Exemplare gefunden, sie wurden uns freiwillig übergeben." Eine weitere Durchsuchung hat es gestern Vormittag in Rotenburg/Wümme bei dem "Schriftleiter" gegeben. Bei der gestrigen Aktion sei es nur um die Druckschrift, nicht aber um die Einrichtung an sich gegangen, sagte der Staatsanwalt.

In dieser Zeitschrift ist nach Auskunft der Staatsanwaltschaft ein namentlich mit Ursula Haverbeck-Wetzel gezeichneter Artikel veröffentlicht, der sich mit der Vernichtung der Juden im Dritten Reich beschäftigt. Dieser Artikel nehme Ausführungen eines Spiegel-Redakteurs (die dieser in einer anderen Zeitschrift gemacht habe) auf, wonach die tatsächliche Zahl der Holocaust-Opfer geringer als bisher bekannt sei. In dem in der "Stimme des Gewissens" veröffentlichten Artikel werde daraus gefolgert, dass es den Holocaust "so wohl nicht gegeben habe", sagte der Staatsanwalt.

Nach oberster deutscher Rechtssprechung mache sich strafbar, wer die Verbrechen an den Juden leugne oder verharmlose. Staatsanwalt Hermann Simonsen erläutert: "Der Holocaust ist eine feststehende historische Tatsache." Die Strafandrohung - bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug bzw. Geldstrafe - richte sich ausdrücklich gegen so genannte "Unbelehrbare", die aus "feindseliger Ignoranz" Tatsachen leugnen oder anders darstellen.

"Verdacht der Volksverhetzung"

Der Polizei bzw. dem Staatsschutz war ein Exemplar der betreffenden Ausgabe der "Stimme des Gewissens" zugespielt worden. Die von den Ermittlungsbehörden eingeschaltete Staatsanwaltschaft hatte daraufhin beim Bielefelder Amtsgericht die gestrige Durchsuchung und die Beschlagnahme dieser Ausgabe wegen des Verdachts der Volksverhetzung beantragt.

Ursula Haverbeck-Wetzel, Vorsitzende des Vereins Collegium Humanum e.V., hat als Beschuldigte nach Angaben der Staatsanwaltschaft Bielefeld Beschwerde gegen die Beschlagnahme eingelegt. Konkrete Angaben zur Sache habe sie gestern verweigert.

Das Landgericht Bielefeld wird die Beschwerde prüfen. Falls die Beschwerde abgewiesen und der Staatsanwalt dann eine Verurteilung für wahrscheinlich hält, wird Anklage erhoben.

Den Verdacht, sie habe mit dem umstrittenen Artikel die Auschwitz-Lüge verbreitet, weist Ursula Haverbeck-Wetzel entschieden zurück. Auf Anfrage erklärte sie der VLOTHOER ZEITUNG: "Ich habe nicht geleugnet, dass Juden in Auschwitz umgekommen sind. Vor dem Hintergrund des Artikels des Spiegel-Redakteurs habe ich festgestellt, dass die bislang genannten Zahlen so nicht aufrecht erhalten werden können." Im übrigen habe sie auch keine Beschwerde gegen die gestrige Aktion eingelegt.

Das Collegium Humanum auf dem Winterberg gilt als eine Weiterbildungseinrichtung der ganz rechten Szene, in der sich auch schon beispielsweise 1984 ein "Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers" getroffen hat. Zuletzt war Mitte Oktober 2003 der ehemalige RAF-Anwalt und jetzt in der rechten Szene aktive Horst Mahler als Referent im Haus.

In einer gemeinsamen Presseerklärung von Staatsanwaltschaft Bielefeld und Polizeipräsidium Bielefeld zur gestrigen Aktion heißt es: "Das Collegium Humanum unterhält in Vlotho eine Bildungsstätte, die seit Jahrzehnten auch von Rechtsextremisten unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung genutzt wird. Mehrfach haben sich bekannte Neonazis aus dem ostwestfälischen Raum dort getroffen. Die Organisation tritt durch ihre Kontakte zu rechtsextremistischen Gruppierungen und insbesondere als Herausgeber der Publikation "Stimme des Gewissens" in Erscheinung."


vlotho@westfalen-blatt.de

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