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Staatsanwaltschaft Detmold , 09.01.2002 :

Anklageschrift ... Sven Dickmann ... Tobias Thomas Budde ...

Staatsanwaltschaft Detmold
- 31 Js 526/01 -

Amtsgericht Detmold
- Jugendschöffengericht -
32756 Detmold

Anklageschrift

1.
Herr Manuel S c h n e i d e r , geboren am 03.08.1980 in Leipzig, wohnhaft ... , 32760 Detmold, ledig, Deutscher,
Verteidiger:
Rechtsanwalt Jürgen Bogner, ... , 32825 Blomberg,

2.
Herr Sven D i c k m a n n , geboren am 22.02.1983 in Paderborn, wohnhaft ... , 32760 Detmold, ledig, Deutscher,

3.
Herr Tobias Thomas B u d d e , geboren am 06.02.1981 in Detmold, wohnhaft ... , 32756 Detmold, ledig, Deutscher,

werden angeklagt,

am 15.09.2001 gegen 0.10 Uhr in Detmold die Angeschuldigten Dickmann und Budde als Heranwachsende

1. der Angeschuldigte Budde in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen zu haben, dass er Teile der Bevölkerung beschimpfte und böswillig verächtlich machte,

2. die Angeschuldigten Budde und Dickmann gemeinschaftlich eine andere Person mittels eines gefährlichen Werkzeugs körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben,

3. der Angeschuldigte Schneider vorsätzlich die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt zu haben, dass er einen gefährlichen Eingriff vornahm, und dadurch Leib und Leben eines anderen Menschen gefährdet zu haben.

Den Angeschuldigten wird folgendes zur Last gelegt:

1. Am 15.09.2001 gegen 0.10 Uhr beschimpfte der Angeschuldigte Budde auf der Bielefelder Straße in Detmold die vor dem Gebäude der alten Pauline stehenden Zeugen ... , ... und ... mit den Worten "Juden raus"und "Zecken raus".

2. Wenig später griffen die Angeschuldigten Budde und Dickmann mit Holzlatten bewaffnet die Zeugen ... , ... , ... und ... an. Während die übrigen Zeugen entkommen konnten, wurde der Zeuge ... von den Angeschuldigten eingeholt und zu Boden geworfen. Während der Angeschuldigte Dickmann den Zeugen festhielt, schlug der Angeschuldigte Budde mehrfach mit der Holzlatte auf den Kopf des Zeugen ein. Darüber hinaus versetzte der Angeschuldigte Budde, der Springerstiefel mit Stahlkappen trug, dem Zeugen mehrere Fußtritte. Der Zeuge
... , der kurzzeitig bewusstlos war, erlitt blutende Verletzungen sowie Prellungen im Gesicht und an den Händen.

3. Nachdem die Angeschuldigten Budde und Dickmann an der Einfahrt des Parkplatzes der Sparkasse sodann in den Pkw des Angeschuldigten Schneider eingestiegen waren, fuhr der Angeschuldigte Schneider mit Vollgas auf den vor seinem Pkw stehenden Zeugen ... zu. Der Zeuge konnte nur durch einen Sprung zur Seite verhindern, dass er von dem Pkw des Angeschuldigten erfasst wurde. Die dem Angeschuldigten Schneider um 1.45 entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 0,91 Prozent.

Vergehen gemäß §§ 130 Abs. 1 Nr. 2, 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4, 315b Abs. 1 Nr. 3, 25 Abs. 2, 53, 69, 69a StGB, 1, 105 ff. JGG.

Beweismittel:

I.

Einlassungen der Angeschuldigten.

II.

Zeugen:

1. ... , ... , 32760 Detmold
2. ... , ... , 32760 Detmold
3. ... , ... , 33189 Schlangen
4. ... , ... , 32756 Detmold
5. ... , ... , 32760 Detmold
6. Alexander Rieks, ... , 32756 Detmold

III.

Urkunden:

Blutalkoholgutachten Bl. 71, 75 und 123 d. A.

IV.

Augenscheinobjekte:

1. Diverse Holzstücke
2. Skizze Bl. 141 Rs. D. A.

Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen:

Dem Angeschuldigten Schneider ist am 08.06.1999 durch das Amtsgericht Höxter wegen Diebstahls eine richterliche Weisung erteilt worden.

Der Angeschuldigte Dickmann ist im Jahre 1999 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafrechtlich in Erscheinung getreten, die Staatsanwaltschaft Detmold hat gemäß § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung abgesehen. Am 08.02.2001 wurde dem Angeschuldigten durch das Amtsgericht Detmold wegen vorsätzlicher Körperverletzung die Erbringung von Arbeitsleistungen auferlegt; sodann wurde das Verfahren gemäß § 47 JGG eingestellt.

Der Angeschuldigte Budde ist durch Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 13.06.2000 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt worden; ihm ist eine Geldauflage erteilt worden.

In der Nacht von Freitag, dem 14.09.2001, auf Samstag, den 15.09.2001, fand in den Räumen der Kulturinitiative Detmold in der Bielefelder Straße eine Jubiläumsfeier aus Anlass des 20-jährigen Bestehens der "alten Pauline"statt. Die Zeugen ... , ... und ... , die an dieser Feier teilgenommen hatten, verließen gegen 0:10 Uhr das Gebäude und gingen auf der Bielefelder Straße in Richtung Hermannstraße. Als sie sich noch in unmittelbarer räumlicher Nähe zur "alten Pauline"befanden, fuhr ein silberfarbener VW Jetta mit einer roten Fahrertür aus Richtung Paulinenstraße kommend an ihnen vorbei. Wie sich später herausstellte, befanden sich in dem Fahrzeug die drei Angeschuldigten und der Zeuge Rieks, wobei der Angeschuldigte Schneider den Pkw führte, hinter ihm saß der Zeuge Rieks, auf dem Beifahrersitz befand sich der Angeschuldigte Dickmann und dahinter der Angeschuldigte Budde. Aus dem Fahrzeug heraus wurden die Zeugen ... , ... und ... mit Parolen wie "Zecken raus"und "Juden raus"beschimpft. Der Pkw wurde sodann in der Nähe des Parkplatzes der Firma Vobis (Ecke Bielefelder Straße / Hermannstraße) angehalten. Aufgrund dieser Umstände entschlossen sich die drei Zeugen, in das Gebäude der "alten Pauline"zurückzukehren, da sie mit Übergriffen durch die Fahrzeuginsassen rechneten. Nachdem die drei Zeugen dem Zeugen ... über die Ereignisse berichtet hatten, begaben sich alle in Richtung des Parkplatzes der Firma Vobis, um zu versuchen, das Kennzeichen des Pkws abzulesen. Als man den Parkplatz erreichte, bemerkte der Zeuge ... , dass das Fahrzeug offensichtlich umgestellt worden war, so dass er nun das Kennzeichen LIP - U 608 ablesen konnte. Zu diesem Zeitpunkt stürmten dann plötzlich die Angeschuldigten Budde und Dickmann mit Holzlatten bewaffnet auf die Zeugen zu, die daraufhin in Richtung "alte Pauline"flüchteten. Die Holzlatten hatten die Angeschuldigten - wie später ermittelt werden konnte - von einer Palette abgebrochen, die auf dem Parkplatz gelagert war. Den Zeugen ... , ... und ... gelang es, in das Gebäude der "alten Pauline" zu flüchten, während der Zeuge ... von den Angeschuldigten Budde und Dickmann eingeholt wurde. Sodann kam es zu der im Anklagesatz näher geschilderten gefährlichen Körperverletzung. Der Zeuge ... brach letztlich vor dem Gebäude der "alten Pauline" zusammen. Während weitere Personen aus den Räumen der "alten Pauline" hinzukamen, stiegen die Angeschuldigten Budde und Dickmann in den nun der gegenüberliegenden Einfahrt der Sparkasse Detmold abgestellten Pkw des Angeschuldigten Schneider. Der Zeuge ... stellte sich vor das Fahrzeug, um die Abfahrt zu verhindern. Er musste sich jedoch durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit bringen, da der Angeschuldigte Schneider stark beschleunigend auf ihn zufuhr.

Der vorstehende Sachverhalt ergibt sich hinsichtlich des Tatgeschehens aus den glaubhaften Angaben der Zeugen ... , ... , ... , ... , ... und Rieks. Auch die Angeschuldigten haben den Sachverhalt in wesentlichen Teilen so bestätigt. Im Einzelnen haben sie sich wie folgt eingelassen:

Der Angeschuldigte Budde hat bestritten, aus dem Pkw heraus die Zeugen ... , ... und ... beschimpft zu haben. Insoweit wird er durch die Angaben des Angeschuldigten Schneider überführt, der hierzu bekundet hat, er sei sich sicher, dass der Angeschuldigte Budde "von hinten aus"die fraglichen Worte gerufen habe. Diese Angaben sind auch im Hinblick darauf glaubhaft, dass der Angeschuldigte Budde - wie oben ausgeführt - hinten rechts im Pkw gesessen hat, also auf der den Zeugen zugewandten Seite des Pkws.

Zum Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung haben sich die Angeschuldigten Budde und Dickmann im Wesentlichen dahin eingelassen, der Angeschuldigte Dickmann sei von dem Zeugen ... zu Boden gebracht worden, der Zeuge habe dann auf dem Angeschuldigten Dickmann gesessen. Der Angeschuldigte Budde habe dann auf den Zeugen eingeschlagen, bis Dickmann sich habe befreien können. Der Angeschuldigte Budde hat - über die Angaben des Zeugen ... hinausgehend - eingeräumt, den Zeugen auch mit seinen Springerstiefeln getreten zu haben.

Zu dem Verhalten der Angeschuldigten Budde und Dickmann nach der Körperverletzung hat der Angeschuldigte Schneider angegeben, der Angeschuldigte Budde habe mit der ganzen Sache ziemlich geprahlt und gesagt, dass er "den einen halbtot geschlagen hätte". Der Zeuge Rieks hat insoweit angegeben, Budde und Dickmann hätten, nachdem sie wieder im Fahrzeug gewesen seien, von der Schlägerei erzählt und sinngemäß geäußert: "Haben wir es den Zecken wieder gezeigt."

Zum Vorwurf des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr hat der Angeschuldigte Schneider sich im Wesentlichen dahin eingelassen, er sei "im Prinzip sehr langsam angefahren", so dass die vor seinem Pkw stehenden Person habe erkennen können, dass er weg gewollt habe. Dieser Mann habe ohne weiteres zur Seite gehen können und sei nicht etwa an die Seite gesprungen. Diese Einlassung wird durch die glaubhaften Angaben der Zeugen ... und ... widerlegt.

Den Angeschuldigten sind nach ihrer Festnahme Blutproben entnommen worden; die dem Angeschuldigten Dickmann um 0:57 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 0,72 Prozent, die dem Angeschuldigten Schneider um 1:45 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 0,91 Prozent, die dem Angeschuldigten Budde um 2:29 entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 1,54 Prozent.

Es wird beantragt,

das Hauptverfahren vor dem Jugendschöffengericht in Detmold zu eröffnen.

Höbrink
Oberstaatsanwalt


poststelle@sta-detmold.nrw.de

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